Airlines im Krisenmodus - Umsatzeinbruch um fast die Hälfte Von Christiane Oelrich und Christian Ebner, dpa

Der Stillstand der Luftverkehrsindustrie ist überall zu greifen und
die Prognosen werden immer düsterer. Die Airlines halten einstweilen
ihre Barmittel beisammen.

Genf/Frankfurt (dpa) - Die Corona-Pandemie hat die internationalen
Fluggesellschaften nach Auffassung ihres Dachverbandes IATA in die
schlimmste Krise ihrer Geschichte gestürzt. Im laufenden Jahr könnten
die Umsätze weltweit um bis zu 44 Prozent des Vorjahresvolumens
einbrechen, wie der Verband am Dienstag in Genf mitteilte. Rund 2,7
Millionen Jobs stünden in der Industrie auf dem Spiel, warnte
IATA-Generalsekretär Alexandre de Juniac und verlangte massive
Finanzhilfen.

Die möglichen Umsatzeinbußen bezifferte der Verband auf bis zu 252
Milliarden Dollar (233 Mrd Euro) und pulverisierte damit Vorhersagen,
die erst wenige Tage alt waren. Die schlimmsten Rückgänge seien in
der Region Asien-Pazifik mit minus 88 Milliarden Dollar und Europa
mit minus 76 Milliarden Dollar zu erwarten.

Zwar sei 2021 mit einer deutlichen Erholung zurechnen, sagte
IATA-Chefökonom Brian Pearce. Aber die Ausbreitung des Virus
Sars-CoV-2 gehe mit einer Rezession einher, was die Erholung
verlangsame. Deshalb sei ein Aufschwung eher in Form einer U-Kurve
als einer V-Kurve zu erwarten.

«Auf uns kommt mit rasantem Tempo eine Liquiditätskrise zu», sagte de

Juniac. Das Frachtgeschäft laufe zwar eigentlich, und sei gerade in
der Krise wichtig, um medizinisches Material zu befördern.
Frachtmaschinen und Besatzungsmitglieder seien aber von den
Reisebeschränkungen betroffen. Er appellierte erneut an Regierungen,
die Frachtmaschinen schnellstens abzufertigen.

Europas größte Billig-Airline Ryanair hat alle Flüge für mindestens

zwei Monate gestoppt. Das Unternehmen gehe derzeit davon aus, dass
keine Flüge im April und Mai stattfinden werden, teilte Ryanair-Chef
Michael O'Leary in Dublin mit. Letztlich hänge das aber von den
Regierungsanweisungen ab. Niemand wisse, wie lange die Pandemie
dauern werde. Ryanair steht laut O'Leary aber bereit, gestrandete
Passagiere zurückzufliegen oder sich zum Beispiel an
Medikamenten-Lieferungen zu beteiligen.

Die Lufthansa-Gruppe erstattet stornierte Tickets nicht mehr auf
Knopfdruck. Das Unternehmen hat in den professionellen, vor allem von
Reisebüros genutzten Buchungssystemen die Erstattungsfunktion ohne
Vorankündigung abgestellt. Dies bedeute aber nicht, dass man keine
Erstattungen mehr zahlen wolle, erklärte eine Sprecherin am Dienstag
in Frankfurt. Wegen des sprunghaften Anstiegs der Fallzahlen in der
Corona-Krise müsse man die Fälle später bearbeiten. Zuerst hatte das

Portal «Travel Inside» über die Maßnahme berichtet, die bei
Reisebüros für Unruhe gesorgt hat.

Auch Ryanair bat seine Kunden um Geduld bei Stornierungen. Man habe
wegen der Corona-Prophylaxe das Verwaltungspersonals um rund die
Hälfte reduzieren müssen. Die Ticketinhaber würden in den kommenden
«ein bis zwei Wochen» per Mail über die bestehenden Möglichkeiten
informiert.

Der vergleichsweise niedrige Aktienkurs der Lufthansa könnte ihrem
Chef Carsten Spohr entgegenkommen. Er hatte laut einer
Pflichtmitteilung an die Börse am vergangenen Freitag für knapp 250
000 Euro Aktien seines Unternehmens erworben. Dazu war er allerdings
nach den Vergütungsrichtlinien des Dax-Konzerns verpflichtet.

An Europas Himmel finden derweil immer weniger Flüge statt. Am Montag
gab es laut Eurocontrol nur noch 6 837 kontrollierte Flüge und damit
weniger als ein Viertel eines vergleichbaren Tages im vergangenen
Jahr. Der Rückgang betrug 75,9 Prozent und war damit so stark wie
noch nie seit Beginn der Krise, wie die Flugsicherungs-Koordination
in Brüssel mitteilte.

Die Deutsche Flugsicherung (DFS) reagierte auf den geringeren Bedarf
nach Fluglotsen mit einem «Corona-Tarifvertrag» mit ihrer
Hausgewerkschaft GdF. Danach darf für Lotsen und andere
Tarifbeschäftigte eine Minderarbeit von bis zu 300 Stunden angeordnet
werden, was rund 40 Arbeitstagen entspricht. Die Beschäftigten müssen
diese Zeiten dann in den kommenden fünf Jahren zur Hälfte
nacharbeiten. Das sei flexibler als Kurzarbeit, erklärte DFS-Chef
Klaus-Dieter Scheurle.

Am größten deutschen Flughafen in Frankfurt war die Passagierzahl in
der zwölften Kalenderwoche des Jahres (16. bis 22. März) um 73,5
Prozent auf 331 353 Menschen eingebrochen. Das Frachtvolumen fiel um
rund ein Fünftel auf 36 591 Tonnen, wie Betreiber Fraport mitteilte.
Die Anzahl der Flugbewegungen sank um rund 58 Prozent auf 3960. Die
Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg schickte ihre 2200
Mitarbeiter in Kurzarbeit.