Prien für Absage aller Schulabschluss-Prüfungen im Norden

Wegen der Corona-Pandemie sollen in Schleswig-Holstein die Abitur-
und andere Schulabschluss-Prüfungen ausfallen. Bildungsministerin
Prien will stattdessen Abschlusszeugnisse auf Basis bisheriger Noten
vergeben. Das Kabinett entscheidet darüber am Mittwoch.

Kiel (dpa/lno) - Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien
(CDU) hat sich wegen der Corona-Pandemie für eine Absage der
Abiturprüfungen und aller anderen Abschlussprüfungen ausgesprochen.
«In der derzeitigen Situation und der besonderen Herausforderung
nicht nur für unser Schulsystem, sondern auch jeden einzelnen von
uns, halte ich diese Entscheidung für geboten», sagte Prien am
Dienstag. Sie werde dem Kabinett für die Beratungen am Mittwoch einen
entsprechenden Beschlussvorschlag vorlegen.

Mitte März wurde der Unterricht an den Schulen in Schleswig-Holstein
eingestellt. Im laufenden Schuljahr wollen allein 14 000 Schüler im
nördlichsten Bundesland ihr Abitur ablegen. Nach Angaben des
Bildungsministeriums meldeten die Schulen in diesem Schuljahr zudem
10 415 Schüler zum ersten allgemeinbildenden Schulabschluss an und
weitere 12 083 Schüler zum mittleren Schulabschluss.

«Wir haben in diesem Jahr durch die Ausbreitung des Coronavirus und
unsere Maßnahmen dagegen eine außergewöhnliche Situation», sagte
Prien. Wann und wie der Unterricht wieder aufgenommen werden könne,
sei noch nicht absehbar. «Seit zwei Wochen beraten wir uns, wie wir
in diesem Jahr faire und gerechte Abschlussprüfungen unter den
gegebenen Umständen ermöglichen können.» Die Abiturprüfungen mü
ssten
direkt nach den Osterferien beginnen. «Dies erscheint derzeit
unrealistisch.»

Die Schüler im Norden sollen nach Priens Plänen zum Ende des
Schuljahres stattdessen Abschlusszeugnisse auf Basis bisheriger Noten
erhalten. «Ich werde daher in der Kultusministerkonferenz
vorschlagen, dass wir keine Abiturprüfungen mehr abnehmen, sondern
das Abitur und seine Note anhand der bisher erbrachten Leistungen
bewerten», sagte Prien.

Auf Schülerseite stieß Prien mit ihrem Vorstoß auf Verständnis. «
Wir
halten es prinzipiell für die fairste Lösung, falls es aus
gesundheitlichen Gründen keine Prüfungen geben sollte», sagte die
Landesschülersprecherin für Gymnasien, Anna Weigand, der Deutschen
Presse-Agentur. Allerdings sollten die Schüler auf freiwilliger Basis
auch mündliche Prüfungen ablegen dürfen. Ein Teil der Schüler sei i
n
mündlichen Prüfungen besser als in schriftlichen. Nötig sei zudem
eine Gleichheit des Abiturs. Es dürfe keine Abwertung des Abiturs
aufgrund höherer Gewalt geben.

Priens Pläne stießen auch bei der Gewerkschaft Erziehung und
Wissenschaft auf Zustimmung. «Das ist eine sinnvolle und vernünftige
Entscheidung im Interesse der Gesundheit von Lehrkräften sowie
Schülerinnen und Schülern», sagte die Landesvorsitzende Astrid Henke.

Aus ihrer Sicht spricht nichts gegen das sogenannte
Anerkennungsabitur. «Den Schülerinnen und Schüler dürfen durch die

Absage der Prüfungen keine Nachteile entstehen. Das Abitur muss von
allen Bundesländern und von allen Hochschulen in vollem Umfang
anerkannt werden.» Es dürfe zudem nicht durch Bezeichnungen wie
«Notabitur» diskreditiert werden.

Die oppositionelle SPD hat angesichts der Corona-Pandemie für die
Abiturprüfungen in Schleswig-Holstein eine Lösung soweit wie möglich

im Gleichklang mit den anderen Bundesländern gefordert. «Auch wenn es
im Mai keinen Eurovision Song Contest gibt, muss die Punktevergabe an
den Schulen möglich sein», sagte der SPD-Bildungspolitiker Kai Vogel.

Zwei Hamburger Schüler haben angesichts der Corona-Pandemie bereits
eine Petition zur bundesweiten Absage der Abitur-Prüfungen gestartet.
Die beim Internetportal «change.org» veröffentlichte Petition haben
bis Dienstagnachmittag rund 76 000 Unterstützer unterzeichnet.