Leere Straßen, emsige Politik - Wie geht es in der Krise nun weiter? Von Basil Wegener, dpa

Ein gespenstisches Bild in vielen Städten: Ausgangsbeschränkungen
schaffen eine unwirkliche Atmosphäre. Jetzt könnten sie noch
drastischer werden. Gleichzeitig tut der Bund viel, um die Folgen
abzufedern.

Berlin (dpa) - Die Straßen sind weitgehend leer. Bürger und
Geschäftsleute sind besorgt - und die Infektionszahlen steigen. Die
Bundesministerien sind am Wochenende derweil im Dauerbetrieb. Die
Bundesregierung bereitet unter Hochdruck ein Riesenpaket an Hilfen
und Schutzmaßnahmen vor. An diesem Sonntag nun berät Bundeskanzlerin
Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten der Länder - ein
Überblick über die Lage und die Perspektiven.

Wie funktionieren die Ausgangsbeschränkungen bisher?

Überwiegend gut, wie die Behörden berichteten. Ob in Frankfurt,
Essen, Hamburg oder an der Spree im Berliner Regierungsviertel: Meist
waren es am Samstag nur einzelne Menschen, Paare oder Familien mit
Kindern, die zusammen unterwegs waren. In Bayern oder im Saarland
löste die Polizei mehrere Gruppen von zumeist Jugendlichen auf. Die
Warnungen und die steigenden Infektionszahlen scheinen ihre Wirkung
nicht zu verfehlen. Bis Samstag wurden mehr als 21 600 Infektionen
mit dem neuen Coronavirus bundesweit bekannt.

Welche Ausgangsbeschränkungen gibt es? 

Vorgeprescht ist Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Im
Freistaat ist das Verlassen der eigenen Wohnung seit Samstag nur noch
bei Vorliegen triftiger Gründe erlaubt - etwa der Arbeitsweg,
notwendige Einkäufe, Arzt- und Apothekenbesuche, Hilfe für andere,
Besuche von Lebenspartnern, aber auch Sport und Bewegung an der
frischen Luft. Dies aber nur alleine oder mit den Personen, mit denen
man zusammenlebt.

Wie ist die Lage in andern Ländern?

Auch hier gelten mittlerweile mehr oder weniger strenge Regeln. In
Baden-Württemberg sind Menschenansammlungen auf öffentlichen Plätzen

mit mehr als drei Personen verboten - Ausnahmen gibt es für Familien.
Auch in Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Hamburg und Hessen sind etwa
Restaurants, Biergärten und Cafés geschlossen. In Nordrhein-Westfalen
gilt in Köln, Leverkusen, Gelsenkirchen, Dortmund und Bochum:
Ansammlungen von mehr als zwei Personen sind verboten. Ab Sonntag
dürfen in Berlin keine Veranstaltungen, Versammlungen und
Ansammlungen mit mehr als zehn Personen mehr stattfinden. Gaststätten
mit Tischbetrieb müssen schließen - Speisen und Getränke gibt es nur

zur Abholung oder Lieferung.

Was ist von Merkel und den Ministerpräsident zu erwarten?

Es gibt also überall Beschränkungen - aber zugleich ein
Flickenteppich an Regelungen. Bundesweite Ausgangsbeschränkungen
stehen im Raum. Kommen einheitliche Auflagen? Kann der Bund mit
Mindestauflagen agieren - wenn es in einzelnen Ländern und Städten
strenge Regeln gibt, sich andere aber genau dagegen sperren? Zudem
gibt es andere Themen, die wegen der Krise zu besprechen sind - allen
voran das riesige Paket an Schutzschirmen und anderen Notmaßnahmen,
die nun auf den Weg kommen sollen.

Wie teuer sollen die Schritte werden? 

Das kann noch niemand sagen: Die Bundesregierung plant einen
Nachtragshaushalt von 156 Milliarden Euro für 2020. Mit mehr als 500
Milliarden Euro soll ein Wirtschaftsstabilisierungsfonds für
Unternehmen gefüllt werden. Kleinunternehmen und Selbstständige
sollen bis zu 15 000 Euro direkt bekommen.

Was ist für Mieter geplant?

Mietschulden infolge von Einkommensausfällen sollen nicht zur
Kündigung führen. Gelten soll dies für Mietschulden aus dem Zeitraum

vom 1. April bis 30. September 2020. Die Verpflichtung der Mieter zur
Zahlung der Miete soll zwar im Grundsatz bestehen bleiben. Aber die
Vermieter sind auf den Barrikaden: Der Präsident ihres Verbands Haus
& Grund, Kai Warnecke, sagt: «Die Bundesregierung will Menschen im
Stich lassen, die ihren Lebensunterhalt, Unterhaltspflichten und
sonstige Zahlungsverpflichtungen aus Mietzahlungen bestreiten.» Nur
eine Stimme von vielen, die die Maßnahmen für ihren eigenen Bereich
als zu klein oder gar schädlich kritisieren. Der Deutsche Mieterbund
begrüßte dagegen den Gesetzentwurf. Damit folge das Justizministerium
einem dringenden Appell des Deutschen Mieterbundes, so Präsident
Lukas Siebenkotten.

Was ist für Beschäftigte geplant?

Vor allem mit Kurzarbeit sollen Unternehmen Beschäftigte leichter
halten können - statt sie in die Arbeitslosigkeit zu schicken. Fällt
die Arbeit weg, bekommen Beschäftigte dann 60 Prozent des Lohns, mit
Kindern 67 Prozent. Einen leichteren Zugang zum Kinderzuschlag soll
es geben - und den Wegfall von Prüfungen für Hartz-IV-Anträge, damit

die Menschen im Notfall nicht ins Bodenlose fallen.

Was will die Regierung noch tun?

Sie will Deutschlands Krankenhäusern mit rund drei Milliarden Euro
helfen - diese finden das allerdings viel zu wenig.
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erklärte deshalb am
Samstagabend, dass man in einer Schalte mit den Gesundheitsministern
der Länder mehrere Änderungen an einem entsprechenden Gesetzentwurf
vereinbart habe. Daneben will der Bund zum Seuchenschutz umfassender
selbst durchgreifen können. Lockerungen soll es beim Insolvenzrecht
geben, so dass Firmen nicht so schnell vor dem Aus stehen.

Wann sollen die Maßnahmen auf den Weg kommen?

So schnell wie möglich - nach der Bund-Länder-Schalte will das
Kabinett die Gesetze am Montag auf den Weg bringen. Am Dienstag
sollen die Fraktionen des Bundestags darüber beraten, so gut es unter
den Vorsichtsmaßnahmen eben geht. Am Mittwoch soll der Bundestag in
Plenum und den wichtigsten Ausschüssen, am Freitag der Bundesrat
entscheiden.