Schließungen, Sperren, Verbote: Das Virus hat die Welt in Griff

Weltweit machen Länder dicht und verlangen ihren Bürgern im Kampf
gegen die Coronavirus-Pandemie weitreichende Einschränkungen ab.
Erste Regierungen fürchten eine zweite Ansteckungswelle. Andere
Länder sehen ihr Gesundheitssystem vor dem baldigen Kollaps.

Berlin (dpa) - Das Coronavirus hat praktisch alle Regionen der Welt
in Griff. Vielerorts wurde das öffentliche Leben am Wochenende weiter
eingeschränkt, um die Ausbreitung von Sars-CoV-2 zu verlangsamen. In
Staaten rund um den Globus wächst die Befürchtung, dass das eigene
Gesundheitssystem angesichts einer plötzlichen Vielzahl von
Schwerkranken kollabieren könnte.

Nach Angaben der US-amerikanischen Johns Hopkins University, die die
von den Regierungen gemeldeten Coronavirus-Daten sammelt, überschritt
die Zahl der weltweit Infizierten am Sonntag die Marke von 300 000.
An der vom Virus ausgelösten Lungenkrankheit Covid-19 sind demnach
bislang mehr als 13 000 Menschen gestorben.

AMERIKA

In den USA soll laut Berechnungen der «New York Times» zum Ende der
Woche jeder fünfte Bürger einer Ausgangssperre unterliegen. Nach
Kalifornien hatten zuletzt am Freitag die Bundesstaaten New York und
Illinois weitreichende Maßnahmen angekündigt, um die
Virus-Ausbreitung zu verlangsamen, und unter anderem Millionen
Einwohner angewiesen, zuhause zu bleiben.

In Brasilien gehen Experten davon aus, dass die Zahl der Infizierten
um ein Vielfaches höher ist als die etwas mehr als 1000, die bis
Sonntag bestätigt wurden. Doch in Südamerikas bevölkerungsreichstem
Land fehlen die Tests. Die Brasilianer haben einer Umfrage zufolge
Angst vor einer Corona-Ausbreitung und befürworten eine
vorübergehende Ausgangssperre. Doch Präsident Jair Bolsonaro
verharmloste die Pandemie erneut als «gripezinha», kleine Grippe.
Einzelne Gouverneure der Bundesstaaten setzten restriktive Maßnahmen
um. So verhängte der Gouverneur von São Paulo als erster eine
Ausgangssperre für 15 Tage. Andere Bundesstaaten schränkten die
Bewegungsfreiheit der Bevölkerung ein.

Auch andere lateinamerikanische Länder haben ihre Grenzen dicht
gemacht. Argentinien, Kolumbien oder Bolivien verhängten weitgehende
Ausgangssperren von bis zu drei Wochen. In Bolivien wurde die für den
3. Mai vorgesehene Präsidenten- und Parlamentswahlen auf einen noch
nicht festgelegten Termin verschoben.

In Argentinien waren den Einwohnern lediglich Besorgungen in nahe
gelegenen Lebensmittelgeschäften und Apotheken erlaubt. Polizisten
patrouillierten auf den Straßen, fast 250 Menschen waren am Freitag
wegen Verstößen gegen die Anordnung festgenommen worden.

FERNOST

China als Ausgangsort des Virus ist weiterhin das mit mehr als 81 350
Fällen am stärksten betroffene Land der Welt. Mittlerweile ist aber
nach offiziellen Angaben nur noch ein Bruchteil der neuen Infektionen
im Inland übertragen worden - die meisten sind laut der chinesischen
Gesundheitskommission «importierte» Fälle, also jüngst aus dem
Ausland nach China zurückgekehrte Erkrankte. Um eine sogenannte
zweite Welle der Ansteckung durch Einreisende zu verhindern, wurde
etwa für alle, die aus dem Ausland in die Hauptstadt reisen wollten,
eine Quarantäne angeordnet. Ab Montag sollen laut der
Flugaufsichtsbehörde alle internationalen Passagiere mit Ziel Peking
auf zwölf ausgewählte Eintrittspunkte umgeleitet werden und von dort
gegebenenfalls in die Hauptstadt weiterreisen dürfen.

Im Inselstaat Taiwan stieg die Furcht vor einer zweiten
Infektionsphase. Bei den täglich um die 16 neu hinzukommenden
Covid-19-Fällen handele es sich zumeist um Taiwaner, die von
Auslandsreisen zurückgekehrt seien, teilte Taiwans zentrales
Epidemien-Kommandozentrum (CECC) mit. Sie seien unterschiedlichen
Alters, von Menschen in den 20ern bis in den 70ern.

