Studie: Bis zu 70 000 Corona-Tote in Großbritannien vermeidbar

London (dpa) - Wissenschaftler rechnen mit vermeidbaren 35 000 bis
70 000 Todesfällen durch die Corona-Pandemie in Großbritannien in den
nächsten zwölf Monaten. Sie fordern wesentlich schärfere Maßnahmen,

um diese hohe Zahl an Opfern zu verhindern. Die Regierung sollte
«mehr tun, um die Epidemie zu unterdrücken, sei es durch erzwungene
Sperrungen oder erzwungene soziale Distanzierung anstatt durch
freiwillige Maßnahmen», so die Ärzte, Statistiker und Epidemiologen.


Die Experten kommen von der Universität Cambridge, dem University
College London (UCL) und dem Institut Health Data Research UK. Die
Untersuchung, aus der die «Financial Times» und der «Independent» a
m
Montag zitierten, ist noch nicht von einer Fachzeitschrift publiziert
worden. Sie basiert auf Gesundheitsdaten von 3,8 Millionen Briten.

Die Studie zeige, dass die Regierung schärfere Maßnahmen einführen
sollte, «um nicht nur unmittelbare Todesfälle, sondern auch
langfristig übermäßige Todesfälle zu vermeiden», sagte Studienlei
ter
Amitava Banerjee vom UCL. Gerade für Ältere mit Vorerkrankungen tue
die Regierung nicht genug, zitierte der «Independent» den Forscher.
Demnach sind nicht nur Infizierte in Gefahr, sondern auch sehr viele
Ältere etwa mit Herz-Kreislauferkrankungen, die wegen der
Corona-Krise nicht mehr angemessen behandelt werden könnten.

Premierminister Boris Johnson hatte angekündigt, 1,5 Millionen
Risikopatienten - darunter Leukämiekranke und Patienten mit der
Lungenerkrankung COPD - in eine dreimonatige Selbstisolation zu
schicken. Menschen etwa mit Herz-Kreislauferkrankungen gehören aber
nicht dazu.

Kritiker werfen Johnson vor, durch seinen Schlingerkurs im Kampf
gegen das Virus wertvolle Zeit verloren zu haben. In der vergangenen
Woche sagte der medizinische Berater Patrick Vallance, die Regierung
strebe mit neuen Strategien an, die Zahl der Toten unter 20 000 zu
halten. «Das wäre ein gutes Ergebnis.»

Noch setzt die Regierung auf freiwillige Maßnahmen. Doch viele Briten
halten die Vorgaben nicht ein. So spazierten am Wochenende
Menschenmengen durch die Londoner Parks. Johnson kündigte schärfere
Maßnahmen an, sollte sich das Verhalten nicht ändern.