Wirtschaft auf Talfahrt - wann fließen die Corona-Nothilfen? Von Andreas Hoenig und Verena Schmitt-Roschmann, dpa

Es ist eine Frage von Tagen, ob es Betriebe schaffen zu überleben,
warnt der Handwerkspräsident. Hilfsgelder müssten bis Monatsende bei
den Firmen ankommen. Der Wirtschaftsminister sagt das zu. Er blickt
aber auch nach vorne. Und welche Instrumente hat die EU noch?

Berlin/Brüssel (dpa) - Im Kampf gegen eine drohende Pleitewelle in
der Corona-Krise sollen Nothilfen für Unternehmen bald ankommen.
Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte am Dienstag in Berlin,
es werde fieberhaft daran gearbeitet, dass erste Kredite und
Zuschüsse noch in dieser Woche ausgezahlt werden könnten, zumindest
in einigen Ländern.

Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer sagte der Deutschen
Presse-Agentur: «Wenn es nicht gelingt, dass die Gelder und Zuschüsse
noch vor Ablauf des März bei den Betrieben ankommen, droht das
Hilfsunterfangen der Bundesregierung zu scheitern.» Für viele
Betriebe sei es inzwischen eine Frage von Tagen, ob sie es schaffen,
zu überleben oder ob sie pleitegehen.

Das Bundeskabinett hatte am Montag ein riesiges Hilfspaket für die
Wirtschaft zur Bewältigung der Corona-Krise auf den Weg gebracht. Am
Mittwoch soll es der Bundestag beschließen, am Freitag der Bundesrat
zustimmen. Dabei geht es zum einen um Notkredite, zum anderen um
direkte Zuschüsse.

SCHNELLE NOTHILFEN:

Schon in der nächsten Woche stehen bei vielen Unternehmen die
Lohnzahlungen an, für die liquide Mittel gebraucht werden, wie
Wollseifer sagte. Außerdem müssen weitere laufende Kosten wie Mieten
bezahlt werden. Ein Kreditprogramm für Unternehmen über die
staatliche Förderbank KfW soll Liquidität sichern helfen. Eine
Schlüsselrolle spielen die Hausbanken. Die KfW haftet mit bis zu 90
Prozent bei Betriebsmitteln und Investitionen.

Wollseifer betonte, für die betroffenen Betriebe zähle nicht, was auf
dem Papier versprochen oder in Aussicht gestellt werde, sondern was
konkret bei ihnen ankomme. «Das muss deutlich schneller und
unbürokratischer ablaufen als zurzeit», sagte der Präsident des
Zentralverbands des Deutschen Handwerks. Ein entscheidender
«Flaschenhals» seien in diesen Tagen die Hausbanken. Antragsverfahren
müssten deutlich verschlankt und vereinfacht werden.

BANKEN VOR ANTRAGSFLUT:

Banken und Sparkassen rechnen mit einer Flut von Kreditanträgen. Der
Sprecher der Deutschen Bank, Jörg Eigendorf, schrieb auf Twitter, die
Bank habe bereits am ersten Tag 5300 Anfragen für eine
KfW-Finanzierung erhalten. Dies sei eine große Herausforderung. «Aber
wir werden alles tun, um unserem Versprechen gerecht zu werden, Teil
der Lösung zu sein.»

Ein Sprecher der Commerzbank sagte, die Bank habe bereits jetzt
Finanzierungsanfragen von Firmen- und Unternehmerkunden im hohen
vierstelligen Bereich erhalten. Gut ein Drittel dieser Anfragen
erfülle die Kriterien des KfW-Programms. Die Bank arbeite mit
Hochdruck daran, die Vielzahl von Anträgen zeitnah zu prüfen und habe
bereits erste Anträge positiv genehmigt. Diese würden in dieser Woche
an die KfW sowie andere Förderinstitute weitergeleitet.

