Hauptversammlungen ohne Aktionärspräsenz sollen erlaubt werden

Frankfurt/Berlin (dpa) - Angesichts der Coronavirus-Krise will der
Gesetzgeber Aktiengesellschaften in Deutschland erstmals virtuelle
Hauptversammlungen erlauben. Die Aktionärstreffen sollen online ohne
Präsenzpflicht durchgeführt werden dürfen, wie das
Bundesjustizministerium am Montag mitteilte. Üblicherweise schreibt
das Aktiengesetz vor, dass Vorstand, Aufsichtsrat und Eigentümer der
Unternehmen physisch zusammenkommen, um Beschlüsse zu fassen.

Die Aktionäre stimmen bei einer Hauptversammlung unter anderem über
die Ausschüttung der Dividende, mögliche Kapitalerhöhungen oder
Wahlen zum Aufsichtsrat ab. Außerdem geht es um die Entlastung von
Vorstand und Aufsichtsrat für das abgelaufene Geschäftsjahr.

Etliche Unternehmen haben ihre für die kommenden Wochen geplanten
Aktionärstreffen schon verschoben. Grundsätzlich ist eine
Verschiebung der Hauptversammlung möglich, das Zeitfenster dafür ist
jedoch begrenzt. Die nun auf den Weg gebracht Ausnahmeregelung soll
Unternehmen nach Angaben des Justizministeriums die Möglichkeit
eröffnen, eine Hauptversammlung innerhalb des Geschäftsjahres
durchzuführen - die bisherige Acht-Monats-Frist wird also verlängert.

Das Justizministerium stellte klar: «Da es sich bei der virtuellen
Hauptversammlung von Aktiengesellschaften ohne physische Präsenz der
Aktionäre in Deutschland um ein absolutes Novum handelt, schließt der
Entwurf insbesondere Anfechtungsrisiken weitestgehend aus.»

Das Deutsche Aktieninstitut in Frankfurt begrüßte das «schnelle
Handeln des Gesetzgebers», sieht in Details des Gesetzenwurfes aber
noch Nachbesserungsbedarf. «Bei Publikumsgesellschaften mit mehreren
Zehntausend Aktionären ist die Beantwortung aller Fragen in Echtzeit
nicht darstellbar», gab das Aktieninstitut zu bedenken.

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre befürchtet

eine Beschneidung von Aktionärsrechten. «Die Unternehmen sollten ihre
Hauptversammlungen lieber zunächst verschieben, als direkt auf
komplette virtuelle Hauptversammlungen ohne jede Präsenzmöglichkeit
für Aktionäre zu setzen», forderte der Geschäftsführer des Verban
des,
Markus Dufner. Auch die Deutsche Schutzvereinigung für
Wertpapierbesitz (DSW) hatte davor gewarnt, Sonderregelungen
dahingehend zu missbrauchen, dass Aktionärsrechte geschmälert werden.