Livemusik-Fans auf Entzug: Die besten Konzertfilme für Corona-Zeiten Von Werner Herpell, dpa

Viele Musiker setzen in der Corona-Zwangspause auf Internet-Streams
aus leeren Räumen. Doch für Rock- und Popfans auf Livemusik-Entzug
gibt es noch andere Alternativen: Die besten Konzertfilme - von The
Beatles bis zum «Boss».

Berlin (dpa) - Es ist natürlich eine feine Sache, im Netz nun viele
Musiker zu sehen, die gegen die Corona-Krise anspielen oder ansingen
und so ihre Zwangspause überbrücken. Doch der wahre Fan wird trotz
solcher Bilder aus leeren Konzertsälen, Kellerräumen oder Wohnzimmern
Live-Feeling vermissen. Eine gute Gelegenheit, die besten Auftritte
aus Rock und Pop im TV, per Stream oder DVD zu sehen: Filmtipps in
chronologischer Reihenfolge - von den Beatles über Highlights von The
Band, Talking Heads und Prince bis Rammstein und Bruce Springsteen.

- THE BEATLES «Eight Days A Week - The Touring Years» (1963 bis
1966/2016): Auch beim Konzertfilm waren die «Fab Four» Pioniere und
ließen Auftritte der «Beatlemania»-Zeit Anfang/Mitte der Sixties
festhalten. Regisseur Ron Howard schilderte 2016 die Tourneejahre der
Pilzköpfe aus Liverpool. Eine begeisternde Dokumentation über die
beste Popband aller Zeiten im Live-Modus, der 1967 de facto endete.

- DIVERSE «Woodstock» (1970): Gerade erst feierte der Mythos
Woodstock seinen 50. Geburtstag. Das wichtigste Festival der Pop- und
Rockgeschichte wurde im dreistündigen Konzertfilm «Woodstock - 3 Days
Of Peace & Music» (Regie: Michael Wadleigh) festgehalten - eine
essenzielle Rock-Doku. Wer speziell an US-Gitarrengott JIMI HENDRIX
interessiert ist, sollte auch dessen «Live At Woodstock '69» sehen.

- ARETHA FRANKLIN «Amazing Grace» (1972/2019): Nach Soul-Welthits wie
«Respect» oder «I Say a Little Prayer» kehrte die US-Sängerin 197
2 zu
ihren Gospel-Wurzeln zurück. «Amazing Grace» ist eine Sternstunde von

Franklins Kunst. Die Live-Aufnahmen von Hollywood-Regisseur Sidney
Pollack kamen erst voriges Jahr angemessen restauriert in die Kinos.
Mitreißend und in seiner Intensität tief berührend.

- THE BAND «The Last Waltz» (1978): Das Abschiedskonzert des
Quintetts, das als Begleiter von Bob Dylan und mit tollen Band-Alben
bekannt wurde. Der fünfstündige Auftritt mit zahllosen prominenten
Gästen wie Dylan, Joni Mitchell, Eric Clapton, Neil Young und Van
Morrison am 25. November 1976 in San Francisco ist legendär - ebenso
wie der fantastische Konzertfilm von Regie-As Martin Scorsese.

- TALKING HEADS «Stop Making Sense» (1984): Vielen gilt dieses Werk
des erst später berühmten Regisseurs Jonathan Demme als bester
Konzertfilm überhaupt. Der Faszinationskraft und Magie des Auftritts
der New Yorker New-Wave- und Funkband um Sänger/Performer David Byrne
kann man sich bis heute nicht entziehen. Fast ohne Blick ins Publikum
- volle Konzentration auf brillante Musiker in absoluter Bestform.

- PRINCE «Sign O' The Times» (1987): Noch ein Fall für die ewigen
Bestenlisten des Livemusik-Films. Die teilweise nachbearbeiteten
Konzertaufnahmen aus Rotterdam und Antwerpen konzentrieren sich auf
Stücke des gerade aktuellen Prince-Albums und einige Klassiker des
Crossover-Genies. Die Energie und Kreativität des Songwriters,
Sängers und Multiinstrumentalisten sind immer wieder atemberaubend.