AUFSCHUB FÜR ARBEITGEBER BEI SOZIALBEITRÄGEN

Die Arbeitgeber müssen in einer finanziellen Notlage wegen der
Corona-Krise zunächst keine Sozialversicherungsbeiträge abführen. Auf

Antrag des Arbeitgebers können die Beiträge stattdessen bis Mai
gestundet werden, erfuhr die dpa aus Kreisen der
Sozialversicherungsträger. Die Beiträge für Kranken-, Arbeitslosen-,

Renten- und Pflegeversicherung sind eigentlich an diesem Freitag
fällig. Es handelt sich um insgesamt rund 40 Milliarden Euro.

DEUTSCHLAND VOR REZESSION - UND DANACH?

Viele Geschäfte und Restaurants mussten im Kampf gegen die
Ausbreitung des Virus dicht machen, in Fabriken wird nicht mehr
produziert: Durch die Folgen der Corona-Krise wird Deutschland in
eine Rezession stürzen - die Frage ist nur, wie schlimm es wird. Und
wie es danach weiter geht.

Altmaier sagte, die Perspektive eines neuen Aufschwungs nach der
Corona-Krise dürfe nicht aus den Augen verloren werden. Es gehe
darum, Wachstumskräfte zu entfalten - wenn die Zahl der Infektionen
zurückgehe, Einschränkungen im öffentlichen Leben zurückgefahren
werden und Unternehmen wieder normal produzieren könnten.

Konkreter wurde Altmaier nicht. Er macht sich aber seit langem für
eine Reform der Unternehmensteuern stark. Um die Konjunktur wieder
anzukurbeln, sind in der Debatte außerdem ein Vorziehen der
Soli-Teilabschaffung, eine Senkung der Mehrwertsteuer und mehr
öffentliche Investitionen - aber auch unkonventionelle Maßnahmen wie
Konsumschecks für die Verbraucher.

EU-INSTRUMENTE GEGEN KRISE:

Auch die EU will sich mit aller Macht gegen die wirtschaftlichen
Corona-Folgen stemmen. Die Finanzminister der Eurozone und der
übrigen EU-Staaten fanden aber am Dienstagabend noch keinen Konsens
über neue Instrumente. Eurogruppenchef Mario Centeno bekräftigte nach
einer Schaltkonferenz, dass vorsorgliche Kreditlinien des
Eurorettungsschirms ESM zur Debatte stehen. Es gehe um eine
Größenordnung von zwei Prozent der Wirtschaftskraft des jeweiligen
Mitgliedsstaats. Aber: «Die Diskussion hat erst begonnen, es bleibt
noch Arbeit zu tun.»

ESM-Chef Klaus Regling sagte, solche vorsorgliche Kreditlinien seien
in der Krise ein geeignetes Mittel. Der Eurorettungsschirm hat nach
Reglings Angaben noch 410 Milliarden Euro an Kreditlinien zur
Verfügung. Vorsorgliche Kreditlinien stünden allen Eurostaaten offen,
sie müssten sie aber nicht ziehen, sagte Regling. Würden die Kredite
genutzt, könne das Geld direkt in den Kampf gegen die Gesundheits-
und Wirtschaftskrise gesteckt werden.

Neben milliardenschweren Hilfspaketen der einzelnen EU-Staaten wurden
bereits mehrere Hebel auf europäischer Ebene gegen die erwartete
Wirtschaftskrise gezogen - etwa die Aussetzung der europäischen
Schulden- und Defizitregeln. Zur Eindämmung der wirtschaftlichen
Folgen durch die Pandemie sind auch sogenannte Corona-Bonds im
Gespräch. Die sind aber im Kreis der EU-Staaten nicht konsensfähig.

Auch Altmaier lehnte solche gemeinsame Anleihen ab und warnte vor
einer «Geister- und Gespensterdebatte». Centeno schloss dennoch nicht
aus, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt erneut diskutiert werden.