NRW-Kabinett billigt Milliarden-Wirtschaftshilfe
Mit einem Milliarden-Schirm will die NRW-Landesregierung die
Wirtschaft in der Corona-Krise retten. Die Corona-Fallzahlen steigen
landesweit weiter an. Weitere Einschränkungen im öffentlichen Leben
sind zu erwarten.
Düsseldorf (dpa/lnw) - Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat
am Sonntag ein für das Land beispielloses Rettungspaket in Höhe von
25 Milliarden Euro zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der
Corona-Krise beschlossen. In einer Sondersitzung per Schalte brachte
die Regierung den Rettungsschirm auf den Weg. Schon am Dienstag soll
der Landtag in einer Sondersitzung die Milliardenhilfen für
Unternehmen und Beschäftigte im Schnelldurchlauf beschließen.
Unterdessen erörterten die Ministerpräsidenten der Bundesländer mit
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Sonntag weitere Maßnahmen im Kampf
gegen die Corona-Pandemie.
«Wir befinden uns alle in einer wahrhaft außergewöhnlichen
Extremsituation und sehen uns plötzlich Aufgaben und Problemen
gegenüber, die wir uns vorher kaum vorstellen konnten», sagte
Finanzminister Lutz Lienenkämper (CDU) laut Mitteilung. «Mit unserem
NRW-Rettungsschirm wollen wir den Zusammenbruch vieler Firmen
vermeiden und viele Arbeitsplätze und ganze Erwerbsbiografien von
Familien retten.»
Der Landtag soll sich am Dienstag mit dem Gesetzespaket des Kabinetts
und einem Nachtragshaushalt für 2020 befassen, über den das Land bis
zu 25 Milliarden Euro an neuen Schulden machen will. Damit sollen
Bürgschaften, Steuerstundungen sowie Soforthilfen für
Kleinunternehmen und Solo-Selbstständige finanziert werden. Die
Kreditaufnahme soll in Tranchen abhängig von den benötigten Ausgaben
erfolgen. Zugleich machte Lienenkämper klar, dass weitere Maßnahmen
folgen werden. «Niemand weiß, welche Herausforderungen noch auf uns
zukommen.»
Die Zahl der bestätigten Coronavirus-Infektionen stieg in NRW weiter
an. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums von Sonntag (Stand 11.00
Uhr) gab es landesweit 7361 nachgewiesene Fälle. Das ist im
bevölkerungsreichsten Bundesland ein Zuwachs von mehr als 600 im
Vergleich zum Vortag. Die Zahl der erfassten Todesfälle in NRW stieg
um neun auf 32.
Kanzlerin Merkel und die Ministerpräsidenten wollten in einer
Telefonkonferenz erörtern, ob es bundesweite Ausgangsbeschränkungen
geben soll, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen.
Einige Bundesländer - allen voran Bayern - haben ihre Bestimmungen
bereits verschärft. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) wollte
im Anschluss an die Telefonkonferenz in Düsseldorf vor die Presse
treten. Laschet sieht Maßnahmen wie die Ausgangsbeschränkungen in
Bayern nur als «allerletztes Mittel». Eine Vorstufe zur
Ausgangssperre sei ein Betretungsverbot auf öffentlichen Plätzen.
Das Wochenende galt landesweit als letzte «Bewährungsprobe» für die
Bevölkerung, soziale Kontakte zu vermeiden und zu Hause zu bleiben.
Vereinzelt hatten Städte wie Köln, Dortmund, Bochum, Leverkusen und
Gelsenkirchen auch verschärfte Regeln für Treffen von Gruppen auf
Plätzen und in Parks erlassen.
In Dortmund zog die Polizei am Sonntag ein erstes positives Fazit.
Die Appelle von Stadt und Polizei schienen nachhaltig gewirkt zu
haben, teilte die Polizei mit. «Die Dortmunder haben verstanden, dass
die Situation ernst ist und reagieren besonnen», sagte
Polizeipräsident Gregor Lange. Seit der Nacht auf Samstag gilt in
Dortmund ein generelles Ansammlungsverbot. Zur Minimierung der
Ansteckungsgefahr ist es verboten, dass mehr als vier Menschen im
Freien zusammenkommen. Lediglich in drei Fällen habe die Polizei
Strafanzeigen wegen des Verstoßes gegen das Infektionsschutzgesetz
stellen müssen.
Wie die NRW-Innenstädte schien das Ausflugsziel Dreiländereck bei
Aachen am Sonntag fast schon ein wenig verwaist, gemessen an dem
tollen Wetter: geschlossene Cafés, keine Menschentrauben, kein
Betrieb - sondern Wanderer und Radfahrer, oft zu zweit oder in der
Familie, berichtete eine dpa-Reporterin.
SPD und Grüne im NRW-Landtag sorgen sich allerdings um die Sicherheit
von Frauen, die in der Corona-Krise vermehrt Opfer häuslicher Gewalt
werden könnten. Nach Angaben der SPD sind zurzeit fast alle autonomen
Frauenhäuser in NRW voll belegt. Nur in Aachen gebe es noch Plätze.
Die frauenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Anja Butschkau,
will, dass die Landesregierung für mehr Kapazitäten sorgt, «indem zum
Beispiel Hotels für Schutzräume angemietet werden.» Die
Grünen-Expertin Josefine Paul ergänzte: «Frauenhäuser sind gerade i
n
der aktuell angespannten Situation absolut systemrelevant. Deshalb
muss auch den Kindern von Mitarbeiterinnen in Frauenhäusern im Rahmen
der Notfallbetreuung der Zugang zu entsprechenden Plätzen ermöglicht
werden.»