Olympia-Entscheidung: IOC setzt sich Frist von vier Wochen Von Andreas Schirmer und Stefan Tabeling, dpa

Wochenlang hat sich IOC-Chef Thomas Bach gegen eine Verlegung oder
Olympia-Absage gewehrt. Doch die Coronavirus-Pandemie hat die
Verantwortlichen zum Handeln gezwungen. Es gibt nun eine Deadline von
vier Wochen für mögliche Szenarien, dann soll es Klarheit geben.

Lausanne/Tokio (dpa) - Binnen von vier Wochen soll Klarheit über eine
mögliche Verschiebung der Olympischen Spiele in Tokio herrschen. Das
Internationale Olympische Komitee setzte sich nach einer
Telefonkonferenz der Exekutive diese Deadline, schloss aber
gleichzeitig eine Komplett-Absage der Sommerspiele aus. Das teilte
das IOC am Sonntagabend mit, nachdem der Druck bezüglich einer
Entscheidung immer größer geworden war.

«Menschenleben haben Vorrang vor allem, auch vor der Austragung der
Spiele. Das IOC will Teil der Lösung sein», sagte IOC-Chef Thomas
Bach. Er wünsche sich, dass sich die Hoffnung, die so viele Athleten,
Nationale Olympische Komitees und internationalen Verbände aus allen
fünf Kontinenten geäußert hätten, erfüllt werden. «Dass am Ende

dieses dunklen Tunnels, durch den wir alle gemeinsam gehen, ohne zu
wissen, wie lange er noch dauert, die olympische Flamme ein Licht
sein wird, sagte Bach.

Ein wenig Hoffnung bleibt dem deutschen Fecht-Olympiasieger von 1976
also noch, der sich lange gegen jegliche Diskussionen gewehrt hatte -
trotz der vielen Rufe nach einer Verlegung der Tokio-Spiele. Doch
nachdem die Weltgesundheitsorganisation täglich steigende Zahlen an
Sars-CoV-2-Infektionen und Toten vermeldete, musste das IOC handeln.

Bach spielt nun auf Zeit und hofft auf Besserung. Diese Hoffnung
haben andere bereits aufgegeben. Max Hartung, Vorsitzender des
Vereins «Athleten Deutschland» hat bereits entschieden, nicht an den
Tokio-Spielen teilzunehmen, wenn sie doch im Sommer stattfinden
sollten. Auch vom amerikanischen Leichtathletik- und Schwimmverband
kamen entsprechende Forderungen nach einer Verschiebung.

Denkbar ist eine Verschiebung der vom 24. Juli bis 9. August
geplanten Sommerspiele auf den Herbst, auf Sommer 2021 oder gar auf
2022. Am wahrscheinlichsten dürfte die Verlegung um ein Jahr sein,
was angesichts des fixierten Terminkalenders im Weltsport auch eine
monumentale Entscheidung nie da gewesener Dimension wäre. Im Sommer
2021 sind zum Beispiel die Weltmeisterschaften der Schwimmer in
Fukuoka/Japan und die der Leichtathleten in Eugene/USA vorgesehen.
Gegen 2022 spricht, dass in dem Jahr die Olympischen Winterspiele im
Februar und die Fußball-WM im November und Dezember stattfinden.

Eine Olympia-Verschiebung wäre eine historische Entscheidung, doch
eine Absage wie es sie in der Vergangenheit schon einige Male
gegeben, wird es wegen des grassierenden Virus nicht geben. Im Ersten
Weltkrieg wurden die Sommerspiele 1916 (Berlin), im Zweiten Weltkrieg
die Sommerspiele 1940 (Tokio) und 1944 (London) sowie die
Winterspiele 1940 (Cortina d'Ampezzo) und 1944 (Sapporo) gestrichen.

Zwar hat Japan das Virus gut in den Griff bekommen, allerdings greift
die Pandemie weltweit immer mehr um sich. Eine Sportveranstaltung mit
rund 11 000 Athleten und Tausenden an Zuschauern, Betreuern und
Journalisten wären kaum zu verantworten. «Es gibt für Viren quasi
kein tolleres Fest als so eine Veranstaltung», hatte etwa Virologe
Alexander Kekulé in der ARD-«Sporschau» gewarnt.

Auch ist aufgrund der Ausgeh- und Reiseverboten in vielen Ländern
eine geregelte Wettkampfvorbereitung nicht mehr gegeben, ganz zu
schweigen von regelmäßigen Dopingkontrollen. Dazu kommt das Problem
der Olympia-Qualifikationen, die in den letzten Wochen reihenweise
abgesagt worden waren.

Sollte nun auch Olympia verlegt werden, hätte es auch die letzte
Großveranstaltung erwischt. Fußball-EM, Formel-1-Rennen, French Open,
Eishockey-WM oder der nationale Ligen-Betrieb - die Sportwelt steht
seit Wochen still.

Der Deutsche Olympische Sportbund informierte am Samstagabend rund
200 Topsportler in einer Video-Konferenz über den Stand der
Olympia-Debatte. Seine Athleten, die qualifiziert sind oder es noch
schaffen könnten, forderte der DOSB auf, sich in einer Abstimmung für
oder gegen die planmäßige Austragung der Sommerspiele auszusprechen.
«Der DOSB macht es sehr gut», lobte Hartung die Dachorganisation und
erklärte zur Abstimmung: «Es ist das klare Bekenntnis da, das Votum
der Athleten mit in die Position des DOSB zu den Spielen
einzubeziehen. Das ist einmalig auf der Welt.»

Ungeachtet der Pandemie hielten IOC und Gastgeberland noch am
Wochenende an den olympischen Ritualen der Spiele-Vorbereitung fest.
Am Samstag kamen mehr als 55 000 Menschen zum Bahnhof Sendai im
Nordosten von Japan, um das dort angekommene Olympische Feuer in
Empfang zu nehmen. Dabei hatte die Regierung die Öffentlichkeit
aufgefordert, große Versammlungen zu vermeiden.