Medizinhistoriker über Krise: «Eindeutig historisches Ereignis»

Osnabrück (dpa) - Als «eindeutig historisches Ereignis» wertet
Medizinhistoriker Philipp Osten die Corona-Krise. «Das, was wir
erleben, ist historisch. Wir können unseren Kindern nicht sagen, dass
wir so etwas schon einmal erlebt hätten», sagte der Leiter des
Instituts für Geschichte und Ethik in der Medizin beim
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf der «Neuen Osnabrücker
Zeitung». Für viele Menschen sei die Corona-Krise einschneidend, sie
würden sich künftig ein Leben lang daran erinnern. Am ehesten sei die
Situation mit dem Reaktor-Unglück von Tschernobyl zu vergleichen.

Mit Blick auf die teils drastischen Schilderungen der Lage in
überfüllten italienischen Krankenhäusern sagte Osten: «Die Situatio
n,
jemanden, der eigentlich rettbar ist, von der Maschine zu nehmen,
weil jemand anderes da ist, der nach gewissen Kriterien bessere
Überlebenschancen hat - auf so etwas können Sie keinen Mediziner
vorbereiten.»

Wichtig sei, bei den Beurteilungen eine Art von Gerechtigkeit
herzustellen. «Der 80-jährige Bankdirektor darf nicht besser
behandelt werden als der 30-jährige Bankräuber. Es darf nur um
medizinische Kriterien gehen.» Selbst dann seien solche
Entscheidungen den Angehörigen aber «nicht vermittelbar». Osten
sagte, «fast sicher» lösten solch belastende Situationen beim
medizinischen Personal Traumata aus.