Berlin schaltet wegen neuer Ausgangsbeschränkung weiteren Gang runter

Die Coronakrise macht aus der pulsierendenden Metropole Berlin nach
und nach eine Art Geisterstadt. «Bleib zu Hause!», lautet das Motto
für jeden - und immer mehr Menschen scheinen das zu verstehen.

Berlin (dpa/bb) - Noch strengere Ausgangsbeschränkungen, Restaurants
dicht und auch kein Friseur mehr: Berlin hat in der Coronakrise am
Montag erneut einen Gang heruntergeschaltet. Die Polizei kündigte an,
die Umsetzung der neuen Regeln zum Aufenthalt außerhalb von Wohnungen
flächendeckend zu kontrollieren, will dabei aber moderat vorgehen.

Derweil gibt es in der Stadt einen zweiten Covid-19-Toten: Es handele
sich um einen 70-jährigen Mann, teilte die Gesundheitsverwaltung mit.
In der vergangenen Woche war bereits ein 95-jähriger Mann gestorben
an dem neuartigen Coronavirus gestorben.

Um seine Ausbreitung zu bremsen, traten am Montag noch stärkere
Einschränkungen für den Alltag der Menschen in Kraft. So sind
Ansammlungen von mehr als zwei Personen im Freien nunmehr untersagt.
Eine Ausgangssperre ist das aber nicht, denn neben Spaziergängen oder
Joggen sind auch Einkäufe, Arztbesuche oder Hilfe für gebrechliche
Menschen erlaubt. Familien dürfen zusammen raus, auch wenn sie mehr
als zwei Personen zählen.

Die Polizei kündigte an, vor allem kleinere und größere Gruppen von
Menschen zu kontrollieren. Wer einzeln oder zu zweit unterwegs ist,
stehe nicht im Fokus der Kontrollen. Noch mehr Personal, als ohnehin
schon im Einsatz ist, plant die Polizei vorerst nicht ein, wie eine
Sprecherin sagte. Sie erinnerte daran, dass nunmehr jeder außer Haus
seinen Ausweis dabeihaben muss.

Sinn der zuletzt schrittweise verschärften Maßnahmen ist es, Kontakte
und damit die Übertragung des Virus drastisch zu reduzieren. «Im
Wesentlichen hat es in den letzten Tagen auch funktioniert», sagte
Regierungschef Michael Müller bei Radio Eins. «Die Einschränkungen
sind bei den Leuten angekommen, und sie nehmen sie auch ernst. Es
gibt nur einige Wenige, die es offensichtlich immer noch nicht
begriffen haben.»

Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci empfiehlt älteren Menschen, das
Haus konsequent nicht mehr zu verlassen. Sie bitte alle Berlinerinnen
und Berliner über 70, sich zu Hause in Selbstquarantäne zu begeben,
sagte die SPD-Politikerin im Gesundheitsausschuss im
Abgeordnetenhaus. «Abstand ist der sicherste Schutz vor einer
Infektion mit dem Coronavirus.»

Kalayci appellierte an die Solidarität der Berliner, Ältere zu
unterstützen: «Freundinnen, Freunde, Angehörige und Nachbarn sind
jetzt gefragt, bei der Versorgung zu helfen.» Sie sollten dabei
allerdings streng auf den empfohlenen Abstand von 1,5 Metern achten.
«Soziale Kontakte sind auch mit Abstand möglich», so die Senatorin.

Die Berliner Justiz ist aus Sicht von Senator Dirk Behrendt (Grüne)
trotz Coronakrise nicht lahmgelegt. Damit Menschen ihre Rechte weiter
wahrnehmen können, seien in der vom Senat beschlossenen Verordnung
zur Eindämmung des Coronavirus Ausnahmen für die Justiz und
Rechtspflege getroffen worden. So könnten dringende Termine bei
Gerichten, Rechtsantragsstellen, Rechtsanwälten und Notaren weiter
wahrgenommen werden. «Trotzdem und gerade in der Krise muss der
Rechtsstaat handlungsfähig bleiben», betonte Behrendt.

Die in der vergangenen Woche ausgefallene Plenarsitzung des
Abgeordnetenhauses wird nach Angaben der Parlamentsverwaltung an
diesem Donnerstag nachgeholt - voraussichtlich mit einer
Regierungserklärung Müllers. Unter besonderen Bedingungen für die
Abgeordneten - darunter größere Sitzabstände - ist auch eine
Fragestunde geplant, also eine spontane Befragung von Senatoren.

Am vergangenen Donnerstag war die Sitzung abgesagt worden, weil
etliche Abgeordnete, darunter Müller, Kontakt zu dem positiv
getesteten israelischen Botschafter Jeremy Issacharoff hatten. Später
gab es Entwarnung, weil der Diplomat zum Zeitpunkt des Treffens noch
nicht angesteckt war.

In den rund 80 Berliner Flüchtlingsunterkünften haben sich bisher
mindestens fünf Menschen nachweislich mit dem neuartigen Coronavirus
angesteckt. Es handele sich um einen Mitarbeiter und vier Bewohner,
teilte das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten mit.

Die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise treiben viele Menschen
weiterhin um. So könnte Berlin aus Sicht von Gastronomen in wenigen
Wochen viele seiner «kulinarischen Attraktionen» verlieren, warnen
Restaurant-Betreiber in einem offenen Brief an Müller und fordern
umfassende Hilfsmaßnahmen durch den Staat.

Restaurants müssen jetzt geschlossen bleiben, dürfen allerdings noch
Speisen außer Haus anbieten. In der Nacht zu Montag schloss die
Polizei 9 Imbisse oder Kneipen wegen Verstößen und stellte 7
Anzeigen. Das waren weniger Verstöße als an den Tagen zuvor.

Das Robert Koch-Institut (RKI) zeigte sich vorsichtig optimistisch,
dass sich der Anstieg der Coronavirus-Fallzahlen in Deutschland
leicht abschwächt. «Wir sehen den Trend, dass die exponentielle
Wachstumskurve sich etwas abflacht», sagte RKI-Präsident Lothar
Wieler am Montag in Berlin und berief sich auf tägliche Analysen. Für
eine definitive Bewertung sei es jedoch noch zu früh.