Milliardenpakete gegen Virusfolgen - Was beschließt der Bundestag? Von Theresa Münch und Basil Wegener, dpa

Es sind gewaltige Hilfsprogramme, die im Eilverfahren auf den Weg
gebracht werden. Was soll jetzt der Bundestag beschließen? Und wie
kann das in Zeiten höchster Alarmbereitschaft funktionieren?

Berlin (dpa) - In einer Sitzung unter nie da gewesenen Umständen will
der Bundestag an diesem Mittwoch die Weichen für die Rettung von
Firmen und den Schutz der Menschen in der Corona-Krise stellen.
Anstatt zu Präsenz ruft Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble zu
Abwesenheit im Parlament auf: Die Anzahl der Abgeordneten im
Plenarsaal soll «auf das erforderliche Maß» reduziert werden. Ein
Überblick über die geplanten Notmaßnahmen und Schutzschirme:

Wie will der Bundestag insgesamt der Lage gerecht werden?

Festgelegt werden soll eine Notlage in Deutschland durch die
Coronavirus-Epidemie. Dahinter verbergen sich verstärkte Befugnisse
des Bundes beim Infektionsschutz. In demselben Gesetz ist auch
geregelt, dass Eltern Geld bekommen sollen, wenn sie durch
Verdienstausfall wegen Kita- oder Schulschließungen zu Hause bleiben
müssen.

Welche Hilfen beschließt der Bundestag für die Wirtschaft?

Abgestimmt wird über einen 600 Milliarden Euro umfassenden
Schutzschirm für größere Firmen. Der Staat will in großem Umfang
Garantien geben und notfalls wichtige Unternehmen auch ganz oder zum
Teil verstaatlichen. Wenn die Krise vorbei ist, sollen sie wieder
privatisiert werden. Profitieren können nicht alle Unternehmen,
sondern nur solche mit hohen Umsatzerlösen oder mehr als 250
Mitarbeitern. Kleinere Firmen sollen nur im Einzelfall unter den
Schutzschirm schlüpfen - wenn sie für die Infrastruktur besonders
wichtig sind.

Was ist mit kleinen Firmen und Selbstständigen?

Auch für die gibt es Hilfen, sie müssen allerdings nicht im Bundestag
beschlossen werden. Bereits gestartet ist ein unbegrenztes
Kreditprogramm über die staatliche Förderbank KfW. Außerdem können

die Unternehmen ihre Steuern später begleichen. Ausgezahlt über die
Länder sollen kleine Firmen und Selbstständige, Musiker, Fotografen,
Heilpraktiker oder Pfleger, die gerade kaum Kredite bekommen, zudem
direkte Finanzspritzen erhalten. Je nach Unternehmensgröße sind das
für drei Monate 9000 bis 15 000 Euro.

Wie will die Bundesregierung das alles bezahlen?

In so einer Situation dürfe man nicht knausrig sein, hat
Finanzminister Olaf Scholz (SPD) zu verstehen gegeben. Im Klartext
heißt das: Der Bund will in diesem Jahr so viele Schulden aufnehmen
wie noch nie. Die Erlaubnis dazu sollen der Bundestag am Mittwoch und
der Bundesrat abschließend am Freitag geben. Das Finanzministerium
rechnet mit Kosten für die Hilfsprogramme von 122,8 Milliarden Euro.
Zugleich kommen wohl 33,5 Milliarden Euro weniger Steuern rein.
Deshalb plant Scholz eine Neuverschuldung von 156,3 Milliarden Euro.
Das sind rund 100 Milliarden mehr, als die Schuldenbremse im
Grundgesetz erlaubt. Der Bundestag soll deshalb am Mittwoch eine
Notfallregelung in Kraft setzen, die ausnahmsweise das Schuldenmachen
erlaubt.

Wie soll Arbeitslosigkeit bei Millionen Menschen verhindert werden?

Hier greift die Regierung zum bewährten Mittel aus der Finanzkrise
2008/2009 - der Kurzarbeit. Wenn es nichts mehr zu arbeiten gibt,
kann ein Unternehmen die Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken - die
Bundesagentur für Arbeit übernimmt 60 Prozent des Lohns, bei Menschen
mit Kindern 67 Prozent. Die Unternehmen bekommen Sozialbeiträge
erstattet. Kurzarbeitergeld kann künftig fließen, wenn nur zehn
Prozent der Beschäftigten vom Arbeitsausfall betroffen sind - statt
wie bisher ein Drittel. Auch Zeitarbeitsunternehmen können die
Leistung anzeigen.

Wie viele Menschen werden davon betroffen sein?

Das ist unklar. Die Regierung geht von 2,15 Millionen Fällen von
konjunkturellem Kurzarbeitergeld aus - Kostenpunkt: 10,05 Milliarden
Euro. Aber Experten meinen: Selbst solche hohen Zahlen sind zu
niedrig angesetzt. In einigen Branchen wie der Metall- und
Elektroindustrie und der Systemgastronomie stocken die Unternehmen
das Kurzarbeitergeld auf.

Hat der Gesetzgeber etwas für Mieter geplant?

Ja. Mietern darf nicht mehr gekündigt werden, weil diese wegen der
Corona-Krise die Miete nicht zahlen können. «Der Zusammenhang
zwischen Covid-19-Pandemie und Nichtleistung wird vermutet», heißt es
im entsprechenden Entwurf. Die Verpflichtung der Mieter zur Zahlung
der Miete soll aber im Grundsatz bestehen bleiben.

Wie sollen soziale Härten abgefedert werden?

Wer Hartz IV beantragt, soll zunächst keine Vermögensprüfung oder
Prüfung der Höhe der Wohnungsmiete fürchten müssen. Die Regierung
rechnet damit, dass es bis zu 1,2 Millionen zusätzliche
Grundsicherungsbezieher geben wird - und dadurch zehn Milliarden Euro
Mehrkosten. Familien mit Einkommenseinbrüchen sollen leichter an den
Kinderzuschlag kommen: Geprüft werden soll statt des Einkommens aus
den letzten sechs Monaten nur das vom letzten Monat. Eltern mit
wegbrechendem Einkommen wegen Kinderbetreuung sollen Hilfen bekommen.

Welche weiteren Neuregelungen wurden angestoßen?

Eine ganze Reihe weiterer Schritte, etwa eine große Finanzspritze für
die Krankenhäuser von mehr als drei Milliarden Euro. Der Bund bekommt
mehr Kompetenzen beim Seuchenschutz, das Insolvenzrecht wird
gelockert, so dass Firmen nicht so schnell pleite gehen. Für
besonders wichtige Branchen gibt es auch Lockerungen beim
Arbeitszeitgesetz.

Wie sollen die Hilfen auf den Weg kommen?

An diesem Mittwoch berät und beschließt das Parlament. Für das von
der schwarz-roten Koalition geplante Aussetzen der im Grundgesetz
vorgeschriebenen Schuldenbremse zeichnet sich eine Mehrheit ab. Der
Bundesrat kommt ebenfalls schon an diesem Mittwoch und dann am
Freitag zu Sondersitzungen zusammen.