Land verschärft Einschränkungen für das öffentliche Leben noch etwa s

Im Kampf gegen das Coronavirus steuert der Südwesten noch einmal
etwas nach. Nur noch zwei Menschen dürfen zusammen draußen sein. Bis
die Infektionszahlen zurückgehen, dauert es aber wohl noch.

Stuttgart (dpa/lsw) - In Baden-Württemberg dürfen von diesem Montag
an wegen des Coronavirus nur noch zwei Menschen zusammen draußen
sein. Ausnahmen gibt es für Familien. Das sagte Ministerpräsident
Winfried Kretschmann (Grüne) nach einer Telefonschalte der
Ministerpräsidenten mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Sonntag.
Zuletzt galt, dass drei Menschen im Südwesten zusammen unterwegs sein
durften. Neu ist auch, dass Menschen, die nicht gemeinsam in einem
Haushalt leben, in der Öffentlichkeit einen Abstand von 1,50 Metern
zueinander halten sollen.

Derweil müssen bis zu 2000 Menschen aus verschiedenen Landkreisen
ihren Test auf eine Coronavirus-Infektion möglicherweise wiederholen.
Wie am Sonntagabend bekannt wurden, waren ihre Proben ungetestet in
einem privaten Labor liegengeblieben, weil zur Analyse notwendige
Chemikalien fehlten.

Etwa die Hälfte der Proben stammt den Angaben zufolge aus dem Kreis
Tübingen, der Rest aus den Landkreisen Biberach, Ravensburg und dem
Bodenseekreis. Wer dort zwischen dem 14. und dem 18. März eine Probe
abgegeben und noch kein Ergebnis bekommen hat und zudem jetzt noch
grippeähnliche Symptome zeige und Fieber habe, soll sich nun bei
seinem jeweiligen Gesundheitsamt melden, um einen weiteren Test zu
veranlassen. Parallel werde geprüft, ob zumindest ein Teil der Proben
noch verwertbar sei, hieß es. Das Ministerium und die betroffenen
Kreise sprachen von einem nicht akzeptablen Vorgehen des Labors.

Kretschmann hatte zuvor erneut an die Bürger appelliert, sich an die
Regeln zu halten - egal, ob im Supermarkt oder beim Spazierengehen.
Das öffentliche Leben werde im Südwesten weitgehend heruntergefahren.
«Aber wir machen Baden-Württemberg nicht komplett dicht», sagte er.
Es sei nicht verboten, die Wohnung zu verlassen - etwa für
Arztbesuche, zum Einkaufen oder um frische Luft zu schnappen.

Bis die Maßnahmen Wirkung zeigten, werde es aber bis zu 14 Tage
dauern. Bis dahin müsse man mit steigenden Infektionszahlen rechnen.
Zuletzt hatte seine grün-schwarze Regierung am Freitag schärfere
Regeln beschlossen. So müssen Gaststätten und Restaurants seit
Samstag geschlossen bleiben. Essen darf geliefert oder mitgenommen
werden.

Die strikten Einschränkungen werden nach Eindrücken der Polizei vom
Wochenende weitgehend eingehalten. Zu größeren Menschenansammlungen
sei es nur vereinzelt gekommen - öffentliche Corona-Partys seien
nicht mehr festgestellt worden. Das teilte das Innenministerium am
Sonntag mit. Bis zum Nachmittag habe die Polizei landesweit aber noch
331 Verstöße gegen das Bundesinfektionsschutzgesetz festgestellt. Es
seien 317 Strafverfahren und zwölf Verfahren wegen
Ordnungswidrigkeiten eingeleitet worden. Gerade jüngeren Menschen sei
oft noch nicht klar, wie notwendig die Maßnahmen seien, hieß es.

In Freiburg gilt ein strikteres Betretungsverbot für Gruppen auf
öffentlichen Plätzen. Auch daran haben sich die Bürger im Großen un
d
Ganzen gehalten. Es gab aber Ausnahmen, wie die Polizei am
Sonntagnachmittag mitteilte. Insgesamt wurden rund 50 Verstöße
festgestellt. Es wurden in einem niedrigen zweistelligen Bereich
Straf- und Bußgeldverfahren eingeleitet. Die Polizei musste in
Freiburg zudem die Schließung von mindestens zehn Läden durchsetzen.

Um Klarheit in der Frage zu bringen, welche Unternehmen schließen
müssen, hat das Wirtschaftsministerium eine Auslegungshilfe mitsamt
einer Liste von Ausnahmen veröffentlicht. Vollständigkeit könne
jedoch angesichts der Vielfalt von Betrieben und Branchen nicht
garantiert werden, hieß es: Die Liste werde von der Landesregierung
kontinuierlich aktualisiert. Zu jenen, die schließen müssen, gehören

nun auch Friseure, Blumenläden und Massagestudios, während
beispielsweise Hofläden und Kioske weiterhin Waren anbieten können.

In Südwesten steigt die Zahl der Infektionen mit dem Coronavirus
rasant. 27 infizierte Menschen sind mit Stand Sonntagabend bislang
gestorben, mindestens 4300 haben sich mit dem Virus angesteckt.

Besonders schlimm wütet das Virus im benachbarten Elsass in
Frankreich. Baden-Württemberg hat angeboten, schwerkranke Patienten
aus Frankreich in Kliniken aufzunehmen. Nach Angaben eines
Regierungssprechers gilt das Angebot zeitlich befristet und für eine
begrenzte Zahl von Patienten. Die ersten Patienten aus dem Elsass
kamen laut Wissenschaftsministerium am Wochenende im Südwesten an.

In der Autoindustrie wird die Coronavirus-Krise nach Ansicht von
Daimler-Gesamtbetriebsratschef Michael Brecht tiefe Spuren
hinterlassen. «Es soll jetzt niemand glauben, dass das in zwei Wochen
erledigt ist.» Was die Regierung derzeit unternehme, um das
öffentliche Leben herunterzufahren, sei richtig und notwendig. Aber
als Folge werde sich eine Wirtschaftskrise entwickeln.

Die Finanzhilfen für Unternehmen sollen nach den Worten von
CDU-Landtagsfraktionschef Wolfgang Reinhart zügig fließen. Ziel sei
es, dass das Programm des Landes an diesem Mittwoch stehe und die
Hilfen beantragt werden könnten. Insgesamt stünden kurzfristig 12,7
Milliarden Euro bereit. Davon kämen 6,2 Milliarden vom Land und wohl
6,5 Milliarden vom Bund. Der Landtag hatte am Donnerstag im
Eilverfahren die Weichen für das Hilfsprogramm des Landes gestellt.

FDP-Landtagsfraktionschef Hans-Ulrich Rülke machte Druck: «Jeder Tag,

an dem noch keine Hilfen beantragt werden können, zählt.» Auch der
SPD-Abgeordnete Boris Weirauch kritisierte: «Einmal mehr zeigt sich,
dass Grün-Schwarz nur unter Druck in die Gänge kommt und nach der
Entscheidung des Landtags fast eine Woche braucht, bis die
angekündigten Finanzhilfen fließen können.» Die CDU-Spitzenkandidat
in
zur Landtagswahl 2021, Susanne Eisenmann, forderte laut «Stuttgarter
Nachrichten» (Montag) eine Ausweitung des Rettungsschirms auf
Unternehmen mit bis zu 100 Mitarbeitern. Bisher hatte das Land
geplant, nur Firmen mit bis zu 50 Mitarbeitern zu fördern.