Brummende Geschäfte trotz Shutdowns - Wer von der Krise profitiert Von Larissa Schwedes, dpa

Industrie, Unternehmer und Freiberufler ächzen unter der Corona-Krise
wie unter keiner Herausforderung jemals. In einigen wenigen Branchen
läuft das Geschäft dafür auf Hochtouren.

Köln (dpa) - Fließbänder stehen still, Messen fallen aus,
Auftragskalender leeren sich, und der Einzelhandel bleibt vielerorts
schlichtweg dicht. Der wirtschaftliche Schaden der Corona-Krise
dürfte immens sein, täglich überbieten sich Politiker mit immer
größeren Rettungsschirmen. Und dann gibt es da noch jene, deren
Geschäft brummt wie nie.

ONLINE-HANDEL UND PAKETDIENSTE

Da Geschäfte in den Innenstädten geschlossen und Menschen zu Hause
bleiben, gibt die Krise dem Online-Handel noch einmal einen kräftigen
Schub. Zwar bekomme auch der Internethandel derzeit die generelle
Verunsicherung der Verbraucher zu spüren, sagt Branchenexperte Kai
Hudetz vom Kölner Institut für Handelsforschung (IFH). Aber wenn noch
etwas gekauft werde, dann besonders gerne im Internet. «Auch wenn das
Thema Coronavirus vorbei ist, wird weiterhin mehr online eingekauft
werden als vor der Krise», prognostiziert Hudetz.

Das fordert auch Paketzusteller wie die Deutsche Post, Hermes oder
DPD - die bislang noch überzeugt sind, auf eine mögliche Paketflut
vorbereitet zu sein. Der Marktführer Deutsche Post DHL spürt momentan
noch keinen signifikanten Anstieg des Paketvolumens. «Aber das kann
sich natürlich in den nächsten Tagen ändern», sagt ein
Unternehmenssprecher. Auf jeden Fall sei die Post gewohnt, mit
starken Schwankungen im Paketaufkommen umzugehen. «Wir können das
schultern.» Bei den Rivalen sieht es ähnlich aus.

LIEFERDIENSTE

Bei Lieferdiensten von Supermärkten wie Rewe ist es mittlerweile kaum
noch möglich, einen Termin zu bekommen. Ähnlich hoch ist die
Nachfrage nach Lieferangeboten von Restaurants, etwa über Lieferando.
Deren Boten sind mittlerweile angehalten, das Essen nur noch
abzustellen und nicht mehr direkt den Kunden zu übergeben. Auch die
Tiefkühlkost-Hersteller Eismann und Bofrost erleben einen Boom. Beide
machen derzeit rund doppelt so viel Umsatz durch Bestellungen wie zu
anderen Zeiten. Eismann hat sich dazu entschieden, kleinere
Bestellungen mit Vorrang zu bearbeiten. «Einzelne Personen bestellen
Tiefkühlkost für mehr als 400 Euro», so Geschäftsführer Elmar
Westermeyer. «Großbestellungen bedienen wir nachrangig.»

ONLINE-DIENSTE UND SOFTWARE-UNTERNEHMEN

Da etliche Büro-Jobs auf Homeoffice umstellen, sind Video- und
Chat-Programme für viele unverzichtbarer denn je. Microsoft spricht
von 37 Prozent mehr Nutzern der Bürokommunikations-Software Teams
binnen einer Woche. «Wir sehen definitiv einen Aufwärtstrend bei der
Nutzung», sagte auch die Finanzchefin der Videokonferenz-Software
Zoom. Davon liefe aber viel über die Gratis-Version. «Deshalb ist es
viel zu früh zu sagen, ob wir dadurch langfristig mehr zahlende
Kunden bekommen werden.»

SUPERMÄRKTE UND DROGERIEN

Wer in diesen Tagen in den Supermarkt geht, wird keinen Zweifel daran
haben, dass die Geschäfte glänzend laufen. Folgt man Experten der
Boston Consulting Group (BCG), können Lebensmittelhändler nicht nur
in Deutschland «über mehrere Wochen» mit einem Plus von 10 bis 15
Prozent rechnen. Allerdings darf man nicht den Fehler begehen,
Hamsterkäufe mit zusätzlichem Umsatz zu verwechseln: Bei wem sich
Nudeln und Klopapier stapeln, der kauft später weniger davon. Da
allerdings mittlerweile auch zunehmend Restaurants und Kantinen
geschlossen bleiben, brauchen die Bürger mehr Lebensmittel zuhause -
ein Plus für den Handel.

Tatsächlich deutlich mehr verkauft wird außerdem in Drogeriemärkten,

die in den vergangenen Tagen Mühe hatten, die leeren Klopapier- oder
Seifenregale zeitnah wieder aufzufüllen. Die Drogeriekette dm
verzeichnet eine im Vergleich zum Vorjahr stark gestiegene Nachfrage
nach Seife und Toilettenpapier. «So erklärt sich auch, dass diese
Produkte temporär in vielen Märkten nicht verfügbar waren oder sind
»,
sagt dm-Geschäftsführer Sebastian Bayer, ohne genauere Zahlen zu
nennen. Rossmann hat spezielle Pläne aktiviert, um dem Ansturm der
Kunden Stand zu halten.

HERSTELLER VON SCHUTZAUSRÜSTUNG UND HYGIENEMITTELN

Alle, die Atemmasken, Schutzanzüge und Hygienemittel herstellen, sind
ebenfalls gefragter denn je. Die Firma 3M stellt international, aber
auch am Standort Neuss, monatlich Millionen von Atemschutzmasken her.
«Die Nachfrage übersteigt jedoch derzeit die Kapazität», hieß es
von
einer Sprecherin. Gleiches gilt auch für das Luxemburger Dupont-Werk,
wo Mitarbeiter mittlerweile rund um die Uhr Schutzanzüge herstellen.
Sagrotan sprach schon Ende Februar, bevor die Krise richtig Fahrt
aufnahm, von einer «exponentiellen Zunahme» der Nachfrage nach
Desinfektionsmitteln.

HERSTELLER VON MEDIZINTECHNIK UND IMPFSTOFFEN

Wer auch nur im leisesten Verdacht steht, medizinisch etwas zur
Bekämpfung der Pandemie beitragen zu können, gehört in diesen Zeiten

zu den ganz großen Hoffnungsträgern. Nur eines von vielen Beispielen
ist das Tübinger Pharmaunternehmen CureVac, das seit Januar an einem
Impfstoff gegen den Erreger forscht. Die EU will bei der Entwicklung
mit bis zu 80 Millionen Euro helfen. Die Firma Qiagen mit Sitz in
Hilden stellt Test-Kits zur Erkennung von Covid-19 her und hat ihren
Betrieb der Krise angepasst: Sowohl in Hilden als auch am Standort
Barcelona arbeiteten die Mitarbeiter sieben Tage die Woche in drei
Schichten - außerdem seien neue hinzugekommen.