Riesenpaket gegen die Krise - Was die Regierung jetzt plant Von Basil Wegener und Theresa Münch, dpa

Am Sonntag schlug die Stunde bundesweiter Kontaktsperren. Am Montag
will die Regierung den Kampf gegen die Folgen der Corona-Krise
aufnehmen - mit enormen Schutzschirmen. Doch sind diese groß genug?

Berlin (dpa) - Ob bei Eltern, Beschäftigten oder Selbstständigen -
die Corona-Epidemie bestimmt den Alltag und verursacht
Existenzängste. Die Wirtschaft steht vor einem massiven Abschwung.
Bedroht sind Konzerne und Kleinunternehmen. Jetzt will der Staat mit
einem beispiellosen Gesetzespaket Rettungs- und Schutzschirme
aufspannen. Ein Überblick:

Warum greift die Regierung zu massiven Schritten?

Geschäfte geschlossen, Straßen leer gefegt, Schulen und Kitas zu,
Beschäftigte im Zwangsurlaub, Lieferketten unterbrochen, Absatzmärkte
abgeschottet und Kliniken im Ausnahmezustand: Das kann nicht lange
gut gehen.

Was ist für kleine Firmen geplant?

Direkte Finanzspritzen: Ganz kleine Firmen und Selbstständige,
Musiker, Fotografen, Heilpraktiker oder Pfleger, die gerade kaum
Kredite bekommen, können für drei Monate 9000 bis 15 000 Euro
erhalten. Das soll unbürokratisch funktionieren, sie müssen nur
versichern, dass sie durch Corona einen Liquiditätsengpass haben.

Was sollen größere und große Unternehmen bekommen?

Für mittelgroßen Firmen soll ein unbegrenztes Kreditprogramm über die

staatliche Förderbank KfW bereitstehen. Große Unternehmen wie etwa
die Lufthansa sollen notfalls auch durch Verstaatlichungen gerettet
werden. Die Bundesregierung will ihnen milliardenschwere Garantien
geben und Schuldtitel übernehmen. Wenn die Krise vorbei ist, sollen
sie wieder privatisiert werden. Die Firmen in Deutschland können
zudem ihre Steuern später begleichen.

Wie teuer sind diese Rettungsmaßnahmen?

Die Bundesregierung muss in diesem Jahr wohl so viele Schulden
aufnehmen wie nie. Das Finanzministerium rechnet mit Kosten für die
Hilfsprogramme von 122,8 Milliarden Euro allein 2020. Zugleich kommen
wohl 33,5 Milliarden Euro weniger Steuern rein. Deshalb plant
Minister Olaf Scholz (SPD) eine Neuverschuldung von 156,3 Milliarden
Euro. Das sind ungefähr 100 Milliarden mehr als die Schuldenbremse im
Grundgesetz erlaubt. Die Regelung soll deshalb erstmal außer Kraft
gesetzt werden.

Wird das Geld den Unternehmen reichen?

Noch kann man das nicht absehen - niemand weiß, wie lange das
öffentliche Leben gelähmt ist. Die 156 Milliarden sind laut Scholz
zunächst eine vorsorgliche Summe. Viele Ökonomen und die
Bundesregierung rechnen damit, dass Deutschland in eine tiefe
Rezession rutscht. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag warnt
vor einer «Pleitewelle unvorstellbaren Ausmaßes».

Was soll für Mieter gelten, denen das Geld ausgeht?

Kündigung sollen verboten werden, wenn Einkommensausfälle dazu
führen, dass man die Miete nicht zahlen kann. Gelten soll dies
zunächst für Mietschulden aus dem Zeitraum vom 1. April bis 30.
September 2020. Nachweisen soll man das nicht groß müssen: «Der
Zusammenhang zwischen Covid-19-Pandemie und Nichtleistung wird
vermutet», heißt es im entsprechenden Entwurf. Die Verpflichtung der
Mieter zur Zahlung der Miete soll aber im Grundsatz bestehen bleiben.

Was soll gegen Massenarbeitslosigkeit helfen?

Das bewährte Mittel aus der Finanzkrise 2008/2009: Kurzarbeit. Wenn
es nichts mehr zu arbeiten gibt, kann ein Unternehmen die Mitarbeiter
in Kurzarbeit schicken - die Bundesagentur für Arbeit übernimmt 60
Prozent des Lohns, bei Menschen mit Kindern 67 Prozent. Die
Unternehmen bekommen Sozialbeiträge erstattet. Kurzarbeitergeld kann
fließen, wenn nur 10 Prozent der Beschäftigten vom Arbeitsausfall
betroffen sind - statt wie bisher ein Drittel. Auch
Zeitarbeitsunternehmen können die Leistung anzeigen.

Wie viele Menschen werden davon betroffen sein?

Die Regierung geht von 2,15 Millionen Fällen von konjunkturellem
Kurzarbeitergeld aus - Kostenpunkt: 10,05 Milliarden Euro. In der
Metall- und Elektroindustrie und in der Systemgastronomie stocken die
Unternehmen das Kurzarbeitergeld auf - die Gewerkschaften fordern das
vehement generell.

Was soll im sozialen Bereich geschehen?

Bei Anträgen auf Hartz IV sollen die Vermögensprüfung und die Prüfu
ng
der Höhe der Wohnungsmiete für ein halbes Jahr ausgesetzt werden. Bis
zu 1,2 Millionen zusätzlichen Bezieher der Grundsicherung soll es
laut Regierung geben - und dadurch 10 Milliarden Euro Mehrkosten.
Für die Familien mit Einkommenseinbrüchen soll ein leichterer Zugang
zum Kinderzuschlag geschaffen werden: Geprüft werden soll statt das
Einkommen aus den letzten sechs Monaten nur das vom letzten Monat.
Eltern mit wegbrechendem Einkommen wegen Kinderbetreuung sollen
Hilfen bekommen.

Was will die Regierung noch tun?

Es gibt noch eine ganze Reihe weiterer geplanter Schritte, etwa: Eine
große Finanzspritze für die Krankenhäuser von mehr als drei
Milliarden Euro, mehr Kompetenzen für den Bund beim Seuchenschutz,
Lockerungen beim Insolvenzrecht, die Möglichkeit zu Haupt- und
Vereinsversammlungen online sowie Lockerungen beim Arbeitszeitgesetz
für besonders wichtige Branchen.

Wie sollen die Pakete auf den Weg kommen?

So schnell es geht. An diesem Montag will das Bundeskabinett
entscheiden - die Ministerriege will tatsächlich zusammenkommen,
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) allerdings ist in häuslicher
Quarantäne. Am Mittwoch will der Bundestag im Plenum und den
wichtigsten Ausschüssen unter strengen Vorkehrungen zum Abstandhalten
beraten und entscheiden. Und schon am Freitag soll der Bundesrat die
Gesetze abschließend beschließen - wahrscheinlich im kleinen Kreis
mit einem Kabinettsmitglied pro Land.

Gibt es Kritik an den Plänen?

Reichlich. Zwar wird es einhellig als nötig begrüßt, dass die
Regierung rasch und massiv handelt. Doch zu den Hauptkritikpunkten
zählt: Die Milliarden fürs Gesundheitswesen reichten nicht - und das

Kurzarbeitergeld sei für Menschen mit geringem Einkommen zu wenig.
Viele soziale und kulturelle Einrichtungen fürchten zudem bundesweit
das Aus. Große Sorgen machen sich Experten um Menschen mit
Behinderung, Obdachlose, Arme oder auch Prostituierte in der Krise.