Corona-Krise sorgt für weitere Einschränkungen - Kliniken gewappnet

Mehr als zwei Menschen an einem öffentlichen Platz sind in Zeiten der
Corona-Krise oft schon zu viel. Um die Infektionswelle zu bremsen,
wird das öffentliche Leben immer mehr eingeschränkt. Mit welchem
Erfolg, das zeigt sich mit deutlicher zeitlicher Verzögerung.

Schwerin/Rostock (dpa/mv) - Der Aufenthalt im Freien ist nur noch in
Kleinstgruppen erlaubt und das Öffnungsverbot für Geschäfte gilt von

Dienstag an in Mecklenburg-Vorpommern auch für Garten- und Baumärkte.
In einer Telefonkonferenz hat die Landesregierung in Schwerin am
Montag die zuvor zwischen Bund und Ländern vereinbarten Maßnahmen zur
Eindämmung der Coronavirus-Pandemie für Mecklenburg-Vorpommern
umgesetzt. Demnach ist der Aufenthalt im öffentlichen Raum nur noch
alleine, mit einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person oder im
Kreis der Familie gestattet. «Jetzt müssen alle die Regeln einhalten!
Nur dann ist es möglich, die schnelle Ausbreitung des Coronavirus zu
verhindern», betonte Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD).

Garten- und Baumärkte waren am Montag für längere Zeit das letzte Mal

geöffnet. Gewerbliche Kunden werden dem Beschluss der Landesregierung
zufolge weiterhin bedient, für Privatkunden dürfen die Märkte Liefer-

und Abholdienste einrichten. Die Schließungen sind umstritten, da
damit auch Möglichkeiten eingeschränkt werden, Zwangsurlaub und
Freistellungen von der Arbeit für Haus- und Gartenarbeiten zu nutzen.
Zudem müssen zusätzlich zu den meisten Geschäften und den Restaurants

nun auch Friseure, Kosmetik- und Massagesalons sowie Nagel-, Sonnen-
und Tattoo-Studios geschlossen bleiben, um die Ausbreitung des Virus
zu verlangsamen. Geöffnet bleiben weiterhin Supermärkte und andere
Geschäfte, die Waren des täglichen Bedarfs anbieten.

Trotz der seit Montag geltenden Kontaktbeschränkungen rechnet der
Rostocker Tropenmediziner Emil Reisinger mit einem weiteren Anstieg
der Coronavirus-Infektionen auch in Mecklenburg-Vorpommern. Bislang
sei der Nordosten bei der Entwicklung der Infektionszahlen anderen
Bundesländern mehrere Tage hinterher. Frühestens in einer Woche lasse
sich absehen, ob die bisherigen Maßnahmen gegen die rasche
Ausbreitung des Lungenerkrankung wirkten, oder ob der Anstieg in
Mecklenburg-Vorpommern ungebremst losgehe, sagte Reisinger der
Deutschen Presse-Agentur. In der Öffentlichkeit dürfen seit Montag
nicht mehr als zwei Personen zusammen sein. Ausgenommen sind
Familien.

In Mecklenburg-Vorpommern waren bis Montagnachmittag 201 Menschen mit
einer Infektion registriert worden, 13 befanden sich in stationärer
Behandlung. Reisinger rechnete damit, dass laut statistischen
Berechnungen im Nordosten rund 2000 Menschen leben, die bereits jetzt
infiziert sind. Diese hätten entweder noch keine Symptome entwickelt
oder bei ihnen sei die Infektion sehr leicht verlaufen. Jeder Tag mit
einem verhaltenen Anstieg der Infektionszahlen sei als ein gutes
Zeichen zu betrachten, betonte Reisinger.

Unterdessen wappnet sich das Land vorsorglich für einen drastischen
Anstieg schwerster Infektionen. Wie Gesundheitsminister Harry Glawe
(CDU) sagte, soll die Verteilung von Patienten in vier Regionen
jeweils zentral durch die großen Kliniken in Rostock, Schwerin,
Greifswald und Neubrandenburg erfolgen. 28 der landesweit 37
Krankenhäuser hätten die notwendigen Voraussetzungen und würden in
das Verteilsystem einbezogen.

Aktuell stehen laut Glawe landesweit 512 Intensivbetten bereit,
weitere 300 würden als Reserve eingelagert. Für den Fall, dass
Kliniken keine Patienten mehr aufnehmen können, seien fünf derzeit
nicht genutzte Reha-Einrichtungen als zusätzliche Aufnahmestationen
festgelegt worden. Zum Schutz und zur Entlastung der Hausärzte sollen
landesweit vier Fieberzentren aufgebaut werden, in denen entschieden
wird, ob bei auftretenden Beschwerden bei Patienten Tests auf
Covid-19 nötig sind. Die Finanzierung der Maßnahmen sei
sichergestellt, es gehe um den Gesundheitsschutz der Bevölkerung.
«Entscheidend sind nicht die kaufmännischen Gesichtspunkte, sondern
um die Gesichtspunkte, die der Arzt festlegt», betonte Glawe.

Ministerpräsidentin Schwesig warnte andere Politiker davor, die Krise
zur Profilierung zu nutzen. «Ich kann nur an alle appellieren, an
alle Politiker, dass Machtspiele und Schaulaufen in so einer
Situation nichts in diesen Entscheidungen zu suchen haben», sagte sie
im Deutschlandfunk. Es gelte vielmehr, jetzt parteiübergreifend und
länderübergreifend zusammenzuhalten. Bayerns Ministerpräsident Markus

Söder (CSU) will an strengeren Regelungen festhalten, als Bund und
Länder am Sonntag vereinbart hatten.

Schwesig stellte weitere Wirtschaftshilfen des Landes in Aussicht.
Vergangene Woche war zunächst ein Hilfspaket über 100 Millionen Euro
geschnürt worden. Nun will das Kabinett am Dienstag über
weitergehende Hilfen für die Wirtschaft Mecklenburg-Vorpommerns
beraten. Geld dafür sei vorhanden. Das Land habe für Notfälle wie
diesen Rücklagen gebildet. Laut Schwesig will zudem der Bund Kleinst-
und Kleinunternehmern stärker unter die Arme greifen.

Der Bauverband Mecklenburg-Vorpommern forderte die öffentlichen
Auftraggeber auf, sich an ihre Zahlungsverpflichtungen gegenüber den
Unternehmen zu halten. «Wir müssen in der jetzigen, durch die
Corona-Krise enorm schwierigen Situation zu lange auf das Geld
warten», beklagte der Hauptgeschäftsführer des Bauverbands, Jörg
Schnell. Dabei gehe es um Aufträge, bei denen die geforderten
Leistungen schon erbracht worden sind.

Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland (Nordkirche)
richtet eine kostenlose Seelsorge-Hotline ein. Damit wolle man
besonders alten, kranken und sozial isolierten Menschen in der Krise
Ansprechpartner bieten, teilte die Nordkirche mit. Unter der Nummer
0800 4540106 werden insgesamt 35 ausgebildete Seelsorger täglich von
14 bis 18 Uhr als Gesprächspartner erreichbar sein. Das Hilfsangebot
parallel zur klassischen bundesweiten Telefonseelsorge richte sich an
jeden, unabhängig von Glaube oder Religionszugehörigkeit, sagte
Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt.