Corona: Sachsen-Anhalter dürfen nur noch ausnahmsweise aus dem Haus

Sachsen-Anhalt hat verstanden. Bis auf wenige Ausnahmen halten sich
die Menschen an die Corona-Regeln, die das öffentliche Leben auf ein
Minimum reduzieren sollen. Ab Montag gelten dennoch deutlich
strengere Vorschriften.

Magdeburg (dpa/sa) - Sachsen-Anhalt verschärft die Beschränkungen des
öffentlichen Lebens wegen des neuartigen Coronavirus nocheinmal. So
sollen die Menschen bis auf wenige Ausnahmen in ihren Wohnungen
bleiben. «Das Verlassen der eigenen Wohnung ist nur bei Vorliegen
triftiger Gründe erlaubt», heißt es in einer Pressemitteilung der
Landesregierung vom Sonntagabend. «Das gilt für die Ausübung
beruflicher Tätigkeiten, für Lieferverkehre und Umzüge, aber auch f
ür
Arztbesuche oder den Termin beim Psycho- oder Physiotherapeuten und
für den Einkauf von Waren des täglichen Bedarfs, aber auch den Besuch
bei Kindern, Alten oder Kranken.» Die neuen Beschränkungen gelten ab
Montag (00.00 Uhr) für zunächst zwei Wochen.

Sport und Bewegung an der frischen Luft, alleine oder mit Angehörigen
des eigenen Hausstandes, bleiben demnach ebenso erlaubt wie die
Versorgung von Tieren. Außerdem müssen Friseurläden, Kosmetik-,
Nagel-, Piercing- und Tattoostudios schließen. Diese Regelungen habe
die Landesregierung auf Grundlage der Einigung zwischen Bund und
Ländern über das weitere Vorgehen getroffen. Zusammenkünfte von mehr

als zwei Personen im öffentlichen Raum werden verboten, Familien
dürfen aber weiter gemeinsam auf die Straße.

Mit den neuen Regeln setzt Sachsen-Anhalt Beschlüsse um, auf die sich
am Sonntag die Ministerpräsidenten und Bundeskanzlerin Angela Merkel
(CDU) in einer Telefonschalte geeinigt hatten. Die Kanzlerin mahnte
nach der Besprechung vor allem an, anderen Menschen dieser Tage nicht
zu nahe zu kommen: «Es ist das aller, aller wichtigste, dass die
Abstandsregeln eingehalten werden», sagte die Regierungschefin. Mit
ausreichendem Abstand könne das Infektionsrisiko auf nahezu Null
gesenkt werden. «Ob Sie also einen halben Meter oder eineinhalb Meter
voneinander entfernt stehen, macht einen riesen Unterschied.» Nach
dem Statement erfuhr Merkel, dass sie selbst in Quarantäne muss, da
einer ihrer Ärzte positiv auf das Virus getestet worden sei.

Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) appellierte an die Menschen
in Sachsen-Anhalt, die neuen Regeln unbedingt zu befolgen. «Die Zeit
drängt. Es geht um die Gesundheit und das Leben der Bürgerinnen und
Bürger in unserem Land», sagte Haseloff laut Mitteilung. «Die
Sachsen-Anhalterinnen und Sachsen-Anhalter haben bislang alle
getroffenen Anordnungen sehr konsequent befolgt. Dafür danke ich
Ihnen. Gemeinsam werden wir die Coronakrise meistern.» Eine
Verschärfung der Maßnahmen sei dennoch unumgänglich.

Deutschland- und Sachsen-Anhalt-weit waren die Zahlen der bestätigten
Infektionen mit dem Erreger Sars-CoV-2 am Wochenende weiter
angestiegen. Nach wie vor ist die Situation in Sachsen-Anhalt dabei
vergleichsweise glimpflich. Das Gesundheitsamt wusste am
Sonntagnachmittag von 269 bestätigten Fällen - in ganz Deutschland
waren bis Sonntag mehr als 24 100 Infektionen mit dem neuen
Coronavirus bekannt. Mehr als 90 mit Sars-CoV-2 Infizierte sind
bislang bundesweit gestorben, in Sachsen-Anhalt gab es bis zum
Sonntagnachmittag noch keinen Corona-bedingten Todesfall.

