Bar zu Hause, Büro im Hotel - Wie Gastronomen ums Überleben kämpfen Von Johanna Uchtmann, dpa

Hotels, Restaurants und Bars sind Orte der Begegnung. Die
Einschränkungen des sozialen Lebens in Deutschland treffen die
Gastro-Branche daher besonders hart.

Berlin (dpa) - Keine Urlaubsreise, kein Kneipenabend, kein
Restaurantbesuch - die neuen Regeln zur Eindämmung des Coronavirus
lähmen das öffentliche Leben. Das macht vor allem den Unternehmen und
Mitarbeitern der Gastronomie zu schaffen. Wie kann eine Branche, die
so aufs Zusammensein angewiesen ist, derzeit überleben?

RESTAURANTS

Für Restaurants bleibt inzwischen nur noch das Außer-Haus-Geschäft:
Am Sonntag haben Bund und Länder beschlossen, dass Restaurants und
Cafés bundesweit ganztägig schließen müssen. Viele Betriebe halten

einen Teil des Kerngeschäfts aufrecht, indem sie Gerichte nach Hause
liefern oder auf Bestellung abholen lassen.

Die Folgen der Schließungen seien «verheerend», warnt der Deutsche
Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga). Existenzen seien mehr als
akut gefährdet, Arbeitsplätze stünden auf dem Spiel. Die Politik
müsse nun schnell, umfassend und zielgerichtet helfen.

Die Betriebe seien zurückgeworfen auf das reine Außer-Haus-Geschäft,

sagt auch der niedersächsische Dehoga-Chef Rainer Balke. «Das kann
aber natürlich in der Regel nicht in größerem Umfang Ersatz leisten.
»
Für viele Betriebe sei es schon schwierig gewesen, zuletzt nur noch
von 6.00 bis 18.00 Uhr öffnen zu dürfen.

Deshalb müssen nach Ansicht der Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Ingrid

Hartges schnell und unbürokratisch Hilfen fließen. «Selbst gut
aufgestellte Firmen sagen, dass sie das vielleicht zwei Monate
durchhalten, länger nicht», sagte sie der dpa. Die meisten Betriebe
hätten so gut wie keine Reserven.

Das Bundeskabinett hat am Montag umfassende Gesetzespakete auf den
Weg gebracht, um die wirtschaftlichen Folgen der Krise abzufedern. So
soll es direkte Zuschüsse für kleine Firmen geben. «Zwei Drittel der

Betriebe in unserer Branche haben weniger als 10 Beschäftigte. Es
muss zu so wenig Bürokratie kommen wie möglich», sagte Hartges.

HOTELS

Selbst einige Hotels richten sich in der Krise an die, die eigentlich
daheim bleiben müssen. «Wenn es Ihnen zu Hause zu eng wird» - so warb

etwa am Wochenende ein Hotel in Bayern um Menschen, die im Home
Office arbeiten müssen und zu Hause nicht die nötige Ruhe oder den
Platz finden. Auch andernorts boten Hotels Zimmer für die Arbeit im
Home Office an. Denn Hotels dürfen nur noch für notwendige
Übernachtungen öffnen, nicht mehr für touristische.

Dirk Iserlohe, Eigentümer der Hotelgruppe Dorint, schrieb am Montag
einen offenen Brief an unter anderem Bundeskanzlerin Angela Merkel,
der dpa vorliegt. Darin warnt er, die aktuelle Krise stehe für die
Hotellerie in keinem Vergleich zu vorigen Krisen, etwa dem 11.
September 2001, der Sars-Epidemie 2002/2003 oder der Finanzkrise
2008. Anhand seiner Hotelgruppe rechnet er vor: «Damals lag der
negative Einfluss auf die Hotel-Industrie in einem Belegungsrückgang
von circa 25 Prozent bezogen auf die jeweils relevante Periode. Heute
liegt die negative Wirkung bei fast 100 Prozent des geplanten
Umsatzvolumens.»

In dem Brief kritisiert Iserlohe die Hilfsmaßnahmen von Bund und
Ländern als nicht weitgehend genug. Teil des jüngsten Hilfspakets ist
ein Kündigungsausschluss für Gewerbemieter. Vermieter sollen ihnen
nicht mehr kündigen dürfen, wenn sie wegen der Corona-Krise ihre
Miete nicht zahlen können. Der bloße «Kündigungsausschluss wird zu

einer Insolvenzwelle der Hoteliers und Gastronomen führen», fürchtet

Iserlohe. Mieter und Vermieter sollten sich aus seiner Sicht vielmehr
den Pachtzins teilen.

In einer gemeinsamen Initiative setzen sich Unternehmerverbände und
die Immobilienwirtschaft für einen fairen Ausgleich bei den
Gewerbemieten ein. Mieter und Vermieter sollten an einen Tisch
gebracht werden, um «über eine befristete Anpassung der Mietverträge

zu sprechen», heißt es in einem gemeinsamen Appell der beteiligten
Dachorganisationen, wie dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag
und dem Zentralen Immobilienausschuss. Der Dialog solle Lösungen zum
dauerhaften Erhalt der Mietverhältnisse bringen.

Auch muss laut Iserlohe das Insolvenzrecht noch stärker gelockert
werden als nun vom Kabinett beschlossen. Denn gerade in der
Hotellerie ist aus seiner Sicht die Krise nicht im Herbst vorüber.
«Bis die Menschen wieder tagen, reisen, Messen besuchen oder
touristische Aufenthalte planen, wird eine lange Zeit vergehen. Das
Jahr 2020 kann für die Touristik-Industrie nur als massives
Verlustjahr verbucht werden.»

BARS

Bars und Kneipen sind zum Teil bereits länger geschlossen als
Restaurants. Selbst für sie sei das Außer-Haus-Geschäft die Maßnahm
e
der Stunde, sagt Nils Wrage, Chefredakteur des Fachmagazins
«Mixology». Es gebe keine Möglichkeit mehr, die Bar als Raum zu
betreiben. Deshalb verschicken oder bringen einige Betreiber fertig
gemixte Cocktails in Flaschen und Tüten zum Gast nach Hause. «Aber
das ist nur ein kleines Kompensationsgeschäft.» Häufig deckten die
Einnahmen daraus nicht einmal die Fixkosten.

Dazu kämen rechtliche Einschränkungen: Wer liefere, müsse besondere

lebensmittelrechtliche Auflagen erfüllen. Und wer eine
Betriebsschließungsversicherung in Anspruch nehme, dürfe keinen
Umsatz erwirtschaften.

Für die festen Ausgaben seien bei den Bars die Miet- und Pachtkosten
entscheidend. Und die sind gerade in den Metropolen hoch: «Vor allem
die jüngeren Bars haben die taufrischen hohen Mieten. Die kleinen,
jungen Betriebe wird es jetzt sehr schnell treffen.» In der Branche
sprächen viele eher von Wochen als von Monaten, bis sie Insolvenz
anmelden müssten.