Land im Krisenmodus: Niedersachsen beklagt erste Coronavirus-Tote

«Die allermeisten Menschen haben begriffen, was die Stunde geschlagen
hat», sagt Stephan Weil. Die Menschen halten sich nach seiner
Beobachtung an die Auflagen. Jetzt kommt noch ein Kontaktverbot.

Hannover (dpa/lni) - Das am Sonntag von Bund und Ländern beschlossene
Kontaktverbot verbietet Ansammlungen von mehr als zwei Menschen -
ausgenommen sind Familien und Personen, die im gleichen Haushalt
wohnen. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil warb am Abend
für die neue Vorgabe. «Es ist wichtig und auch medizinisch geboten,
dass wir uns an der frischen Luft bewegen.» Riskant aber sei jeder
unmittelbare Kontakt mit anderen Menschen.

TODESFÄLLE: In Niedersachsen sind die ersten Todesfälle nach einer
Infektion mit dem Coronavirus gemeldet worden: Zwei Männer im Alter
von 70 und 84 Jahren starben am Freitag in Kliniken der Region
Hannover. Nähere Angaben machten die Behörden zu ihnen nicht. Im
Landkreis Harburg starb ein 87-Jähriger im Krankenhaus Winsen, der
unter einer Vorerkrankung gelitten hatte. Im Landkreis Leer starb ein
66-Jähriger, der ebenfalls eine schwere Vorerkrankung hatte.
Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sprach den Angehörigen sein
Beileid aus. Nach Angaben des Landesgesundheitsamtes vom Sonntag
(Stand 14.00 Uhr) wurden bisher 1586 Infektionen mit dem Coronavirus
bestätigt, im Vergleich zum Vortag ein Zuwachs um 134. Im Bundesland
Bremen waren es am Sonntag nach Angaben des Gesundheitssenats 173
Fälle, davon 18 in Bremerhaven. 

LEERE IN DEN STÄDTEN: Seit Samstagabend sind auch Cafés und
Restaurants in Niedersachsen dicht, nur Lieferdienste bleiben
erlaubt. Am Wochenende kontrollierte die Polizei Plätze,
Fußgängerzonen oder Erholungsgebiete wie Hannovers Maschsee. «In der

ganzen Stadt sind die Straßen und Plätze leer», sagte ein
Polizeisprecher in Hannover am Samstag. «Wir haben anders als in den
vergangenen Tagen bislang kein unvernünftiges Verhalten beobachten
können, auch nicht auf den Wochenmärkten.» Ähnliches wurde aus
Göttingen berichtet. In der sonst belebten Altstadt von Lüneburg
waren am Sonntag kaum Menschen unterwegs. Nach dem Beschluss von Bund
und Ländern müssen jetzt auch Friseurgeschäfte, Kosmetikstudios und

Massagepraxen schließen.

POLIZEI GREIFT DURCH: Im Landkreis Osnabrück löste die Polizei eine
Grillparty und ein spätabendliches Kneipentreffen auf und schrieb
erste Strafanzeigen, wie der Landkreis mitteilte. In Papenburg
(Emsland) stoppte die Polizei am Freitagabend ein geplantes «Corona
Midnight Meeting» von Auto-Tunern.

AUFSCHREI DER KLINIKEN: Die Krankenhäuser in Niedersachsen
befürchten, auf den Kosten zur Bewältigung der Coronakrise
sitzenzubleiben. Ein erster Gesetzentwurf aus dem
Bundesgesundheitsministerium sorgte für einen Aufschrei bei der
niedersächsischen Krankenhausgesellschaft und dem Verband der
Privatkliniken Niedersachsen und Bremen. Die Privatkliniken
befürchteten Kurzarbeit, betriebsbedingte Kündigungen und sogar
Insolvenzen.

URLAUBER VERLASSEN INSELN: Seit Sonntag unterstützen Polizeibeamte
vom Festland die Inselpolizei von Norderney bei der angeordneten
Räumung der Nordsee-Insel. «Auf Norderney hat ein Großteil der
Besucher unsere Insel verlassen», sagte Bürgermeister Frank Ulrichs
(parteilos). «Die eindringlichen Appelle haben offenbar geholfen.»
Urlaubsgäste müssen den Landkreis Aurich und seine Inseln Norderney,
Juist und Baltrum spätestens am Sonntag verlassen, drei Tage früher
als zunächst geplant. Gästen droht ein Strafverfahren, wenn sie noch
am Montag von der Polizei auf der Insel erwischt werden. Sie würden
dann kostenpflichtig von der Insel verwiesen, sagte eine
Polizeisprecherin. Damit sollen medizinische Kapazitäten für
Covid-19-Erkrankungen auf den Inseln freigehalten werden.

KRIMINELLE SCHLAGEN KAPITAL: Niedersachsens Landeskriminalamt (LKA)
warnt vor Kriminellen, die aus der Corona-Krise Profit schlagen
wollen. Die Betrüger suchten nach Ängsten in der Bevölkerung», sagt
e
LKA-Sprecherin Katrin Gladitz der «Braunschweiger Zeitung». «Corona
löst derzeit natürlich die größten Sorgen aus. Die Betrüger sind

kreativ.» So habe das LKA einen Fakeshop im Internet im Blick, der
angebliche Schutzmasken verkaufe. In Buxtehude klingelten am
Freitagabend drei bisher unbekannte Männer in weißen Anzügen an
mindestens einer Haustür und gaben sich als Mitarbeiter des
Gesundheitsamtes aus, wie die Polizei am Sonntag mitteilte.