Europa verschärft Kampf gegen Coronavirus

Nun also wird auch in Großbritannien das öffentliche Leben zum
Erliegen kommen. Premier Johnson ändert seinen Kurs - angesichts
stark steigender Zahlen von Infizierten und Warnungen von
Wissenschaftlern. Aus Washington kommt dagegen Optimismus.

London/Paris (dpa) - Im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus
ergreifen die Regierungen in Europa immer schärfere Maßnahmen. Nach
langem Zögern schwenkte nun am Montagabend auch der britische
Premierminister Boris Johnson auf den Kurs anderer europäischer
Länder ein und schränkt das öffentliche Leben in seinem Land
drastisch ein. Zuvor hatten Kritiker gewarnt, Großbritannien könnte
von der Pandemie noch härter getroffen werden als Italien. Frankreich
kündigte angesichts stark steigender Zahlen von Infizierten und
Todesopfern an, seine ohnehin strengen Ausgangsbeschränkungen weiter
zu verschärfen.

Der britische Premierminister Johnson wies seine Landsleute in einer
Rede an die Nation an, die eigenen vier Wände nur noch so wenig wie
möglich zu verlassen. Alle Läden, die nicht zur Grundversorgung
dienen, würden mit sofortiger Wirkung geschlossen. Sportliche
Aktivitäten seien nur noch einmal am Tag und nur gemeinsam mit
Mitgliedern desselben Haushalts erlaubt. Ansonsten dürfe das Haus nur
noch für den Einkauf wesentlicher Dinge wie Lebensmittel und
Medikamente und für den Weg zur Arbeit verlassen werden.
Versammlungen von mehr als zwei Personen seien nicht mehr erlaubt und
würden von der Polizei aufgelöst.

Am Wochenende hatten unzählige Briten das schöne Wetter für Ausflüg
e
in städtische Parks und Erholungsgebiete genutzt - zu viele, um den
notwendigen Abstand einhalten zu können. Die Zahl der Toten durch die
vom Coronavirus hervorgerufene Lungenkrankheit Covid-19 in
Großbritannien stieg am Montag auf 335. Kritiker der Regierung
fordern seit langem schärfere Maßnahmen, um den Ausbruch einzudämmen.

Sie fürchten, Großbritannien könnte noch härter getroffen werden al
s
Italien, sollte der chronisch unterfinanzierte Nationale
Gesundheitsdienst NHS unter der Last der Epidemie zusammenbrechen.

Die Regierung hatte sich zunächst gegen härtere Maßnahmen gesträubt
.
Zum einen wollte sie verhindern, dass der Ausbruch zu stark
unterdrückt wird und im Herbst mit voller Wucht zurückkehrt. Zum
anderen hoffte sie darauf, mit einer raschen Durchseuchung eine
sogenannte Herdenimmunität zu erreichen. Von diesem Ansatz
distanzierte sich die Regierung inzwischen und änderte ihren Kurs.

Frankreichs Premier Édouard Philippe kündigte im Fernsehen eine
Verschärfung der Regeln an. Straßenmärkte würden weitgehend
geschlossen sowie Sport und Spaziergänge mit Kindern weiter
eingeschränkt. Die Ausgangsbeschränkungen könnten außerdem noch
einige Wochen anhalten. Die Regeln gelten in ganz Frankreich seit
vergangenem Dienstag und waren ursprünglich für 15 Tage angesetzt.
Seitdem dürfen die Franzosen nur das Haus verlassen, wenn es
unbedingt notwendig ist. Die Polizei kontrolliert die Einhaltung der
Regeln streng.

Künftig würden daher Spaziergänge mit Kindern und Sport vor der Tür

auf maximal eine Stunde und einen Radius von einem Kilometer um das
Wohnhaus begrenzt - und zwar einmal pro Tag, sagte Philippe. Es sei
empfehlenswert, auf den Passierschein, den die Franzosen ausfüllen
müssen, wenn sie das Haus verlassen, die entsprechende Uhrzeit zu
vermerken. Innerhalb von 24 Stunden stieg die Zahl der Toten um 186
auf 860 an. Die Zahl der Infektionen lag am Montagabend bei 19 856 -
ein Plus von mehr als 3000 im Vergleich zum Vortag.

In Italien, dem am stärksten von der Pandemie betroffenen Land,
standen die Zeichen dagegen auf leichte Entspannung. Am Montag
kletterte die Totenzahl den zweiten Tag in Folge etwas langsamer als
zuvor. Die Behörden meldeten zwar immer noch rund 600 neue
Corona-Opfer im Land. Doch der Anstieg war etwas geringer als am
Sonntag. Schon da war vorsichtiger Optimismus aufgekommen. Insgesamt
registrierte Italien bisher knapp 6080 Tote infolge der
Coronavirus-Pandemie.

In Italien waren die ersten Fälle dieses Corona-Ausbruchs in der
Lombardei, in der Provinz Lodi, am 20./21. Februar publik geworden.
Seitdem erließ die Regierung in Rom immer striktere Maßnahmen. Seit
dem 10. März gilt eine Ausgangssperre. Am Montag drosselte die
Regierung die wirtschaftliche Aktivität weiter und ließ die
nicht-lebenswichtige Produktion stoppen.

Auch die Niederlande verschärften die Maßnahmen und verboten
Veranstaltungen und Zusammenkünfte bis zum 1. Juni. Bei
Zuwiderhandlungen könne die Polizei eingreifen und hohe Geldstrafen
verhängen, hieß es.

Auch außerhalb Europas trafen Regierungen ähnliche Entscheidungen: So
verkündete Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa eine landesweite
Ausgangssperre, die ab Mitternacht am Donnerstag für 21 Tage gelten
solle. Kanadas bevölkerungsreichste Provinz, Ontario, schließt wegen
der Corona-Krise alle «nicht lebenswichtigen» Geschäfte und stoppt
die meisten Dienstleistungen. Dies gelte ab Mitternacht von Dienstag
auf Mittwoch für mindestens 14 Tage, hieß es. Brasilien teilte mit,
wegen der Pandemie auch die letzte seiner zehn Landgrenzen dicht zu
machen.

US-Präsident Donald Trump übte sich in Optimismus und stellte der
amerikanischen Bevölkerung eine baldige Erholung von der Corona-Krise
in Aussicht. «Die Beschwernisse werden enden, sie werden bald enden»,
sagte Trump am Montagabend (Ortszeit) im Weißen Haus in Washington.
«Amerika wird bald wieder offen sein für Geschäfte», versicherte er
.
Und dies werde früher sein als erst in drei oder vier Monaten. Das
normale Leben werde zurückkehren und die Wirtschaft werde sich
erholen. «Wir können nicht zulassen, dass die Heilung schlimmer ist
als das Problem.» Trump. Er räumte aber ein, die Lage werde sich
zunächst wohl noch verschlechtern, betonte aber: «Wir versuchen,
dafür zu sorgen, dass es weit weniger schlecht wird.»

Derweil sprachen sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und
Chinas Präsident Xi Jinping für einen Sondergipfel der führenden
Industrie- und Schwellenländer (G20) aus. Die beiden Präsidenten
seien sich einig gewesen, dass ein Gipfel auf G20-Ebene unter
Einbeziehung der Weltgesundheitsorganisation WHO nützlich wäre, um
gemeinsam an der Behandlung von Covid-19 und einem Impfstoff zu
arbeiten, teilte der Élyséepalast mit.