Szenarien, Kosten und Folgen für Fans: Das Wichtigste zu Olympia Von Florian Lütticke, dpa

Wird Olympia in Tokio nun verschoben? Wann könnten die Sommerspiele
stattdessen stattfinden? Und was kostet das alles? Auch nach der
Ankündigung des IOC einer Frist für eine mögliche Neu-Terminierung
sind viele Fragen offen.

Tokio (dpa) - Erstmals hat das Internationale Olympische Komitee im
Zuge der Coronavirus-Krise einen möglichen Fahrplan für die
Verschiebung der Sommerspiele in Tokio vorgelegt. Von Klarheit sind
sowohl Sportler als auch Fans aber weit entfernt. «Ich weiß, dass
diese beispiellose Situation viele Ihrer Fragen offenlässt», gestand
IOC-Präsident Thomas Bach in einer E-Mail an Athletinnen und
Athleten. Ein Überblick über mögliche Kosten einer Neu-Terminierung,

den weiteren Ablauf und die Stimmung im Gastgeberland.

Wie wahrscheinlich ist es, dass Olympia noch wie geplant stattfinden
kann?

Angesichts des globalen Ausmaßes der Pandemie erscheint es derzeit
alternativlos, dass Olympia vom geplanten Termin vom 24. Juli bis 9.
August abweichen muss. Binnen vier Wochen will das IOC entscheiden.
Große Olympia-Nationen wie Kanada und Australien erhöhen den Druck
durch ihre Ankündigung, diesen Sommer keine Teams entsenden zu
wollen. Leichtathletik-Verbandschef Sebastian Coe schrieb Bach, dass
Olympia im Juli «weder möglich noch wünschenswert» sei.

Warum soll es dann noch so lange bis zu einer Entscheidung dauern?

Zwar bröckelt auch in Japan das bedingungslose Festhalten am
bisherigen Plan, Premierminister Shinzo Abe spricht erstmals von
einer Verschiebung. Die Organisatoren sind aber darauf bedacht, dass
eine Absage einerseits nicht als Gesichtsverlust gesehen wird, zudem
könnten bei einem eigenmächtigen Beschluss immense
Schadenersatzforderungen drohen. Die endgültige Entscheidung obliege
dem IOC, heißt es aus Japan. Ringe-Chef Bach verweist darauf, dass
seine Organisation dem Rat der Weltgesundheitsorganisation folgen
werde. Die WHO betont aber, dass man nur eine beratende Funktion habe
und keine Absage fordern werde. So spielt das IOC weiter auf Zeit.

Welche Szenarien für eine Verschiebung gibt es?

Es liegen drei Gedankenspiele auf dem Tisch, keines davon ohne
Probleme. Bei einer Verschiebung in den Herbst 2020 gäbe es zwar
bessere klimatische Bedingungen. Völlig unklar ist aber, ob sich die
weltweite Lage wegen des Coronavirus bis dahin so weit gebessert hat,
dass Olympia mit Zuschauern stattfinden könnte. Dass die Spiele
analog zur Fußball-EM um ein Jahr in den Sommer 2021 verlegt werden,
gilt als wahrscheinlichste Option. Dafür müssten aber für mehrere
andere internationale Großevents wie die Leichtathletik-WM in den USA
neue Daten gefunden werden. Bei einer Verschiebung um zwei Jahre
würden 2022 Winter- und Sommerspiele im gleichen Jahr stattfinden.
Das gab es letztmals 1992, als Olympia jeweils noch ein deutlich
kleineres Programm hatte.

Was wären die finanziellen Folgen?

Einheimische Experten rechnen alleine durch eine Verschiebung mit
Kosten für Japan von umgerechnet 5,4 Milliarden bis 5,7 Milliarden
Euro. Sollte Olympia hingegen komplett abgesagt werden, würden 38 bis
65 Milliarden Euro fehlen. Zuletzt hatten Finanzexperten neben dem
direkten Schaden zudem mit einem Verlust von 120 Milliarden durch
ausbleibende Touristen für Japan gerechnet.

Die Tokio-Organisatoren hatten die avisierten Kosten der Sommerspiele
bislang mit umgerechnet 11,5 Milliarden Euro angegeben. Das National
Audit Board Japans hatte diese Summe aber mehr als doppelt so hoch
geschätzt.

Bei einer Verschiebung stehen die Organisatoren zudem vor
logistischen Problemen. Beispielsweise sind die Wohnungen des
olympischen Dorfs, in dem insgesamt 15 000 Sportler und Sportlerinnen
während Olympia und den Paralympics übernachten sollen, bereits für
die Zeit nach den Spielen verkauft.

Was wären die Konsequenzen für die Sportfans?

Angesichts der offenen Situation ist unklar, welche Folgen für
reisewillige Olympia-Fans drohen. Im analogen Fall der verschobenen
Fußball-EM behielten Eintrittskarten ihre Gültigkeit, können aber
zurückgegeben werden, wenn Anhänger zum neuen Termin nicht reisen
können. Ob Trips kostenfrei storniert werden können, hängt wohl von
der geplanten Reise ab. Wenn das Ticket zum gebuchten Paket gehören,
können Fans nach Ansicht von Paul Degott, Rechtsanwalt für
Reiserecht, vom Vertrag zurücktreten. Anders sieht es laut dem
Experten bei Flügen und Hotels aus, die unabhängig von einem Ticket
gebucht wurden. Hier gelten normale Stornierungsbedingungen.

Wie ist die Situation in Japan?

Einer Umfrage der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo zufolge
rechnen mehr als zwei Drittel (69,9 Prozent) der Menschen damit, dass
Olympia nicht zum geplanten Termin stattfindet. «Die Öffentlichkeit
erwartet und unterstützt eine Verschiebung, deshalb wird es keine
große Sache», sagte Jeff Kingston, der japanische Politik an der
Temple-Universität in Tokio lehrt, der Nachrichtenagentur AP in
Corona-Zeiten. «Die Menschen sorgen sich über die wirtschaftlichen
Folgen und ihre Jobs, wenn die Zahl der Fälle steigt.»