Vor Beratungen mit Merkel: Debatte um Ausgangsbeschränkungen

Bundeskanzlerin Merkel berät mit den Ministerpräsidenten an diesem
Sonntag über die Corona-Krise. Dabei geht es auch um
Ausgangsbeschränkungen. Im Vorfeld äußern sich mehrere Politiker
skeptisch.

Berlin (dpa) - Vor dem geplanten Gespräch von Bundeskanzlerin Angela
Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten an diesem Sonntag wird
intensiv über weitere Ausgangsbeschränkungen diskutiert.

- STEPHAN WEIL: Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil will in
der Corona-Krise möglichst auf Ausgangssperren verzichten.
Ausschließen könne man derzeit zwar nichts, aber Ausgangssperren
würden bedeuten, dass die Menschen ihre Wohnungen so gut wie gar
nicht mehr verlassen dürften, sagte der SPD-Politiker der «Welt am
Sonntag». «Stellen Sie sich einmal vor, dass Familien mit mehreren
Kindern in engen Wohnungen ohne Balkon und Garten gar nicht mehr an
die frische Luft gehen könnten. Das ist über einen längeren Zeitraum

kaum vorstellbar.»

- NORBERT WALTER-BORJANS mahnt angesichts des geplanten riesigen
Pakets an Not- und Schutzgesetzen in der Corona-Krise Schranken an.
«Der Ernst der Lage kann nicht groß genug eingeschätzt werden», sag
te
Walter-Borjans der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Der Kampf
gegen das Virus dulde keinen Aufschub. «Dabei wird es auch
gesetzliche Regelungen geben, die unsere individuellen Freiheiten
einschränken.» So groß der Handlungsdruck aber sei: «In einer
Demokratie dürfen solche Maßnahmen nur für eine sehr begrenzte Zeit
gelten und müssen strengen parlamentarischen Kontrollen unterliegen.»

- HEIKO MAAS: Auch Außenminister Heiko Maas (SPD) äußerte sich
zurückhaltend über eine allgemeine Ausgangssperre in Deutschland.
«Ich bin überzeugt, dass der ganz überwiegende Teil der Bürgerinnen

und Bürger die Lage sehr ernst nimmt. Sie handeln verantwortungsvoll
und sind solidarisch», sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
«Das ist die große, im Straßenbild eben unsichtbare Mehrheit. Es
kommt aber gerade an diesem Wochenende darauf an, dass alle die
Einschränkungen akzeptieren, damit sie wirken können.» Das werde
fortlaufend beurteilt, und das Handeln könne angepasst werden. «Wir
tun, was wirksam ist und was nötig ist.»

- HORST SEEHOFER: Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) mahnte,
die Corona-Schutzmaßnahmen strikt einzuhalten. «Wer sich jetzt
unvernünftig und dadurch grob rücksichtslos verhält, riskiert
Tausende Tote. Wir sind entschlossen, das zu verhindern», sagte
Seehofer der «Welt am Sonntag».

- HERBERT REUL: Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU)
forderte einheitliche Regelungen: «Gefragt sind landesweite oder
besser noch bundesweite Regelungen, die Ansammlungen von Menschen und
öffentliche Treffen von mehreren Personen verbieten. Eine allgemeine
Ausgangssperre mit unzähligen Ausnahmen vermittelt Scheinsicherheit.
Nicht überall, wo Ausgangssperre draufsteht, ist Ausgangssperre
drin», sagte Reul der «Welt am Sonntag». Die Rücksichtslosen
bräuchten ein klares Verbot, das tatsächlich kontrolliert werden
könne. «Aber deshalb muss nicht jedem einzelnen Bürger der Ausgang
durch den Staat verboten werden.» Eine allgemeine Ausgangssperre sei
daher «derzeit nicht vernünftig».

- ARMIN LASCHET: Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin
Laschet (CDU) forderte Sanktionen für Verstöße gegen
Ausgangsbeschränkungen: «Nur wenn Recht mit Sanktionen auch
konsequent durchgesetzt wird, sind wir erfolgreich im Kampf gegen das
Virus», sagte er der «Bild am Sonntag» Die Lage sei ernst. «Es geht

um Leben und Tod.»

- TOBIAS HANS: Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans (CDU)
begründete die in seinem Bundesland am Freitag erlassenen
verschärften Maßnahmen in der «Bild am Sonntag» mit der mangelnden

Einsicht vieler Bürger: «Viele Menschen haben das verstanden, doch
bei vielen sind unsere Appelle auf taube Ohren gestoßen.» An
schnellen und harten Ausgangsbeschränkungen führe kein Weg vorbei.

- MALU DREYER: Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu
Dreyer (SPD) forderte ein abgestimmtes Handeln und kritisierte das
Vorpreschen von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder: «In dieser
Situation der maximalen Verunsicherung in der Bevölkerung müssen wir
für die größtmögliche Klarheit sorgen. Dazu brauchen wir eine
einheitliche Linie im Grundsatz und die Möglichkeit, auf regionale
Besonderheiten adäquat reagieren zu können. Ein
Überbietungswettbewerb bei einschränkenden Maßnahmen ist dabei
genauso wenig hilfreich, wie Leichtsinn», sagte sie der «Bild am
Sonntag».

- JÜRGEN TRITTIN: Angesichts der derzeit geltenden unterschiedlichen
Regelungen bei Ausgangsbeschränkungen in den einzelnen Bundesländern
sagte der Grünen-Politiker Jürgen Trittin der Deutschen
Presse-Agentur: «Föderalismus heißt Verantwortung wahrzunehmen. Aber

es gibt kein Verbot, sich dabei abzusprechen. Und kein Gebot, dabei
immer vorzupreschen. Dennoch haben sich jetzt alle Bundesländer zu
bewähren, die Situation kann durchaus unterschiedlich sein von Land
zu Land.» In so einer Situation sollte man die Institutionen ihre
Arbeit machen lassen. «Mit Blick auf Frankreich, Spanien oder Italien
sehe ich zurzeit nicht die Überlegenheit des Zentralstaats.»