Bislang hatten in Sachsen-Anhalt auch deshalb vergleichsweise lockere
Beschränkungen gegolten. Die hatten die Sachsen-Anhalter bis auf ein
paar renitente Skat-Spieler in Magdeburg und ein paar Jugendliche,
die sich zu «Corona-Partys» trafen, am Wochenende weitestgehend
eingehalten. In Magdeburg hatten am Samstag einige ältere
Herrschaften zunächst nicht einsehen wollen, dass sie bei einem
Skat-Turnier den Mindestabstand von zwei Metern zueinander nicht
einhalten können. In Burg traf die Polizei im Flickschuhpark neun
Jugendliche an, die den Park nach Aufklärung durch die Polizei
allerdings verließen. Bei Barleben kam es am Samstag zu einer
Rangelei zwischen zwei Männern, weil der eine an der Supermarktkasse
den Mindestabstand zum anderen nicht eingehalten haben soll. Darüber
hinaus gab es laut Polizei und Ordnungsämtern nur wenige Verstöße.

Auch die Menschen in Halle, der am stärksten von dem Virus
betroffenen Kommune in Sachsen-Anhalt, befolgten laut
Oberbürgermeister Bernd Wiegand die Beschränkungen weitgehend.
«Darauf können wir stolz sein», sagte der Parteilose am Sonntag. Auf

Spiel- und Bolzplätzen seien am Wochenende keine Verstöße gegen die
angeordnete Schließung festgestellt worden. Elf Gruppen von fünf bis
zehn Menschen seien aufgelöst worden. Bis zum Sonntag wurden laut
Wiegand 78 Infektionen in der Saalestadt nachgewiesen. 16 davon seien
in stationärer Behandlung, zwei müssten beatmet werden. Die
Erkrankten seien zwischen 66 und 92 Jahre alt. Einige Testergebnisse
stünden zudem noch aus. Das Gesundheitsministerium sprach von 71
Fällen in Halle.

Das Soziale Leben in Sachsen-Anhalt kam am Wochenende dennoch fast
vollständig zum Erliegen. In der Landeshauptstadt Magdeburg herrschte
in den Innenstadt bei schönem Frühlingswetter gähnende Leere.
Zahlreiche Kulturbetriebe mussten nicht nur an der Elbe dicht
machen: Das Kunstmuseum Moritzburg Halle hatte seine
Karl-Lagerfeld-Fotoschau nicht mal eine Woche geöffnet, als es wegen
des Coronavirus schließen musste. Nun setzt das Haus verstärkt auf
die sozialen Medien. Unter dem Hashtag #closedbutopen versuche das
Museum, die Aufmerksamkeit für seine große Fotoschau aufrecht zu
erhalten, sagte Museumschef Thomas Bauer-Friedrich. «Wir wollen die
zu Hause Gestrandeten mit wertvollen Inhalten versorgen.»

In Tangerhütte half das Virus indes der Digitalisierung auf die
Sprünge: Wegen Corona startet ein neu entwickeltes «Digitales
Rathaus» in der Stadt vorzeitig. Einwohner der Einheitsgemeinde
können sich ab Montag registrieren, um Leistungen der Verwaltung
online zu nutzen, kündigte Bürgermeister Andreas Brohm (parteilos)
an. Dazu gehörten zum Beispiel Kita-Anmeldungen, Hundesteuer-Fragen
oder die Anmeldung von Veranstaltungen wie Brauchtumsfeuern.
Tangerhütte sei die erste Kommune in Sachsen-Anhalt und eine der
ersten bundesweit, die über ein solches Portal verfüge.