Bundesweit erste Studie zu möglichem Covid-19-Medikament gestartet

Ärzte und Pharmakologen suchen weltweit auf Hochtouren nach einer
Impfung und einem Medikament gegen das Coronavirus. Nun testen sie
ein Präparat, das gegen einen anderen Erreger entwickelt wurde.

München (dpa/lby) - Im Kampf gegen das Coronavirus ist die bundesweit
erste Studie mit einem Medikament gegen die Lungenkrankheit Covid-19
angelaufen. Das ursprünglich gegen Ebola entwickelte US-Präparat
namens «Remdesivir» werde in einer international angelegten Studie an
rund 1000 Patienten in etwa 50 Kliniken rund um die Welt erprobt,
teilte Chefarzt Clemens Wendtner von der Klinik für Infektiologie in
der München Klinik Schwabing am Dienstag mit. Das Medikament solle
dabei an 600 Patienten mit moderaten Symptomen und an 400 mit
schwerer Symptomatik erprobt werden.

Wendtner verfügt in Deutschland über die bisher längste Erfahrung mit

Covid-19. Er hatte in Schwabing Ende Januar die bundesweit ersten mit
dem Sars-CoV-2-Virus infizierten Patienten behandelt. Die Klinik in
Schwabing gehört neben dem Hamburger Uniklinikum Eppendorf und dem
Uniklinikum Düsseldorf zu den Zentren, an denen die Wirkung des
Ebola-Präparates in Deutschland untersucht wird.

Problematisch sei, dass das Medikament nirgends zugelassen sei. Die
Haftung bei Anwendung der Substanz außerhalb dieser Studie im Sinne
eines individuellen Heilversuchs läge ansonsten voll beim Arzt, sagte
Wendtner. Die Regierung von Oberbayern hatte kürzlich eine
Sondergenehmigung zur Einfuhr des Medikaments für einen solchen
Heilversuch bei einem 80-jährigen Patienten in Weilheim erlassen.

«Bei einer Studie an Ebola-Patienten hat es sich als gut verträglich,
aber nicht sehr effizient erwiesen», sagte Wendtner. Deshalb sei die
Zulassung nicht weiter verfolgt worden. «Jetzt gibt es beim
Coronavirus Labordaten, die darauf hinweisen, dass es hier sehr gut
wirkt.» Zudem lägen Einzelberichte vor, von denen ermutigende Signale
ausgingen. Sollte die Studie Erfolge bringen, könnte das Mittel bis
frühestens Ende 2020 auf den Markt kommen können, hofft Wendtner.

Auch andere bestehende Medikamente sollen auf ihre Wirksamkeit gegen
Covid-19 untersucht werden. Wissenschaftler vom Deutschen
Primatenzentrum - Leibniz-Institut für Primatenforschung in Göttingen
und der Charité Berlin haben ein Enzym identifiziert, das den
Eintritt des Virus in Lungenzellen ermöglicht. Das in Japan
zugelassene Medikament Camostat Mesilate, bisher bei Entzündungen der
Bauchspeicheldrüse eingesetzt, hemmt diese Protease und könnte eine
Behandlungsmöglichkeit darstellen. Auch hier soll es klinische
Studien geben.

Wenig Erfolge brachte laut Wendtner das HIV-Medikament
Ritonavir/Lopinavir («Kaletra»). «Wir hatten subjektiv den Eindruck,

dass wir einzelnen Patienten damit helfen konnten», sagte Wendtner.
«Leider hat sich in einer Studie mit knapp 200 Patienten aber kein
signifikanter Benefit gezeigt.» Das verdeutliche, wie wichtig Studien
seien.

Diskutiert werde auch, ob ein altbekanntes Malariamittel helfen
könnte, etwa in Kombination mit einem bestimmten Antibiotikum. Bisher
sei das an etwa 20 Patienten getestet worden, es scheine die
Viruslast senken zu können. «Das muss weiter untersucht werden.»

Es wird wie die parallel laufende Entwicklung eines Impfstoffs ein
Wettlauf mit der Zeit. Wendtner rechnet zwar mit einem Abflauen der
Infektionen im Sommer. «Man wird schon saisonal mit den höheren
Temperaturen eine Pause haben.» Jedoch rechne er mit einer weiteren
Welle etwa ab Oktober.