Milliardenhilfen gegen Wirtschaftsabsturz - Corona-Notpakete geplant Von Andreas Hoenig, Theresa Münch und Basil Wegener, dpa

Es sind dramatische Tage. In der Coronavirus-Krise mit ihren
drastischen Einschränkungen des öffentlichen Lebens droht eine
riesige Pleitewelle. Die Regierung stemmt sich mit aller Macht
dagegen. Doch reichen die geplanten Maßnahmen aus?

Berlin (dpa) - Mit milliardenschweren Notpaketen will die
Bundesregierung in der beispiellosen Coronavirus-Krise Firmen und
Jobs schützen. Ziel ist es, einen dauerhaften Schaden für den
Wirtschaftsstandort zu verhindern. Das Kabinett will am Montag
Zuschüsse für Kleinstfirmen und Solo-Selbstständige auf den Weg
bringen. Großunternehmen sollen über einen Fonds notfalls auch durch
Verstaatlichungen gerettet werden können. Die Regierung plant
außerdem Nachbesserungen bei Kreditprogrammen für kleine und mittlere
Firmen, damit diese nicht in Finanznot geraten.

Angesichts der massiven Beschränkungen im öffentlichen Leben mit
Schließung vieler Geschäfte und Fabriken kämpfen viele Firmen ums
Überleben. In vielen Branchen sind Aufträge und Umsätze drastisch
eingebrochen, Deutschland wird nach Überzeugung vieler Ökonomen und
der Regierung in eine tiefe Rezession rutschen.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag warnte vor einer
«Pleitewelle unvorstellbaren Ausmaßes». DIHK-Präsident Eric
Schweitzer sagte, die betroffenen Firmen bräuchten ganz schnell
Liquidität. «Wir müssen daher im Interesse aller vermeiden, jetzt
hunderttausende eigentlich kerngesunde Unternehmen für immer zu
verlieren.» Ein Überblick über die Maßnahmen der Regierung:

MILLIARDENPAKET FÜR KLEINE FIRMEN:

Für Kleinstfirmen und Solo-Selbstständige, die keine Kredite erhalten
und nicht über Sicherheiten verfügen, soll es laut Kabinettsvorlage
direkte Zuschüsse geben. Firmen mit bis zu fünf Beschäftigten sollen

eine Einmalzahlung von 9000 Euro für drei Monate bekommen, Firmen mit
bis zu zehn Beschäftigten 15 000 Euro. Das Geld soll dem Vernehmen
nach bereits im April fließen.

Voraussetzung sollen wirtschaftliche Schwierigkeiten infolge der
Coronavirus-Krise sein: Die Unternehmen sollen eine Existenzbedrohung
oder einen Liquiditätsengpass eidesstattlich versichern. Der Bund
will bis zu 50 Milliarden Euro bereitstellen und rechnet mit einer
maximalen Ausschöpfung von drei Millionen Selbstständigen und
Kleinstunternehmen.

STABILISIERUNGSFONDS FÜR GROSSUNTERNEHMEN:

Die Bundesregierung plant außerdem einen Rettungsschirm für Firmen.
Ein «Wirtschaftsstabilisierungsfonds» (WSF) soll mit 400 Milliarden
Euro ausgestattet werden, mit denen Schuldtitel und Verbindlichkeiten
von Unternehmen übernommen werden. 100 Milliarden Euro will
Finanzminister Olaf Scholz (SPD) für Kreditermächtigungen für
Beteiligungsmaßnahmen an den Firmen bereitstellen. Weitere 100
Milliarden Euro sollen für Sonderprogramme der staatlichen
Bankengruppe KfW fließen.