- NIRVANA «MTV Unplugged In New York» (1994): Nur ein halbes Jahr
nach diesem Konzert nahm sich der Held der Grunge-Generation, Kurt
Cobain, das Leben. Es dauerte bis November 1994, ehe die gesamte
MTV-Aufzeichnung veröffentlicht wurde. Die zurückgenommene,
weitgehend akustische Film-Performance steht bis heute als würdiges
Abschiedsdokument neben wütenderen, rockigen Nirvana-Auftritten.

- DAVID BOWIE «A Reality Tour 2003» (2004): Der Konzertfilm
dokumentiert Live-Eindrücke vom reifen, smarten Performer Bowie
(1947-2016), ehe er nach einer Herzattacke auf Tourneen verzichten
musste. Das «Pop-Chamäleon» lief mit 56 Jahren und einer tollen Band

im Rücken noch einmal zur Höchstform auf, der Auftritt enthält groß
e
Hits von «Rebel Rebel» über «Heroes» bis zu «Under Pressure».


- NEIL YOUNG «Heart Of Gold» (2006): Wieder ist es Jonathan Demme,
der - gut 20 Jahre nach David Byrne - einen großen Rockmusiker ins
beste Licht rückt. Das im Ryman Auditorium von Nashville/Tennessee
aufgezeichnete Young-Konzert enthält zunächst Lieder vom seinerzeit
aktuellen Folkrock-Album «Prairie Wind» sowie im zweiten Teil
Songklassiker des Kanadiers aus seiner langen Karriere.

- LED ZEPPELIN «Celebration Day» (2007/2012): Für ein Benefizkonzert

fanden sich die britischen Seventies-Rockhelden Robert Plant, Jimmy
Page und John Paul Jones nochmal zu einem Londoner Auftritt zusammen,
der innerhalb von Minuten ausverkauft war. Die Live-DVD wurde erst
fünf Jahre später veröffentlicht und zeigt in gut zwei Stunden die
ganze Klasse dieser bahnbrechenden Band.

- THE ROLLING STONES «Shine A Light» (2008): Nach «The Last Waltz»

zeigte Martin Scorsese nochmals, wie gut er Rockmusik in Kinobilder
übersetzen kann. Der Stones-Live-Film wurde im Herbst 2006 im New
Yorker Beacon Theatre gedreht, Weltpremiere war am 7. Februar 2008
zur Eröffnung der Berlinale. Ein Dokument der Langlebigkeit der
inzwischen längst ältesten Rockband der Welt.

- WILCO «Ashes Of American Flags» (2009): Für viele Fans ist das
US-Sextett aus Chicago die derzeit virtuoseste Rockband der Welt. Für
diese DVD wurden 2008 Auftritte der Wilco-Tournee in Washington D.C.,
Nashville, Mobile, New Orleans und Tulsa gefilmt. Das Schönste: Die
experimentierfreudigen Folkrocker um Jeff Tweedy haben bis heute
nichts von ihrer Studio- und Live-Qualität eingebüßt.

- MICHAEL JACKSON «This Is It» (2010): Durch die Vorwürfe des
Kindesmissbrauchs ist das Andenken an den «King of Pop» (1958-2009)
inzwischen getrübt. Als dieser Film herauskam, war die Trauer über
den frühen Tod des Jahrhundert-Sängers und -Entertainers noch ganz
frisch. Die Mischung aus Live-Mitschnitten und Jackson-Doku war nicht
jedermanns Sache - hochspannend bleibt «This Is It» gleichwohl.

- RAMMSTEIN «Paris» (2012/2017): Die brachiale Live-Wucht der
deutschen Rock-Weltstars fängt diese Dokumentation zu zwei
Paris-Konzerten und einer Generalprobe von 2012 ein. Die fünf Jahre
später veröffentlichte DVD enthält auch explizites Material wie «Me
in
Teil» oder «Bück Dich» - für Rammstein-Fans sind diese Provokatio
nen
aber wohl kaum ein Problem. Explosiv und verschwitzt.

- BRUCE SPRINGSTEEN «Western Stars - The Film» (2019): Es gibt
natürlich auch andere tolle Konzertdokumente vom «Boss», etwa
«Hammersmith Odeon, London '75» oder «Live In New York City» von
2001. Diese hochaktuelle Aufnahme des bisher letzten Soloalbums aus
einer Scheune auf Springsteens Ranchgelände - mit großem Orchester -
ist aber vielleicht die schönste von allen.