Wenn Geselligkeit zur Gefahr wird - Kontaktverbote und Kontrolle Von Nico Pointner, dpa

Abstand halten und Kontakte möglichst meiden: Neue Regeln gegen das
Coronavirus verändern das Leben im Südwesten. Auch für die Polizei
bedeutet der Kampf gegen das Virus eine Herausforderung.

Stuttgart (dpa/lsw) - Die Coronakrise versetzt den Südwesten in den
Ausnahmezustand. Weil es um Menschenleben geht, sollen soziale
Kontakte minimiert werden, um die Infektionsrate zu verlangsamen. Die
Politik verordnet scharfe Maßnahmen - aber mit welcher Wirkung?

Was genau darf man nun noch in Baden-Württemberg?

Seit diesem Montag gilt: Im ganzen Land dürfen nur noch zwei Menschen
zusammen draußen unterwegs sein. Ausnahmen gibt es nur für Familien.
Es ist aber nicht verboten, die Wohnung zu verlassen - etwa für
Arztbesuche, zum Einkaufen, um anderen zu helfen, um frische Luft zu
schnappen oder um alleine Sport zu treiben. Auch der Weg zur Arbeit
bleibt erlaubt. Neu ist auch, dass Menschen, die nicht gemeinsam in
einem Haushalt leben, in der Öffentlichkeit einen Abstand von 1,5
Metern zueinander halten sollen. Damit hat Baden-Württemberg die
Vorschrift an das angepasst, was Bund und Länder am Sonntag bei einer
Telefonschalte vereinbart haben. Bereits seit Samstag gilt im
Südwesten, dass Gaststätten und Restaurants geschlossen bleiben
müssen. Essen darf aber geliefert oder mitgenommen werden.

Wer kontrolliert die Ausgangsbeschränkungen?

Die Polizei habe die Verordnung der Landesregierung in den
vergangenen Tagen mit allen zur Verfügung stehenden Kräften intensiv
überwacht, heißt es aus dem Innenministerium. Neben den
Einsatzkräften der regionalen Präsidien waren rund 500 Polizeibeamte
des Polizeipräsidiums Einsatz damit beschäftigt. Auch die
Ordnungsämter überwachen die Einschränkungen.

Und halten sich die Bürger an die Ausgangsbeschränkungen?

Die meisten zumindest. Nach der Verschärfung der Maßnahmen waren
Straßen und Plätze in den Städten am Montag weitgehend menschenleer,

die Spielplätze verwaist. Die Bürger verließen ihr Haus höchstens z
um
Einkaufen oder für die Fahrt zur Arbeit. Die Kontrollen der letzten
Tage hätten gezeigt, dass die Bevölkerung grundsätzlich sehr großes

Verständnis für die Bestimmungen aufbringe, sagte ein Sprecher des
Ministeriums am Montag. «Sicherlich lässt sich - insbesondere im
privaten Bereich - nicht alles dezidiert kontrollieren, aber
insgesamt haben wir den Eindruck, dass die Bestimmungen der
Rechtsverordnung weitgehend eingehalten werden.»

Wie will die Polizei denn eigentlich überprüfen, ob ich mit meinem
WG-Kollegen unterwegs bin? Oder auf dem Weg zum Arzt?

Im Zweifel lässt sich die Polizei den Personalausweis zeigen - über
den eingetragenen Wohnort etwa lassen sich Angaben überprüfen.
Deshalb appelliert das Innenministerium auch an die Bürger, diesen
mitzuführen, wenn man das Haus verlässt. Die Polizei setze aber
derzeit auch auf Einsicht und Vertrauen, etwa wenn Leute angeben, auf
dem Weg zur Arbeit zu sein. Nur bei Verdachtsfällen schaue man
genauer hin. «Wenn das Angelzeug auf der Rückbank liegt, kann man
schon tiefer nachbohren, ob es sich wirklich um eine Fahrt zur Arbeit
handelt», sagt ein Sprecher des Ministeriums.

Wer hält sich nicht an das Kontaktverbot?

Es gibt auch Ausnahmen und Unvernünftige. Immer wieder musste die
Polizei trotzdem am Wochenende Gruppen auflösen, Platzverweise
aussprechen und Menschen nach Hause schicken. Am Sonntagabend waren
die Beamten etwa gezwungen, im Raum Bruchsal eine heimlich betriebene
Gaststätte dicht zu machen. Der Wirt hatte bei heruntergelassenen
Rollläden und teilweise mit Folie verdunkelten Scheiben den
Schankbetrieb fortgeführt, wie die Polizei Karlsruhe berichtete.

Wie viel Verstöße wurden insgesamt gezählt? Und gegen was genau?

Wenn die Polizei einschreiten musste, dann vor allem wegen der
erlaubten Anzahl der Personen auf einem Fleck, vereinzelt auch wegen
der unerlaubten Öffnung von Geschäften, berichtet das Ministerium.
Seit Samstag habe die Polizei 2750 Kontrollen zur Einhaltung der
Verordnung durchgeführt. Dabei nahm sie rund 480 Strafanzeigen und 79
Anzeigen wegen Ordnungswidrigkeiten auf.

Welche Strafen drohen konkret bei Verstößen gegen die Verordnung?

Dann drohen nach Angaben des Innenministeriums Haftstrafen bis zu
zwei Jahren oder Geldbußen. Innenminister Thomas Strobl (CDU) sprach
am Wochenende von Bußgeldern von bis zu 25 000 Euro und mehrjährigen
Haftstrafen bei Verstößen.

Was bedeutet die Lage für die Polizeibeamten im Land?

Die Corona-Pandemie stellt auch die Polizeibeamten vor ungekannte
Herausforderungen. Von den rund 34 000 Mitarbeitern der Polizei in
Baden-Württemberg sind derzeit 58 Menschen am Corona-Virus erkrankt,
1613 befinden sich nach Angaben des Innenministeriums in Quarantäne.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft kritisiert eine unzureichende
Ausstattung mit Schutzausrüstung für die Polizisten im Land.
«Kollegen sind bei Kontrollen immer nah am Menschen», sagte
Landeschef Ralf Kusterer. «Man kann nicht zwei Meter Abstand halten,
wenn man einen Personalausweis kontrolliert.» Die Kollegen seien für
die Krise zu schlecht gerüstet, hätten vor allem zu wenig
Atemschutzmasken. Er wirft der Landesregierung Versäumnisse vor.