Weiter Debatte um Ausgangsbeschränkungen - wenige Verstöße

Wenn sich Bundeskanzlerin Angela Merkel an diesem Nachmittag mit den
Ministerpräsidenten telefonisch berät, werden auch verschärfte
Ausgangsbeschränkungen auf der Tagesordnung stehen. Die Appelle der
vergangenen Tage scheinen allerdings geholfen zu haben.

Berlin (dpa) - Vor den Beratungen der Ministerpräsidenten mit
Bundeskanzlerin Angela Merkel gibt es aus mehreren Bundesländern
Meldungen, dass verschärfte Ausgangsbeschränkungen weitgehend
eingehalten werden. In der Telefonkonferenz (ab 14.00 Uhr) soll es
vor allem darum gehen, ob es bundesweit einheitliche Regelungen geben
wird. Neben Merkel nehmen auch die für den Kampf gegen die
Ausbreitung des Coronavirus wichtigsten Minister teil.

Einige Bundesländer - allen voran Bayern - haben ihre Bestimmungen
bereits verschärft. Die Polizei in Bayern verzeichnete nach eigenen
Angaben nur vereinzelte Verstöße gegen die Ausgangsbeschränkungen.
Generell seien die Menschen diszipliniert und würden sich an die
Auflagen halten, ergaben Nachfragen bei den Polizeipräsidien am
Sonntagmorgen. Bei den Verstößen handelte es sich demnach um
Einzelfälle. Ähnliches wurde aus anderen Ländern berichtet.

In der Debatte um Ausgangsbeschränkungen hatten sich in den
vergangenen Tagen zahlreiche Politiker zu Wort gemeldet.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) will in der
Corona-Krise möglichst auf Ausgangssperren verzichten. Ausschließen
könne man derzeit zwar nichts, aber solche Sperren würden bedeuten,
dass die Menschen ihre Wohnungen so gut wie gar nicht mehr verlassen
dürften, sagte der SPD-Politiker der «Welt am Sonntag». «Stellen Si
e
sich einmal vor, dass Familien mit mehreren Kindern in engen
Wohnungen ohne Balkon und Garten gar nicht mehr an die frische Luft
gehen könnten. Das ist über einen längeren Zeitraum kaum
vorstellbar.»

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) forderte
einheitliche Regelungen: «Gefragt sind landesweite oder besser noch
bundesweite Regelungen, die Ansammlungen von Menschen und öffentliche
Treffen von mehreren Personen verbieten. Eine allgemeine
Ausgangssperre sei allerdings «derzeit nicht vernünftig», sagte er
der «Welt am Sonntag. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU)
forderte Sanktionen für Verstöße gegen Ausgangsbeschränkungen: «N
ur
wenn Recht mit Sanktionen auch konsequent durchgesetzt wird, sind wir
erfolgreich im Kampf gegen das Virus», sagte er der «Bild am Sonntag»

Die Lage sei ernst. «Es geht um Leben und Tod.»

Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) begründete die in
seinem Bundesland am Freitag erlassenen verschärften Maßnahmen in der
«Bild am Sonntag» mit der mangelnden Einsicht vieler Bürger: «Viele

Menschen haben das verstanden, doch bei vielen sind unsere Appelle
auf taube Ohren gestoßen.» An schnellen und harten
Ausgangsbeschränkungen führe kein Weg vorbei.

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD)
forderte ein abgestimmtes Handeln und kritisierte das Vorpreschen von
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU): «In dieser Situation
der maximalen Verunsicherung in der Bevölkerung müssen wir für die
größtmögliche Klarheit sorgen. Dazu brauchen wir eine einheitliche
Linie im Grundsatz und die Möglichkeit, auf regionale Besonderheiten
adäquat reagieren zu können. Ein Überbietungswettbewerb bei
einschränkenden Maßnahmen ist dabei genauso wenig hilfreich, wie
Leichtsinn», sagte sie der «Bild am Sonntag».

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) forderte von den Regierungschefs
der Länder klare und allgemeinverständliche Ansagen, wenn sie wegen
der Corona-Krise Ausgehbeschränkungen und Verbote verkünden. «Es ist

wichtig, dass die zuständigen Spitzen der Verwaltung ihre
Entscheidungen erklären und klarstellen, dass Verstöße gegen
Ausgehbeschränkungen auch geahndet werden», sagte der
stellvertretende GdP-Vorsitzende Jörg Radek der Deutschen
Presse-Agentur.

Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina sprach sich am
Samstag vorsichtig für verschärfte Maßnahmen aus. «Es deutet sich a
n,
dass zum jetzigen Zeitpunkt ein deutschlandweiter temporärer Shutdown
(ca. 3 Wochen) mit konsequenter räumlicher Distanzierung aus
wissenschaftlicher Sicht empfehlenswert ist», heißt es in einer
Stellungnahme der Akademie. «Dabei müssen notwendige und
gesundheitserhaltende Aktivitäten weiterhin möglich bleiben.»