Corona in Thüringen: Gemeinde und Krisenstab unter Quarantäne

In Thüringen steigen die Fallzahlen von Infektionen mit dem
Coronavirus. Auch die Einschränkungen des öffentlichen Lebens nehmen
zu. In Südthüringen wurden für eine kleine Gemeinde besonders starke

Beschränkungen erlassen.

Neustadt am Rennsteig/Jena/Erfurt (dpa/th) - Wegen der Ausbreitung
des Coronavirus steht nun in Thüringen eine Gemeinde im Ilm-Kreis mit
mehreren Hundert Einwohnern unter Quarantäne. Zudem wurde nach einem
positiven Befund bei einem Mitglied der Krisenstab Jenas
abgeschottet, davon ist auch der Oberbürgermeister betroffen.

Die Gemeinde Neustadt am Rennsteig ist nach Angaben des zuständigen
Landratsamts seit Sonntagabend unter Quarantäne und ist fast
vollständig von der Außenwelt abgeschottet. Vorerst bis
einschließlich 5. April darf nun niemand mehr den Ortsteil der
Landgemeinde Stadt Großbreitenbach verlassen, wie die Sprecherin der
Kreisverwaltung, Doreen Huth, am Montag sagte. Auch betreten werden
dürfe der etwa 900 Bewohner zählende Ort nur noch in Ausnahmefällen
und unter strengen hygienischen Sicherheitsvorkehrungen.

Man habe sich zu dem Schritt entschieden, weil sechs der am
Montagmittag bekannten elf Fälle im Kreis von bestätigten Infektionen
aus dem Bereich Neustadt stammten, sagte Huth. «Dort hängen viele
Kontaktpersonen daran.» Allein bis Sonntagabend hatte das
Gesundheitsamt 69 Kontaktpersonen ausgemacht. Die Bewohner seien am
Sonntagabend via Lautsprecher über die Allgemeinverfügung informiert
worden.

Nun unterstützte die Feuerwehr die Polizei dabei, die Ortszugänge
abzuriegeln. Schranken seien errichtet, auch die Durchfahrt sei nicht
mehr möglich. Die Versorgung der Bewohner werde über einen
Lebensmittelladen in dem Ort sichergestellt. Auch Kunden von
Lieferdiensten für Essen auf Rädern sollen weiterversorgt werden.
«Die Essen werden an einer Barrikade am Ortseingang abgegeben und
dann weiterverteilt», so Huth.

Mitarbeiter von Pflegediensten und im Notfall Rettungshelfer und
Ärzte dürften in die Gemeinde. Allerdings gelten strenge
Hygieneregelungen. «Sie dürfen nur noch unter Vollschutz rein und
raus», erklärte Huth. Auch die Müllabfuhr komme, Bewohner sollten
jedoch die Tonnen rechtzeitig vor die Tür stellen und keinen Kontakt
zu den Mitarbeitern suchen.

Auch der Besuch des Lebensmittelladens sei stark beschränkt. Nur noch
eine gewisse Anzahl an Kunden dürfe das Geschäft gleichzeitig
betreten, Plexiglasvorrichtungen sollen Kassiererinnen schützen.
«Bewohner dürfen wirklich nur noch für das Allernötigste ihr Zuhaus
e
verlassen», betonte Huth. Auch Spaziergänge seien nicht mehr erlaubt.

Unklar sei noch, wie die Versorgung mit Medikamenten geregelt werde.
Auch müsse der Krisenstab noch eine Lösung für Patienten finden, die

den Ort für Dialyse-Behandlungen eigentlich verlassen müssen. Zudem
brauche es noch Klarheit über die Betreuung von 13 Kindern, die in
einem Heim in Neustadt lebten, sagte Huth. Zwei der Infizierten aus
Neustadt mussten inzwischen in Krankenhäuser außerhalb gebracht
werden, da sich ihr Zustand stark verschlechtert habe.

In Jena, Thüringens zweitgrößter Stadt, wurde derweil der Krisensta
b
zu Corona unter Quarantäne gestellt - inklusive des
Oberbürgermeisters Thomas Nitzsche (FDP), wie Stadtsprecher Kristian
Philler am Montag sagte.

Das betroffene Krisenstabsmitglied habe keine Symptome gezeigt, sei
aber bei einem Routinetest positiv auf Sars-Cov-2 getestet worden,
hieß es. Der Test davor sei noch negativ ausgefallen. Alle anderen
Stabsmitglieder seien daraufhin umgehend ebenfalls einem Test
unterzogen worden.

Die Quarantäne sei zunächst vorsorglich für die anderen Mitglieder
angeordnet worden. Am Montagmittag hätten noch keine Ergebnisse der
jüngsten Tests vorgelegen, sagte Philler. Möglicherweise gebe es erst
in der Nacht zu Dienstag oder erst am Dienstag selbst neue
Erkenntnisse. «Wir warten auf die Testergebnisse, danach entscheiden
wir, wer möglicherweise wie weiter arbeiten kann.»

Die Stadt werde gemeinsam mit einem privaten Anbieter frühestens ab
Dienstag in Lobeda eine mobile Teststation in speziell dafür
hergerichteten Bürocontainern einrichten, so Philler. Auch arbeite
man an Plänen für weitere Testeinrichtungen. Am Sonntagabend zählte
die Stadt insgesamt 77 Infektionsfälle mit dem Coronavirus.

Vor allem bei Rückkehrern aus Risikogebieten seien zuletzt
Infektionen nachgewiesen worden, sagte Philler. Die Stadt zählt nun
unter anderem auch Berlin, Hamburg und Rheinland-Pfalz zu den
Risikogebieten. Menschen, die sich in den vergangenen 14 Tagen dort
aufgehalten haben, müssen sich unverzüglich in häusliche Quarantäne

begeben und sich beim Gesundheitsamt melden.

Derweil sei immer noch nicht klar, ob ein 83 Jahre alter Mann in Jena
vor einigen Tagen tatsächlich an dem Virus gestorben sei. «Es spricht
vieles dafür, aber es kann sein, dass wir nie Klarheit darüber haben
werden», sagte Philler. Der Mann war nachweislich infiziert gewesen,
er hatte aber auch unter Vorerkrankungen gelitten.

In Thüringen haben sich inzwischen mindestens 263 Menschen mit dem
Coronavirus infiziert. Die Staatskanzlei nannte am Montag in ihrem
täglichen Bulletin die Zahl (Stand Montag, 10.00 Uhr). Hinzu kommen
53 weitere Fälle aus Jena, die vom dortigen Gesundheitsamt
telefonisch übermittelt wurden, aber noch nicht in der Statistik
eingerechnet sind.