NRW-Landtag: Einmütig gegen Corona-Krise - «Bewährungsprobe» fü r NRW Von Dorothea Hülsmeier, dpa

Im Landtag sitzen die Abgeordneten wegen der Corona-Infektionsgefahr
weit auseinander. Doch politisch rücken Regierung und Opposition in
der größten Krise seit Bestehen Nordrhein-Westfalens zusammen. Alle
stellen sich hinter die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus.

Düsseldorf (dpa/lnw) - Die Corona-Krise schweißt den Landtag
zusammen. In seltener Eintracht kämpfen die schwarz-gelbe
Landesregierung und die Opposition gegen die gewaltigen
wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise für Nordrhein-Westfalen.

Alle Fraktionen stellten sich am Dienstag in einer Sondersitzung
hinter das von der Regierung geschnürte 25-Milliarden-Rettungspaket,
mit dem die Folgen der Krise für Wirtschaft und Beschäftigte
abgefedert werden sollen. «Unser Land erlebt momentan die schwerste
Bewährungsprobe in seiner Geschichte», sagte Ministerpräsident Armin

Laschet (CDU) in der denkwürdigen Sitzung. «Wir stehen am Beginn
einer großen und wahrscheinlich weltweiten Krise.»

Um die Corona-Ansteckungsgefahr zu reduzieren, saßen nur etwa 70 der
199 Abgeordneten im Plenum, um im Eilverfahren binnen weniger Stunden
über das in der Landesgeschichte beispiellose Hilfspaket abzustimmen.
Die Abstimmung war am Nachmittag geplant. «Der Kollaps unserer
Volkswirtschaft muss verhindert werden», sagte Laschet. Umsätze
brächen weg, Lieferketten würden unterbrochen, vom Freiberufler über

kleine Unternehmen bis zum Mittelständler und Großkonzernen seien
viele betroffen.

Die Solidarität in NRW geht auch über die Landesgrenzen hinaus. NRW
nehme zehn Corona-Patienten aus dem besonders vom Coronavirus
betroffenen Norditalien auf, sagte Laschet. Die italienische
Luftwaffe werde die Patienten in den nächsten Tagen nach NRW
verlegen. «Das ist ein kleiner Tropfen», sagte Laschet. «Aber wir
wollen signalisieren: Ihr seid nicht allein.» Jedes Leben, das man
retten können, sei es wert. Der Blick nach Italien zeige
«unermessliche Tragödien», sagte Laschet. «Es geht um Leben und Tod

Laschet verteidigte noch einmal das Kontaktverbot und alle anderen
strikten Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus in NRW als
verhältnismäßig. «Für uns gilt dabei nicht die Losung: Was sind d
ie
härtesten Maßnahmen, die wir machen können?» Vielmehr stelle sich d
ie
Frage, welche Maßnahmen die Menschen am besten schützen können. Nach

wie vor halte er Kontaktverbote für zielführender als
Ausgangssperren.

Die SPD-Opposition forderte finanzielle Hilfen auch für soziale
Dienste. «Auch soziale Dienste gehören unter den Rettungsschirm»,
sagte SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty. Zugleich forderte er die
Landesregierung auf, die Gebühren für Kitas und den Offenen Ganztag
(OGS) auszusetzen. Viele Familien müssten monatlich 200 bis 400 Euro
an Betreuungskosten zahlen. «Das ist Geld, das sie im Moment
gebrauchen können.»

Der mögliche Erfolg der Pandemie-Bekämpfung werde mit einem
ökonomischen Absturz erkauft, sagte Kutschaty. «Eine schwere
Rezession lässt sich nicht mehr vermeiden.» Aber es könne eine
«Depression» mit Massenarbeitslosigkeit und Pleitewellen verhindert
werden. Die Milliardenpakete von Bund und Land müssten vor allem auch
ein Rettungsschirm für einfache Selbstständige und Arbeitnehmer sein.

Die Grünen forderten Hilfe auch für Obdachlose, allein lebende alte
Menschen und die Armen in der Gesellschaft. «Auch diese brauchen
einen Rettungsschirm», sagte Grünen-Fraktionschefin Monika Düker. Das

Land dürfe in der Krise auch die Kommunen nicht allein lassen.
Geraden den finanzschwachen Kommunen drohten jetzt neue Kassenkredite
und Überschuldung. Die Hilfen müssten schnellstmöglich dort ankommen,

wo sie dringend gebraucht würden. FDP-Fraktionschef Christof Rasche
verwies auf die Kosten, die entstehen, um die Wirtschaft nach der
Krise etwa durch Investitionen wieder hochzufahren.

Laschet sagte, jeder Einzelne könne seinen Beitrag leisten, die
wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise abzumildern. Die Menschen
sollten weiterhin beim Bäcker, Metzger und Gemüsehändler vor Ort
einkaufen, Lieferdienste der Gastronomie nutzen, oder online
Gutscheine kaufen, die man später im Laden einlösen könne.

Wegen der Infektionsgefahr hatten sich alle fünf Landtagsfraktionen
darauf verständigt, nur mit einem Drittel ihrer Abgeordneten ins
Plenum zu gehen. Zwischen den Abgeordneten und auch den Ministern auf
der Regierungsbank blieben jeweils zwei bis drei Sitze leer. Keine
Zwischenrufe störten die Redner. Auf gegenseitige verbale Angriffe
verzichteten die Parlamentarier. Dafür gab es gegenseitigen Beifall
für Reden von CDU, FDP, SPD und Grünen, nicht aber für die AfD. Den
längsten Beifall in der Debatte aber bekamen die Tausenden Frauen und
Männer außerhalb des Plenarsaals, die als Ärzte, Pfleger, Apotheker,

Kassier, Polizisten und Feuerwehr das öffentliche Leben aufrecht
erhalten.

Mit dem Milliarden-Paket sollen Bürgschaften, Steuerstundungen sowie
Soforthilfen für Kleinunternehmen und Solo-Selbstständige finanziert
werden. Die Kreditaufnahme soll in Tranchen abhängig von den
benötigten Ausgaben erfolgen. Düker forderte die Landesregierung auf,
rasch klarzustellen, wie etwa kleine Unternehmen oder Selbstständige
an die zugesagten Hilfsgelder aus dem Rettungsschirm kommen könnten.
«Für die Betroffenen geht es jetzt um jeden Tag.» Finanzminister Lutz

Lienenkämper (CDU) wies darauf hin, dass Unternehmen die
zugesicherten Steuerstundungen leicht über die Homepage der
Finanzverwaltung NRW beantragen könnten.