Olympia-Termin nicht zu halten - Pound: «Verschiebung beschlossen» Von Andreas Schirmer und Maximilian Haupt, dpa

Nach dem IOC ist nun auch Olympia-Gastgeber Japan bereit, die
Sommerspiele in Tokio wegen der Coronavirus-Pandemie zu verlegen.
Athleten wollen aber keine weitere wochenlange Hängepartie. Angeblich
ist die Verlegung schon beschlossene Sache.

Tokio/Berlin (dpa) - Offiziell ist es noch nicht, aber eine
Verschiebung der Olympischen Spiele in Tokio scheint unausweichlich.
Nachdem sich inzwischen auch Gastgeber Japan mit dem Gedanken eines
neuen Termins befasst hat, ist ein derartiges Szenario für den
früheren IOC-Vizepräsidenten Richard Pound bereits beschlossene
Sache. «Auf der Grundlage der Informationen, die das IOC hat, wurde
eine Verschiebung beschlossen. Die zukünftigen Parameter wurden noch
nicht festgelegt, aber die Spiele werden nicht am 24. Juli beginnen,
soweit ich weiß», sagte Pound der Zeitung «USA Today» am Montag.


Der 77-jährige Kanadier glaubt, dass das Internationale Olympische
Komitee bald die nächsten Schritte bekanntgeben wird. «Wir werden
dies verschieben und beginnen, uns mit all den Konsequenzen zu
befassen, die sich daraus ergeben, die immens sind», ergänzte der
einflussreiche Ex-Chef der Welt-Anti-Doping-Agentur, der stets für
deutliche Worte bekannt ist. IOC-Sprecher Mark Adams erklärte auf
Anfrage der Zeitung, dass das IOC verschiedene Szenarien überlege und
verwies auf die Mitteilung vom Sonntag, wonach sich das IOC eine
Vier-Wochen-Frist über die Olympia-Entscheidung einräumte.

Dass der Termin im Sommer kaum mehr zu halten ist, wird auch
allmählich den Veranstaltern klar. «Wir sind nicht so blöd, die
Olympischen Spiele wie geplant auszutragen», sagte Yoshiro Mori, der
Präsident des Organisationskomitees von Tokio, am Montag auf einer
Pressekonferenz. Auch Premierminister Shinzo Abe spricht angesichts
der Ausmaße der Coronavirus-Pandemie von einer Verschiebung.

«Es ist schwierig, Spiele unter diesen Umständen abzuhalten, wir
müssen über eine Verschiebung entscheiden, wobei die Gesundheit der
Athleten oberste Priorität hat», sagte Abe. Die endgültige
Entscheidung aber liege beim Internationalen Olympischen Komitee. Der
Gastgeber signalisierte die Bereitschaft, vom Tokio-Termin
abzurücken, nicht aber vom Fackellauf: Der soll am Donnerstag in
Fukushima beginnen.

Die Verschiebung von Olympia und Paralympics würde Japan teuer zu
stehen kommen. Nach Meinung von Experten wäre mit Kosten von bis zu
670 Milliarden Yen (rund 5,7 Milliarden Euro) zu rechnen. Laut dem
Chefökonom des Finanzunternehmens SMBC Nikko Securities, Junichi
Makino, könnte eine Spiele-Absage das Land 7,8 Billionen Yen kosten.

Viele Athleten drängen auf eine schnellere Entscheidung und ein Ende
der Hängepartie - wie Speerwurf-Olympiasieger Thomas Röhler. Vier
Wochen seien «ein sehr, sehr langer Zeitraum», sagte der Jenaer im
Morgenmagazin von ARD und ZDF. «Wir arbeiten aktuell daran, dass noch
schnellere, noch präzisere Entscheidungen getroffen werden», ergänzte

te der Athletenvertreter im Leichtathletik-Weltverband.

