Kubicki: Beschleunigtes Verfahren wird nicht legislativer Normalfall

Der Bundestag achtet üblicherweise sehr genau auf seine Rechte. In
der Corona-Krise soll er jetzt in einem sonst unvorstellbaren Tempo
weitreichende Beschlüsse fassen. Vizepräsident Kubicki hält das für

gerechtfertigt. Das Land stabilisieren, laute die Aufgabe.

Berlin (dpa) - Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki hat die
Verabschiedung der weitreichenden Gesetze gegen die Folgen der
Corona-Krise im Eilverfahren verteidigt. «Wir haben eine Lage, in der
aktuell schnell gesetzliche Grundlagen geschaffen werden müssen,
damit die Exekutive handlungsfähig bleibt», sagte der FDP-Politiker
der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Zugleich betonte er: «Dieses
beschleunigte Verfahren wird definitiv nicht der legislative
Normalfall.» Gesetzesbeschlüsse im Schnellverfahren habe es immer mal
wieder gegeben. «Jedem Beteiligten ist klar, dass so etwas nur in
Notsituationen angewendet wird.»

Der Bundestag will an diesem Mittwoch in einem bisher kaum
vorstellbaren Tempo Milliarden-Hilfspakete beschließen, um die Folgen
der Corona-Krise abzumildern. Der Bund will mit mehreren großen
Rettungsschirmen und umfangreichen Rechtsänderungen Familien, Mieter,
Beschäftigte, Selbstständige und Unternehmen in der Corona-Krise
schützen.

Die Schuldenbremse im Grundgesetz soll außer Kraft gesetzt werden.
Sie legt die Grundlage für einen Nachtragshaushalt mit einer sonst
unzulässigen Schuldenaufnahme von rund 156 Milliarden Euro. Die erst
am Montag vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetze sollen am Freitag
bereits den Bundesrat passieren.

«Sicherlich wird diese verkürzte Sitzungswoche auch eine gewisse
Symbolkraft entfalten und zeigen, dass unsere demokratischen
Institutionen unaufgeregt und verantwortungsbewusst weiterarbeiten»,
sagte Kubicki weiter. Dies sei aber nicht vorrangig. «Vorrang haben
definitiv die Beschlüsse, die notwendigerweise getroffen werden
müssen, um bestmöglich aus dieser Notlage zu kommen. Es geht um viele
Milliarden Euro, die unser Land stabilisieren sollen in den unruhigen
Zeiten, die jetzt kommen werden.»

Der Bundestag will auch eine Änderung seiner Geschäftsordnung
beschließen, um die Schwelle für die Beschlussfähigkeit zu senken.
Bisher ist diese gegeben, wenn mehr als die Hälfte der 709
Abgeordneten - also 355 - anwesend ist. Künftig soll ein Viertel (178
Abgeordnete) ausreichen. Dadurch will der Bundestag auch in Zeiten
handlungsfähig bleiben, in denen sich womöglich viele Abgeordnete in
Quarantäne befinden.

Kubicki bezeichnete dies als eine «pragmatische Lösung der aktuellen
Situation» und sagte: «Wichtig war für uns, dass diese Änderung
zeitlich befristet wird.» In sechs Monaten müsste der Bundestag
selbst eine entsprechende Verlängerung beschließen. «Ich halte diese

Lösung auch für deutlich «schonender» für unsere parlamentarische

Ordnung als das vormals im Raum stehende Notparlament, das nicht nur
im Verteidigungsfalle eingerichtet werden dürfte. Denn mit der
jetzigen Lösung werden keine frei gewählten Abgeordneten zwangsweise
aus dem parlamentarischen Prozess ausgegrenzt.»