Weltmeister für Olympia-Verschiebung - Segler im Corona-Wartestand Von Tatjana Pokorny, dpa

Deutschlands Olympia-Segler bereiten sich im Ausnahmezustand auf
Tokio 2020 vor. Und auch Greta-Thunberg-Skipper Boris Herrmann kämpft
in der Corona-Krise mit seinem Team Malizia gegen die Folgen der
Pandemie.

Hamburg (dpa) - Segel-Weltmeister Philipp Buhl hält sich mit
Outdoor-Training im heimischen Allgäu oder auf der Fahrradrolle fit -
und plädiert für eine Verschiebung der Sommerspiele. «Olympia hat
eine höhere Mission als nur die Medaillenvergaben. Olympia soll die
Welt zusammenbringen und auch das ist aktuell kaum mehr möglich»,
sagte der 30 Jahre alte Laser-Segler aus Sonthofen, der normalerweise
in Kiel trainiert.

Doch wegen der Corona-Pandemie ist der Bundesstützpunkt in Kiel und
viele deutsche Sporthäfen geschlossen. «Wenn die Hälfte der Athlete
n
sich nicht mehr vernünftig qualifizieren und nicht mehr zielführend
trainieren kann, sind das schwerwiegendere Probleme als
Event-Überschneidungen oder mediale Engpässe», sagte Buhl am Sonntag.


Medizinstudent Erik Heil, Olympia-Dritter von 2016 und mit Vorschoter
Thomas Plößel aus Berlin erneut Medaillen-Favorit, dirigiert die
logistischen Olympia-Aufgaben von seiner Kieler Wohnung aus. Plößel
hat sich an die Mecklenburgische Seenplatte ins elterliche
Ferienhäuschen zurückgezogen, beendet dort seine Masterarbeit und
härtet sich beim Schwimmen im sechs Grad kalten See ab. «Die
Sportwelt scheint stillzustehen. Die Olympia-Absage erscheint
möglich. Wir planen aber solange 100 Prozent für Tokio, bis wir etwas
anderes hören», sagte Steuermann Heil.

Für die Monate März bis Mai mussten bereits Qualifikations-Regatten
abgesagt werden. Ursprünglich hatten der Weltseglerverband und auch
der Deutsche Segler-Verband (DSV) die zeitnahe Präsentation von
Alternativ-Rennen angekündigt. Doch wegen der Unwägbarkeiten in
Corona-Zeiten gibt es noch keine neuen Termine.

Das Besondere des Segelsports besteht in dem notwendigen Transport
von Booten, der Kontinent-übergreifend nicht spontan möglich ist.
Deshalb sind alternative Qualifikations-Regatten nur schwer zu
organisieren. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat den
Qualifikations-Zeitraum bereits bis zum 30. Juni verlängert. Doch
auch das wird kaum reichen.

Die Absagewelle hat auch den Profisegelsport getroffen. Davon
betroffen ist der Hamburger Solo-Skipper Boris Herrmann, der 2019 die
schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg unter Segeln über den
Atlantik gebracht hate. Der 38-Jährige will vom 8. November als
erster deutscher Solo-Skipper am Nonstop-Meeresmarathon um die Welt,
dem Vendée-Globe, teilnehmen. Die beiden Transit-Rennen von Brest
nach New York und zurück nach Les Sables-d'Olonne als Vorbereitung
werden im Mai und Juni voraussichtlich ausfallen.

Aktuell organisiert er sein dezimiertes Kernteam auf der Werft im
bretonischen Lorient von daheim in der Hamburger Hafencity. In
Frankreich steht der seit Dezember 2019 laufende Umbau von Herrmanns
Yacht «Malizia II» vor der Vollendung.

In der vergangenen Woche konnte das verbliebene Bootsbauer-Quartett
in letzter Minute die neuen Foils (Tragflächen für die Yacht) vom
Produzenten abholen, bevor der seinen Betrieb einstellte. Herrmann
will sich im Fall der Transit-Absagen für eine Alternativregatta über
rund 2000 Seemeilen im Sommer stark machen. 

Zugleich weiß er seine Situation einzuordnen. «Wir befinden uns in
einer Zeit, in der es schwer ist, Schicksale miteinander zu
vergleichen», sagt er. «Was wir tun, ist immer noch Sport. Gibt es
Absagen, ist das für unterschiedliche Menschen unterschiedlich
schlimm. Es gibt aber Schlimmeres.»

Inmitten der Coronakrise darf Herrmann auch privates Glück
erleben: Am 13. März heiratete er seine Lebensgefährtin Birte
Lorenzen, Anfang Juni erwartet das Paar sein erstes Kind.