Wieder deutlich mehr Drogentote - und neue Corona-Risiken drohen Von Sascha Meyer, dpa

Kokain, Amphetamine, Heroin: Illegale Drogen haben mehr Menschen das
Leben gekostet. Die Drogenpolitik ringt um bessere Hilfsansätze. Doch
jetzt bringt erstmal die Corona-Krise akute zusätzliche Probleme.

Berlin (dpa) - Die Zahl der Drogentoten in Deutschland ist wieder
deutlich gestiegen. Wegen des Konsums illegaler Substanzen starben im
vergangenen Jahr 1398 Menschen - das waren 122 Menschen (9,6 Prozent)
mehr als 2018, wie die Bundesdrogenbeauftragte Daniela Ludwig (CSU)
am Dienstag mitteilte. Häufigste Ursache sind weiter Überdosierungen
von Opioiden wie Heroin und Morphin. Auch an sogenannten Partydrogen
starben mehr Menschen. Die Corona-Krise macht die Situation für viele
Abhängige gerade noch schwieriger. Politik und Helfer vor Ort mahnen,
Begleitungsangebote trotz aller Einschränkungen aufrechtzuerhalten.

Ludwig sagte, die Entwicklung der vergangenen Jahre sei auf keinen
Fall hinzunehmen. «Wir sehen an den Zahlen klar, dass wir Leben nur
dann retten können, wenn die Hilfsangebote vor Ort noch besser und
vor allem lückenloser werden.» Dringlich sei eine flächendeckende
Versorgung mit Ersatzstoffen (Substitution).

Tatsächlich gab es wieder einen stärkeren Anstieg, nachdem die Zahl
der Toten 2018 im Vergleich zum Jahr zuvor noch annähernd konstant
geblieben war. An Opioiden wie Heroin und Morphin starben nun 650
Menschen, im Jahr zuvor waren es noch 629 gewesen. Ludwig lenkte in
diesem Zusammenhang den Blick auf den Stoff Naloxon, der Wirkungen
einer Überdosierung für einige Zeit aufheben und so kurzfristig Leben
retten könne. Als Spray kann Naloxon seit zwei Jahren verschrieben
werden, in Bayern gibt es auch ein Modellprojekt dazu. Flächendeckend
sei es in der Szene aber noch nicht angekommen, sagte Ludwig.

Auffällig ist nach Angaben der Drogenbeauftragten auch eine Zunahme
der Todesfälle wegen langjährigen Drogenmissbrauchs. Im vergangenen
Jahr waren es 318 - nachdem es 2014 noch 119 gewesen waren. Auch bei
Kokain, Amphetaminen und synthetischen Drogen gab es einen Anstieg in
diesem Zeitraum: von 143 auf nun 268 Tote. Diese Häufung zeige, wie
wichtig Aufklärung und Beratung auch bei Partydrogen und anderen
Aufputschmitteln seien, sagte Ludwig. Nötig seien passgenaue Projekte
für die Partyszene, um Gesundheitsrisiken bewusst zu machen.

Die Grünen forderten, die Bundesregierung müsse dafür sorgen, dass
ein flächendeckendes Drug-Checking möglich wird. «Wenn Drogen auf
Streckmittel und Konzentration der Wirkstoffe getestet werden, können
Überdosierungen und Todesfälle vermieden werden», erläuterte die
Fachpolitikerin Kirsten Kappert-Gonther. Zudem bräuchten Abhängige
sichere Konsumräume mit Hilfen in Notfällen. Die Linke verlangte eine
grundlegend neue Drogenpolitik. Substitution sei auch kein
Allheilmittel. «Mehr als die Hälfte der Drogentoten ist gar nicht an
einer Opioid-Überdosis gestorben», sagte Experte Niema Movassat.

Zusätzliche Sorgen bereiten da abrupte Auswirkungen der Corona-Krise.
Suchthilfeorganisationen verweisen darauf, dass der Schwarzmarkt für
Heroin und andere Substanzen derzeit zusammenbreche. Es drohten
vielen Drogenkonsumenten unbegleitete Entzugssituationen. Wegen
anderer Krankheiten und eines oft geschwächten körperlichen Zustands
gehörten sie zu gefährdeten Menschen in der Pandemie.

Ludwig dringt denn auch darauf, Hilfsangebote aufrechtzuerhalten. «Es
geht jetzt darum, Leben zu retten.» Nötig dafür sei ein Kraftakt von

Bund, Ländern, Kommunen, Suchthilfe, Krankenkassen und Ärzten. So
dürften Substitutionspatienten nicht auf der Strecke bleiben. Wichtig
sei auch, Akutbehandlungen in Kliniken weiter anzubieten, hatte sie
bereits gefordert. Auch dürften Suchtkliniken nicht in die Insolvenz
getrieben werden. Konsumräume und Notunterkünfte müssten von
möglichen Ausgangssperren ausgenommen werden.