Neun Tote in Pflegeheim - Patientenschützer alarmiert

Alte und Kranke zählen zur Hauptrisikogruppe bei einer Infektion mit
dem neuartigen Coronavirus. Seit Tagen grassiert Sars-CoV-2 in einem
Pflegeheim in Würzburg. Die Zahl der Infizierten und auch Todesfälle
ruft Patientenschützer wie Politiker gleichermaßen auf den Plan.

Würzburg (dpa) - Der Tod von neun Menschen aus einem Würzburger
Pflegeheim nach einer Infektion mit dem Coronavirus hat
Patientenschützer und Politiker alarmiert. Die Deutsche Stiftung
Patientenschutz rief Bund und Länder auf, endlich überzeugende
Maßnahmen zum Schutz von Pflegebedürftigen gegen das Coronavirus
einzuleiten.

Die leitende Stiftungsdirektorin, die für die Altenpflegeeinrichtung
verantwortlich ist, hatte der Deutschen Presse-Agentur am Freitag
gesagt, alle Verstorbenen hätten Vorerkrankungen gehabt und seien
über 80 Jahre alt gewesen. Auf der Infektionsstation der Uniklinik
Würzburg werden nach ihren Angaben derzeit noch fünf Patienten aus
dem Heim behandelt. Zehn weitere Bewohner des Heimes seien positiv
getestet und bedürften umsichtiger Pflege. Der Stiftungsdirektorin
zufolge sind zudem mehr als 20 Pflegekräfte mit positivem Test auf
das neuartige Virus Sars-CoV-2 in Quarantäne zu Hause.

Das Universitätsklinikum Würzburg teilte am Wochenende mit, die
Infektionsquelle sei unbekannt. Weiter hieß es: «Die Infektionswelle
hat die Altenpflegeeinrichtung getroffen, als Covid-19 in Deutschland
noch eine Rarität war.» Alle hygienisch notwendigen Maßnahmen würde
n
ergriffen - aber der Kampf der Ärzte und des Pflegepersonals gegen
die Krankheit sei in einem Pflegeheim noch weitaus schwieriger «als
in den rund um die Uhr mit ärztlichem und pflegerischem Fachpersonal
für Infektionskrankheiten ausgestatteten Kliniken».

Die leitende Stiftungsdirektorin war am Sonntag zunächst nicht für
Anfragen zu erreichen. Ein Sprecher der Stadt verwies für aktuelle
Angaben ebenfalls an die Frau. Der Würzburger Oberbürgermeister
Christian Schuchardt (CDU) ist der Stiftungsratsvorsitzende.

Nach früheren Angaben des Landesamts für Gesundheit und
Lebensmittelsicherheit gelten in dem Heim seit dem ersten Todesfall
besondere Schutzvorkehrungen, wie seit dem 12. März ein striktes
Besuchsverbot. Die Bewohner würden isoliert und dürften ihre Zimmer
nicht verlassen. Die Patientenräume würden von Pflegekräften nur in
Schutzanzügen und mit Atemschutzmasken betreten. Auch
Reinigungskräfte trügen Schutzkleidung. Weil infiziertes Personal in
Quarantäne sei, würden Mitarbeiter aus anderen Einrichtungen des
Heimträgers in dem Haus eingesetzt, hatte die Direktorin gesagt.

Mit der Verschärfung der staatlichen Vorgaben hat die bayerische
Regierung am Freitag generell Besuche in Pflegeheimen,
Seniorenresidenzen und Krankenhäusern untersagt. Ausgenommen sind
lediglich Geburts- und Kinderstationen für engste Angehörige sowie
Palliativstationen und Hospize, wenn Angehörige im Sterben liegen.

Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, sprach
von einem «Weckruf» und mahnte: «Höchstbedenklich ist, dass
infizierte Bewohner weiter im Pflegeheim bleiben können.» Bund und
Länder müssten in der Corona-Krise jetzt verstärkt die Pflege in den

Blick nehmen. Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sei
gefordert. Der Deutschen Presse-Agentur sagte Brysch: «Es ist
unverantwortlich, dass der Notfallplan zum Schutz der 800 000
Pflegebedürftigen und 764 000 Beschäftigten aus dem Jahr 2013 immer
noch nicht angepasst wurde.» Der Plan sei damals erstellt worden, um
eine Grippewelle abzuwehren. Diese Menschen lebten auf engstem Raum
in den 13 700 Pflegeheimen. Sie seien eine Hochrisikogruppe.

Die in dem Notfallplan festgelegten Minimalstandards werden laut
Brysch seit Wochen nicht mehr eingehalten. «Es fehlen Mundschutz und
Schutzkleidung für die Beschäftigten und die infizierten Bewohner.
Von den jetzt notwendigen Spezialbrillen kommt gar nichts vor Ort
an.» Fraglich sei auch, ob es im Krisenfall sinnvoll sei, dass jeder
Pflegebedürftige einen eigenen Arzt habe. «Da ist Chaos
vorprogrammiert», sagte der Stiftungsvorstand. «Es gilt, die
Pflegebedürftigen und ihre Helfer wirksam zu schützen. Sonst kommt es
zu einem Flächenbrand, der zu viele Opfer kosten wird.»