Not macht erfinderisch: Wie die Kinobranche auf Schließungen reagiert Von Barbara Munker und Aliki Nassoufis, dpa

Kinos müssen in der Corona-Krise geschlossen bleiben. Das heißt aber
nicht, dass man keine neuen Kinowerke mehr sehen kann: In der
Ausnahmesituation finden sich neue Ideen zum Filme gucken - und um
Kinos trotzdem zu unterstützen.

Berlin (dpa) - Die Corona-Krise trifft auch die Kinobranche hart. In
vielen Ländern müssen die Filmtheater bereits geschlossen bleiben,
oft für mehrere Wochen oder sogar Monate. Das bedroht weltweit die
Existenz vieler Kinos. Nach dem ersten Schock gibt es nun aber auch
erste Initiativen, wie neue Filme trotz abgesagter Kinostarts noch
ihr Publikum finden können.

SOLIDARITÄT MIT LOKALEN KINOS: Einen Kinofilm online gucken und so

gleichzeitig die Independent-Kinos in Deutschland unterstützen - das
machen gerade einige Anbieter möglich. Normalerweise werden
Streamingangebote zwar als Konkurrenz zu den Kinos angesehen, doch
nun soll genau so einigen Filmtheatern zumindest ein bisschen
geholfen werden. Eine Variante ist «Grandfilm On Demand», wo aktuelle

Werke wie «Félicité» oder das 14-stündige «La Flor» aus Argen
tinien
gegen eine Gebühr über die Plattform abrufbar sind. Die Hälfte dieser

Einnahmen soll an die Kinos gehen, die die Filme normalerweise zeigen
würden. Der Verleiher Grandfilm organisierte diese Aktion und freut
sich eigenen Angaben zufolge bereits über eine positive Resonanz.

Auch der Eksystent Filmverleih zog den für April geplanten Kinostart
für «Isadoras Kinder» vor und bietet ihn nun über die Plattform Kin
o
on Demand an. «In Zeiten wie diesen heißt es noch viel mehr, dass uns
nur Zusammenhalt durch diese Krise bringen kann», hieß es in einer
Mitteilung, laut der ein Teil der Einnahmen ebenfalls an teilnehmende
Kinos verteilt wird. Das Drama «Isadoras Kinder», inspiriert
vom Schicksal der US-amerikanischen Tänzerin und Choreografin Isadora
Duncan, wurde beim Filmfest Locarno für die beste Regie
ausgezeichnet.

In den USA gibt es ein vergleichbares Angebot: Auch dort trifft
kleinere Programmkinos die Schließung der Filmtheater besonders hart.
Die «Theatrical at Home»-Vermarktungsidee soll Abhilfe schaffen:
Zuschauer kaufen auf der Kinowebseite ihrer Wahl ein Ticket für 6,50
Dollar, im Gegenzug erhalten sie einen Link, um den Film Zuhause auf
dem Computer oder auf anderen Geräten zu sehen. Die Hälfte des
Eintrittsgeldes fließt in die Kasse des Programmkinos. Den Auftakt
machte die Independent-Komödie «Phoenix, Oregon», die am Freitag
(20.3.) in kleineren US-Kinos anlaufen sollte.

PODCASTS: Kurz vor den Kinoschließungen war am 5. März der
Dokumentarfilm «Der Krieg in mir» über die psychologischen und
emotionalen Folgen des Zweiten Weltkriegs in Deutschland angelaufen.
Dazu waren auch zahlreiche Diskussionsveranstaltungen geplant, die
nun ebenfalls abgesagt wurden - schon bald aber in anderer Form
stattfinden sollen. Man wolle die Diskussion auf anderen Kanälen
fortsetzen, bis die Kinos wieder öffnen, erklärte Regisseur Sebastian
Heinzel. «Wir planen Podcasts zu den Themen des Films - Traumata und
Umgang mit Krisenzeiten - die sich auch auf die aktuelle
gesellschaftliche Lage beziehen.»

NOTBREMSE DER STUDIOS: Eigentlich hätte das Spektakel «Trolls World
Tour» im April ordentlich Besucher in die Kinos holen sollen. Nun
aber ist der Animationsfilm das erste Versuchskaninchen: Zum
geplanten US-Kinostart am 10. April will das Studio Universal
Pictures ihn gleichzeitig per Streaming verfügbar machen. Vor der
Corona-Krise wäre es undenkbar gewesen, dass ein traditionelles
Hollywood-Studio beim Kinodebüt sofort auch einen Heimverleih
offeriert. Mit dieser Notbremse will das Studio wenigstens einen Teil
der Kosten wettmachen, solange Kinos weltweit geschlossen sind. Mit
20 Dollar für eine Leihdauer von 48 Stunden ist der Preis für das
virtuelle Kinoticket allerdings recht hoch. Auch andere aktuelle
Filme, die von der Virus-Pandemie gebremst wurden, sollen nun schnell
vom Kino- auf den Streamingmarkt wechseln, darunter «Onward: Keine
halben Sachen», «Birds of Prey: The Emancipation of Harley Quinn» und

«Bloodshot». Noch ist unklar, ob Universal auch in Deutschland eine
ähnliche Strategie fahren wird.

NOSTALGISCHER BOOM IM AUTOKINO: Die 50er-Jahre waren die Blütezeit
der Autokinos, doch mit der Corona-Krise erleben die rund 300
Drive-in-Theatres in den USA wieder einen Boom. Nach einer Umfrage
der «Los Angeles Times» bei Kinobetreibern in mehreren US-Staaten
sind die Ticketverkäufe seit Schließung der großen Kinoketten
gestiegen. In Kalifornien haben wegen einer vom Staat verhängten
Ausgangssperre allerdings mehrere Autokinos den Betrieb eingestellt.
«Drive-Ins in Regionen, die noch nicht stark von dem Virusausbruch
betroffen sind, machen ein gutes Geschäft», sagte John Vincent vom
Verband der Autokinobesitzer der «Los Angeles Times».

In Deutschland ist dies derzeit allerdings ein eher kleiner Markt:
Die meisten Autokinos befinden sich noch in der Winterpause oder sind
von den Ausgangssperren betroffen. Lediglich in Autokinos in
Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen kann man Filme auf der
großen Leinwand sehen. Immerhin gibt es den Angaben zufolge dort
keinen Kundenkontakt, Tickets seien ausschließlich online erhältlich,

am Autokino würden sie dann durch die Scheibe abgescannt. Die
Snackbar bleibe geschlossen - und gemäß den neuen Regelungen sind pro
Auto nur noch maximal zwei Personen und eigene Kinder erlaubt.