Corona-Folgen im Handel: «Spuckschutz», Abstandsregeln, Leergutmangel Von Marco Krefting und Martin Oversohl, dpa

Abstand halten lautet die Devise in Corona-Zeiten, das gilt auch für
den Handel. Supermärkte rüsten entsprechend auf. Doch sie haben noch
weitere Probleme - und an manchen sind die Kunden nicht unbeteiligt.

München (dpa) - Mit Mundschutz schiebt ein Mann seinen Einkaufswagen
durch die Regalgänge. Schilder in Geschäften appellieren an Menschen,
Abstand zu halten oder erstmal zu klingeln. Das sind im Handel wegen
der Coronavirus-Krise inzwischen übliche Szenen. Um die Ausbreitung
des Virus Sars-CoV-2 einzudämmen, ergreifen auch die Supermärkte in
Deutschland allerhand Maßnahmen: Abstandsmarkierungen am Boden,
«Spuckschutz» an den Kassen, mehr bargeldloses Bezahlen sowie
Desinfektionsmittel und Handschuhe für Mitarbeiter. Doch die Läden
haben auch noch mit anderen Problemen zu kämpfen: Mitarbeiter sind
erschöpft, einige Kunden «hamstern» und Leergut fehlt.

Zum Schutz der Kassierer und Kassiererinnen werden in vielen Filialen
von Aldi, Lidl, Netto, Rewe und Penny derzeit Plexiglasscheiben als
«Spuckschutz» an den Kassen installiert, wie eine Umfrage der
Deutschen Presse-Agentur unter Supermarkt- und Discounterketten am
Wochenende ergab. Der Hintergrund: Das neuartige Coronavirus wird vor
allem durch Tröpfcheninfektion übertragen.

«Als eine von vielen Präventionsmaßnahmen werden kurzfristig
zusätzliche Desinfektionsmittel sowie Einmalhandschuhe zum Schutz
unserer Mitarbeiter zur Verfügung gestellt», erklärte ein Sprecher
von Aldi Nord. Solche Maßnahmen haben auch die anderen Unternehmen
getroffen. Überall werde den Kunden zudem empfohlen, möglichst ohne
Bargeld zu bezahlen, sondern stattdessen mit Karte - damit es wenig
direkten Kontakt zwischen Menschen gibt. Kein befragtes Unternehmen
gab jedoch an, dass Kundenströme durch Zutrittsbeschränkungen
gedrosselt würden.

Zum Schutz der Kunden lassen die Ketten im Kassenbereich vieler
Filialen Fußbodenmarkierungen verkleben, bei den
Netto-Marken-Discount-Filialen einer Sprecherin zufolge
beispielsweise im Abstand von zwei Metern. Ähnliche Hinweise werden
in Aldi- und Lidl-Filialen angebracht. Die Netto-Sprecherin verwies
zudem auf Selbstbedienungskassen in mehr als 100 Netto-Filialen.

Eine Sprecherin von Aldi Süd erklärte: «Wir bitte unsere Kunden auch,

auf die wichtigen Hygiene- und Abstandsregeln zu achten.» Dabei geht
es etwa um die sogenannte Husten- und Niesetikette: in die Armbeuge
statt in die Hand oder gar völlig ungeschützt quer durch den Raum.

Um den Andrang in Supermärkten zu entzerren, hat Bayern die möglichen
Ladenöffnungszeiten ausgeweitet - auch auf Sonn- und Feiertage. Doch
davon macht keines der befragten Unternehmen Gebrauch. «Unsere
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter brauchen Ruhephasen, um Kräfte zu
sammeln, sich zu erholen, Zeit mit ihren Partnern und Familien zu
verbringen», erläuterte die Sprecherin von Aldi Süd.

Zusätzlich zu schaffen machen den Läden sogenannte Hamsterkäufe -
etwa bei Klopapier. Zu einem besonders ungewöhnlichen Vorgehen greift
Einzelhändler Michael Glück im rheinland-pfälzischen Rengsdorf: Er
verlangt ab der zweiten Packung Klopapier einen Aufschlag, um
Hamsterkäufer abzuschrecken, wie er der dpa sagte. Eine Lieferung sei
innerhalb von fünf bis zehn Minuten ausverkauft. Das führe auch zu
Streit. «Es herrscht Krieg um Klopapier. Die Kunden holen sich das
gegenseitig aus dem Einkaufswagen», sagte Glück. Mancherorts wird nun
hart durchgegriffen: Die Stadt Hanau und der Kreis Marburg-Biedenkopf
in Hessen etwa wollen Hamsterkäufe unterbinden.

Der Präsident des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und
Katastrophenhilfe, Christoph Unger, sagte dem «Tagesspiegel am
Sonntag»: «Vorratshaltung ist gut, Hamstern ist unsinnig.». Natürli
ch
könnten mal Backhefe oder Mehl ausverkauft sein. «Grundsätzlich ist
die Lebensmittelversorgung jedoch nicht gefährdet.» Es gibt Unger
zufolge im Moment auch «keine Planung, die staatlichen
Nahrungsmittelreserven in irgendeiner Form anzutasten». Die
Notreserven sind für die Versorgung der Bevölkerung im Krisenfall
gedacht.

Doch nicht nur Klopapier, Mehl und Nudeln werden gebunkert: Die
Getränkebranche appelliert an ihre Kunden, Getränke nicht massenweise
in Kellern und Kammern zu lagern. Es müsse ausreichend Leergut in den
Kreislauf des Mehrwegsystems zurückkommen, sagte Julian Schwarzat vom
Bundesverband des Deutschen Getränkefachgroßhandels (GFGH).
Angespannt sei die Lage vor allem bei Mineralwasser, wenngleich das
System nicht vor dem Kollaps stehe.

Verbraucher sollten beim Einkauf das genutzte Leergut bei Mehrweg -
Flaschen ebenso wie Kästen - «so bald wie möglich wieder über den
Handel zurückzubringen», fordern große Verbände wie der GFGH, der
Deutsche Getränke-Einzelhandel und der Verband Deutscher
Mineralbrunnen in einer gemeinsamen Erklärung. Es gebe aber trotzdem
ausreichend Nachschub, versicherten die Branchenvertreter.

Ein findiger Getränkehändler aus Stuttgart verbindet die Sorge um das
Leergut unterdessen mit dem Run auf das Produkt der Stunde: «Kunden,
die bei uns Leergut zurückbringen, bekommen als Belohnung eine Rolle
Toilettenpapier», sagte Hans-Peter Kastner. Er habe gleich eine ganze
Ladung von dem begehrten Gut in Krisenzeiten im Internet bestellt.