Corona: IOC und Japans Premier sprechen von Olympia-Verschiebung Von Maximilian Haupt und Günther Chalupa, dpa

Die Olympischen Spiele verschieben? Lange wollte das IOC nicht mal
darüber reden, trotz immer mehr Toten durch die Coronavirus-Pandemie.
Seit Sonntag ist Bewegung gekommen in eine Debatte, die durch den
ersten Verzicht eines Landes noch weiter Schwung bekommen wird.

Tokio (dpa) - Die Anzeichen für eine historisch einmalige
Verschiebung von Olympischen Sommerspielen wegen der Coronavirus-
Pandemie mehren sich. Nachdem das Internationale Olympische Komitee
(IOC) am Sonntag erstmals Gedankenspiele dieser Art zugelassen und
sich selbst einen Vier-Wochen-Zeitraum für die Entscheidung gegeben
hatte, sprach auch Japans Premierminister Shinzo Abe von einer
Verschiebung der Sommerspiele in seinem Land. Vor dem Parlament in
Tokio sagte er am Montag, dass damit gerechnet werden müsse. Von
einer Absage könne aber keine Rede sein.

«Es ist schwierig, Spiele unter diesen Umständen abzuhalten, wir
müssen über eine Verschiebung entscheiden, wobei die Gesundheit der
Athleten oberste Priorität hat», sagte Premierminister Abe. Die
endgültige Entscheidung aber liege beim IOC.

Kanadas Olympisches Komitee (COC) erhöhte den Druck auf das IOC
weiter und gab als erstes Land bekannt, dass man in diesem Sommer
wegen der Corona-Krise auf eine Entsendung von Sportlern verzichten
werde. Die «schwierige Entscheidung» sei mit Zustimmung von
Sportverbänden und der kanadischen Regierung getroffen worden, hieß
es. «Das ist kein Boykott», sagte Kommunikationsdirektor Photi
Sotiropoulos der Deutschen Presse-Agentur. Das Paralympische Komitee
Kanadas entschied gleichermaßen für die Paralympics.

Im kommenden Jahr sei man gerne dabei, sollte dies mit Rücksicht auf
die Entwicklung der Pandemie und die Gesundheit der Weltbevölkerung
möglich sein, teilte das COC mit. Zudem unterstütze man das IOC bei
der Lösung aller Probleme, die eine Verschiebung mit sich bringe.

Derzeit sind die Spiele eingeplant für den Zeitraum vom 24. Juli bis
9. August 2020. Eine Verschiebung wäre eine monumentale Entscheidung
und ein massiver Eingriff in den komplexen Kalender des Weltsports.
Denkbar ist eine Verlegung in den Herbst, auf Sommer 2021 oder gar
auf 2022. Am wahrscheinlichsten dürfte die Verlegung um ein Jahr
sein. Im Sommer 2021 sind aber zum Beispiel die Weltmeisterschaften
der Schwimmer in Fukuoka/Japan und die der Leichtathleten in
Eugene/USA vorgesehen. Gegen 2022 spricht, dass in dem Jahr im
Februar die Olympischen Winterspiele in Peking und im November und
Dezember die Fußball-Weltmeisterschaf in Katar stattfinden.

Die selbst gesetzte Deadline von vier Wochen gab das Internationale
Olympische Komitee nach einer Telefonkonferenz der Exekutive bekannt
und schloss gleichzeitig eine Komplett-Absage der Sommerspiele aus.
Der Druck bezüglich einer Entscheidung war zuvor immer größer
geworden. Neben vielen Athleten aus Deutschland und weltweit hatten
sich auch der Schwimm- und der Leichtathletikverband der USA für eine
Verlegung ausgesprochen. Die USA haben großes Gewicht, weil der dort
übertragende Sender NBC so viel Geld für die Übertragungsrechte an
das IOC bezahlt wie sonst keine Fernsehstation der Welt.

IOC-Chef Thomas Bach war am Sonntag von seiner Linie abgerückt, bis
zu den Spielen sei noch lange Zeit und eine Verschiebung kein Thema.
«Menschenleben haben Vorrang vor allem, auch vor der Austragung der
Spiele. Das IOC will Teil der Lösung sein», sagte der 66-Jährige. Er

wünsche sich, dass die Hoffnung, die so viele Athleten, Nationale
Olympische Komitees und internationalen Verbände aus allen fünf
Kontinenten geäußert hätten, erfüllt werde. «Dass am Ende dieses

dunklen Tunnels, durch den wir alle gemeinsam gehen, ohne zu wissen,
wie lange er noch dauert, die olympische Flamme ein Licht sein wird.»

Eine Olympia-Verschiebung wäre eine historische Entscheidung. Eine
Absage gab es in der Vergangenheit dagegen schon einige Male. Im
Ersten Weltkrieg wurden die Sommerspiele 1916 (Berlin), im Zweiten
Weltkrieg die Sommerspiele 1940 (Tokio) und 1944 (London) sowie die
Winterspiele 1940 (Cortina d'Ampezzo) und 1944 (Sapporo) gestrichen.

Zwar hat Japan das Coronavirus gut in den Griff bekommen, allerdings
greift die Pandemie weltweit immer mehr um sich. Eine
Sportveranstaltung mit rund 11 000 Athleten und Tausenden an
Zuschauern, Betreuern und Journalisten wäre kaum zu verantworten. «Es
gibt für Viren quasi kein tolleres Fest als so eine Veranstaltung»,
hatte etwa Virologe Alexander Kekulé in der ARD-«Sporschau» gewarnt.