Videochat-System der Notrufzentralen soll Arztpraxen entlasten

Arztpraxen und Krankenhäuser sind häufig schon im Regelbetrieb
überlastet. Nun sorgt das Coronavirus für einen weiteren Ansturm.
Eine Techniklösung für Nothelfer könnte nun dabei helfen, die
medizinische Infrastruktur im Coronastress am Laufen zu halten.

Düsseldorf (dpa) - Ein neuartiger Videochatdienst für Nothelfer, der
bislang vor allem in Rettungszentralen eingesetzt wird, soll künftig
auch Arztpraxen und Krankenhäuser entlasten. Er soll auch dabei
helfen, Infektionsketten in der Coronavirus-Pandemie zu unterbrechen.
Das bestehende System EmergencyEye des Start-ups Corevas aus
Grevenbroich (Nordrhein-Westfalen) wurde mit Unterstützung des
Telekommunikationskonzerns Vodafone so erweitert, dass es künftig
auch von Medizinern für eine Ersteinschätzung aus der Ferne
eingesetzt werden kann, kündigten die Unternehmen am Mittwoch in
Düsseldorf an.

«EmergencyEye ermöglicht eine qualifizierte erste Diagnose aus der
Ferne, mit visuellen Eindrücken, indem man einfach die Kamerafunktion
des Handys nutzt», erläuterte Vodafone-Deutschland-Chef Hannes
Ametsreiter. Die Ärzte könnten dann anhand der ersten Eindrücke
entscheiden, ob ein Test oder eine weitere Behandlung notwendig sei.
«Sie können dann auch beratend in einem Gespräch dafür sorgen, dass

hier mehr Sicherheit herrscht, ohne dass jetzt Ansteckungsgefahr für
irgendeine Person in dieser ganzen Kette tatsächlich besteht.»

Das System setzt beim Patienten ein Smartphone voraus, kommt aber
ohne die Installation einer App aus. In einem Telefonat mit dem Arzt
oder dem Krankenhaus muss der Patient dem Helfer nur seine
Handynummer mitteilen und bekommt dann über eine SMS einen Link, auf
den er tippen muss. Dann öffnet sich im Browser auf dem Smartphone
eine Webanwendung, über die ein Videostream an die Helfer übertragen
werden kann. Dabei wird der Patient gefragt, ob er sein Videosignal,
das Mikrofon des Handys und bei Bedarf auch die Geoposition zeitlich
befristet für die Helfer freischaltet. In der Arztpraxis, im
Krankenhaus oder in einer Rettungsstelle reicht für die Anwendung ein
PC aus, der mit dem Internet verbunden ist.

Vodafone sorgt als Technologiepartner für die Verbindung des Systems
mit dem Mobilfunknetz und das Versenden der SMS. Das System
funktioniert mobil selbst dann, wenn das monatliche Datenvolumen des
Anrufers fast aufgebraucht ist, denn der Videochat wird
providerübergreifend nicht auf das Abrechnungsvolumen angerechnet.

In der aktuellen Lage stellt Corevas sein System kostenfrei zur
Verfügung, kündigte Firmengründer Guenter Huhle an, der selbst
Mediziner ist. Ein Geschäftsmodell für den medizinischen Bereich
werde noch erarbeitet. In Rettungsstellen berechnet Corevas für jeden
Notfall-Videochat vier Cent.

Die Idee zum Aufbau des Systems hatten Huhle und seine Frau nach
einem Motorradunfall in Frankreich. Sie kannten sich am Unfallort
kaum aus und konnten sich mit den Rettungskräften auf Französisch nur
schwer verständigen. «Es dauerte 90 Minuten, bis Hilfe kam. Nach der
Zeit im Krankenhaus haben wir in der Familie überlegt, wie wir das
Handy nutzen können, um solche Situationen zu vermeiden.» Der Chat
von EmergencyEye ermöglicht zudem eine Übersetzung in Echtzeit von
derzeit zehn Sprachen, darunter Deutsch, Englisch, Französisch,
Türkisch, Arabisch, Hebräisch und Russisch.