Geraten deutsche Firmen in eine existenzielle Schieflage, kann die
Bundesregierung sie absichern - die Firma müsste dafür aber
Kapitalanteile an den Bund abtreten. Wenn die Krise vorbei ist,
sollen diese Beteiligungen wieder privatisiert werden. Welche
Konzerne unter diesen Rettungsschirm schlüpfen könnten, ist derzeit
unklar. Von der Coronavirus-Krise besonders hart betroffen ist aber
die Luftfahrt- und Reisebranche mit Flaggschiffen wie der Lufthansa.
Banken und Finanzkonzerne fallen nicht unter den Rettungsschirm.

Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte, die Regierung wolle
einen «Ausverkauf» deutscher Wirtschafts- und Industrieinteressen
verhindern. Denn in der Bundesregierung wächst die Sorge, dass
deutsche Unternehmen ins Übernahmevisier ausländischer Konzerne
kommen könnten - etwa von Staatskonzernen aus China.

NOTKREDITE FÜR KLEINE UND MITTLERE FIRMEN:

Die Bundesregierung hatte bereits unbegrenzte Kreditprogramme
beschlossen, um die Liquidität von Firmen zu sichern. Dabei soll es
nun Nachbesserungen geben, dies soll vor allem kleinen und mittleren
Firmen helfen. Die KfW soll bei Betriebsmittelkrediten statt wie
bisher 80 Prozent nun 90 Prozent des Kreditrisikos übernehmen. Die
EU-Kommission gab dazu am Sonntag grünes Licht.

Doch reicht das? DIHK-Präsident Schweitzer forderte, die
Bundesregierung solle alle Hilfen mit einer Staatsgarantie von 100
Prozent absichern. «Wenn Banken und Kreditinstitute wie in üblichen
Zeiten die Tragfähigkeit der Kredite und die geschäftlichen
Zukunftsaussichten der Betriebe prüfen müssen, verlieren wir
wertvolle Zeit und das Vertrauen in das eigentlich gute
Schutzschild-Paket der Bundesregierung. Das wäre fatal», sagte er.
Der Staat sei in der Krise weiterhin kreditwürdig, private Akteure
seien es nicht.

STAAT VERSCHULDET SICH HÖHER:

Um alle geplanten Maßnahmen zu finanzieren, muss das
Finanzministerium einen Nachtragshaushalt für das Jahr 2020
aufstellen. Gerechnet wird mit 122,8 Milliarden Euro mehr Ausgaben
als vor der Coronavirus-Krise geplant. Außerdem dürften wegen der
wirtschaftlichen Rezession 33,5 Milliarden Euro weniger an Steuern
reinkommen. Das kann der Bund nicht aus dem regulären Haushaltstopf
stemmen - deshalb soll er in diesem Jahr ausnahmsweise zusätzliche
Kredite in Höhe von rund 156 Milliarden Euro aufnehmen dürfen.

Das ist wegen der Schuldenbremse im Grundgesetz nicht einfach so
möglich - sie erlaubt zwar in kleinem Rahmen neue Schulden, doch
diese Grenze soll nun deutlich um etwa 100 Milliarden gebrochen
werden. Deshalb will Finanzminister Olaf Scholz (SPD) das Kabinett
und den Bundestag bitten, eine Notfallregelung in Kraft zu setzen.

Laut Gesetz ist das möglich etwa im Fall von Naturkatastrophen oder
außergewöhnlichen Notsituationen, die sich «der Kontrolle des Staates

entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen».
Damit fällt nach sechs Jahren ohne neue Schulden die «schwarze Null»

im Bundeshaushalt - und dann gleich mit einer Rekord-Neuverschuldung.

DEBATTE UM «CORONA-BONDS»:

Die Pandemie belastet alle Euro-Staaten massiv, vor allem Italien.
Führende Ökomonem forderten in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung
»,
es seien nun Gemeinschaftsanleihen notwendig, um die «Kosten der
Krise auf viele Schultern» zu verteilen. Auch in der Finanzkrise
waren solche Eurobonds im Gespräch, kamen dann aber nicht. Vor allem
in Deutschland gab es heftigen Widerstand, weil dadurch Risiken
vergemeinschaftet würden.