World Athletics ist bereit, die für 2021 nach Eugene/USA vergebene WM
im Falle der Verlegung der Tokio-Spiele ins nächste Jahr zu
verschieben. Präsident Sebastian Coe hatte bereits vor dem Beschluss
der Vier-Wochen-Frist in einem Brief an IOC-Chef Thomas Bach eine
Olympia-Verschiebung nahe gelegt.

Heftige Kritik übte die Sportausschuss-Vorsitzende des Bundestages an
der Vier-Wochen-Frist und dem IOC. «Ich finde die Entscheidung
respektlos gegenüber den Athleten und angesichts der Lage auf der
Welt verantwortungslos», sagte Dagmar Freitag (SPD) im Interview des
HR-Inforadios.

In einer persönlichen E-Mail an die Athleten warb IOC-Präsident
Thomas Bach erneut um Verständnis dafür, dass eine endgültige
Entscheidung über einen Termin für die Tokio-Spiele - eine
Verschiebung in den Herbst, ins nächste Jahr oder bis 2021 - jetzt
noch verfrüht wäre. «Ich weiß, dass diese beispiellose Situation
viele Ihrer Fragen offenlässt», schrieb der 66-jährige Deutsche. «I
ch
weiß auch, dass dieser rationale Ansatz möglicherweise nicht mit den
Emotionen übereinstimmt, die viele von Ihnen durchleben müssen.»

DOSB-Präsident Alfons Hörmann hätte sich eine eindeutigere Position
vom IOC gewünscht, nämlich, dass die Spiele «definitiv nicht zum
geplanten Termin» stattfinden können», sagte der Chef des Deutschen
Olympischen Sportbundes der dpa. Den bisherigen Termin aufgrund der
aktuellen Lage abzusagen wäre auch gegenüber der Öffentlichkeit ein
wertvolles Signal gewesen. Da nach den Prognosen der Experten wegen
der Coronavirus-Pandemie ein Termin im Herbst keine sichere
Alternative darstellen würde, «präferieren wir eine Verlegung
mindestens ins nächste Jahr», sagte der DOSB-Chef.

Martin Engelhardt, Mediziner und Präsident der Deutschen
Triathlon-Union, hat hingegen Verständnis für die zögerliche Haltung

des IOC. Er könne das ein Stück weit verstehen, sagte der DTU-Chef
der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (Montag). «Aus
medizinisch-fachlicher Sicht kann man heute nicht sagen, dass Sport
im Juli nicht möglich sein wird», erklärte Engelhard. Dagegen meinte

Thomas Kurschilgen, Leistungssportdirektor der deutschen
Schwimmer: «Vieles spricht für eine Verschiebung des Termins.»

Der Vizepräsident des Deutschen Handballbundes, Bob Hanning, findet
eine Ausrichtung der Spiele angesichts der Ausbreitung des
Coronavirus für abwegig: «In Zeiten, wo Ausgangssperren verschärft
werden, überhaupt darüber nachzudenken, ist fast schon amüsant.»
Ruder-Präsident Siegfried Kaidel plädiert für eine Verlegung der
Spiele um maximal ein Jahr. «Ein neuer Termin erst in zwei Jahren
wäre nicht akzeptabel. Das wären dann ganz neue Olympische Spiele,
weil viele der älteren Athleten nicht mehr dabei wären», sagte er.

Auch Tennisspielerin Andrea Petkovic hält die Suche nach einem neuen
Olympia-Termin als unausweichlich. «Ich sehe nicht, dass da jetzt
Millionen von Menschen hin stürmen und sich auf kleinstem und engstem
Raum zusammengepfercht Sport angucken», sagte die Weltranglisten-87.
in einem Jung&Live-Podcast.

Die Chancengleichheit bei Tokio-Spielen noch in diesem Jahr spielt
für Fecht-Olympiasiegerin Britta Heidemann keine Rolle. «Im Zweifel
würde ich als Athlet wohl lieber mit Trainingsrückstand als gar nicht
antreten», sagte das Mitglied in der Athletenkommission des IOC.