AUSTRALIEN

Auch Australien steht vor weiteren Einschränkungen. Premierminister
Scott Morrison forderte die Bürger am Sonntag auf, alle unnötigen
Reisen im Inland zu unterlassen. Gleichzeitig kündigte er drastische
Maßnahmen an, um die Menschen dazu zu bringen, voneinander Abstand zu
halten. Strikte Ausgangssperren in besonders vom Virus betroffenen
Gebieten wollte er nicht ausschließen. Versammlungen im Freien von
mehr als 500 Menschen sind verboten, im geschlossenen Raum dürfen
nicht mehr als 100 zusammenkommen.

Viele Strände rund um die Metropole Sydney wurden gesperrt, darunter
auch der berühmte Bondi Beach, wo sich davor noch tausende
Strandgänger getummelt hatten. Weil immer noch Besucher die
Strand-Absperrungen ignorierten, kündigte die Polizei ein hartes
Durchgreifen an. Auch wer gegen die Anweisung zur Selbst-Isolation
verstößt, muss im Bundesstaat New South Wales sogar mit einer
Gefängnisstrafe von bis zu sechs Monaten rechnen.

SÜDOSTASIEN

Auch südostasiatische Länder verstärkten ihre Maßnahmen gegen die
Virus-Ausbreitung. In Thailands Hauptstadt Bangkok sollten
Einkaufszentren und Restaurants ab Sonntag geschlossen bleiben. Dicht
machten auch alle Bildungseinrichtungen und Ausstellungen der Stadt.
Der Billigflieger Thai AirAsia kündigte an, alle internationalen
Flüge in Thailand vom 22. März bis zum 25. April auszusetzen.

Vietnam setzte alle internationalen Flüge aus. Zudem sollten alle
Einreisenden ab Samstag zunächst in eine 14-tägige Isolation gehen.

In Malaysia meldete das Gesundheitsministerium einen weiteren
sprunghaften Anstieg der Infizierten. Allein 90 der neu
hinzugekommenen hätten sich bei einer islamischen Zeremonie nahe
Kuala Lumpur Ende Februar angesteckt, an der rund 15 000 Menschen aus
ganz Südostasien teilgenommen hatten. Nachdem sich die Fallzahl in
einer Woche vervierfacht hatte, gelten seit Mittwoch weitreichende
Schließungen und Ausgangsbeschränkungen.

SÜDASIEN

In Indien waren am Sonntag mehr als eine Milliarde Menschen
aufgerufen, eine Quarantäne von 7 bis 21 Uhr einzuhalten.
Premierminister Narendra Modi appellierte an die Bevölkerung, dabei
zu helfen, dass die Ansteckungskette des Coronavirus unterbrochen
werde. Fernsehbilder zeigten verwaiste Sehenswürdigkeiten, Straßen
und Marktplätze in der Hauptstadt Neu Delhi und weiteren Metropolen
wie Mumbai und Kolkata. Allerdings machten sich auch viele von
Schließungen betroffene Arbeiter und Studenten auf den Weg in ihre
Heimatregionen.

Ab Sonntag gilt in Indien eine zunächst einwöchige Sperre für alle
internationalen Flüge. Auch die Bahngesellschaft Indian Railways
kündigte die komplette Einstellung ihrer Verbindungen bis Monatsende
an. Im bevölkerungsreichsten Land der Welt nach China liegt die Zahl
der bestätigten Fälle bislang nur bei etwas mehr als 330 Infizierten.
Eine hohe Dunkelziffer wird befürchtet.

VORDERASIEN/NAHOST

Aus der Türkei können nach Angaben der Nachrichtenagentur Anadolu 46
weitere Länder nicht mehr angeflogen werden, nachdem Ankara bereits
Flüge in 22 Staaten, darunter auch Deutschland, untersagt hat. Unklar
ist, wie lange die Flugsperre in Kraft sein soll. In der Türkei, in
der sich die bestätigten Coronavirus-Fälle nunmehr fast täglich
verdoppeln, sind die meisten öffentlichen Plätze geschlossen und
Sportveranstaltungen sowie Gebetsversammlungen abgesagt worden.
Präsident Recep Tayyip Erdogan rief die Bevölkerung per
Audio-Botschaft auf Twitter auf, «das Haus außer für absolut
Notwendiges nicht zu verlassen.»

Mehrere arabische Länder verhängten zum Teil drastische
Ausgangssperren. In Jordanien verhaftete die Polizei am Samstag mehr
als 227 Menschen, die gegen die am Morgen begonnene Ausgangssperre
verstoßen hätten. Sicherheitskräfte patrouillierten nach einem
Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Petra im Land, um die
Einhaltung der Ausgangssperre zu überwachen.

AFRIKA

In Afrika - wochenlang ein ziemlich weißer Fleck auf der
Infektions-Weltkarte - sind nunmehr in fast allen Ländern Fälle von
Sars-CoV-2 nachgewiesen worden. Insgesamt gab es auf dem Kontinent
nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation mittlerweile mehr als
1000 nachgewiesene Infizierte. Kongo und Simbabwe meldeten am
Wochenende ihre ersten Corona-Toten, ebenso die bei Urlaubern
beliebte Insel Mauritius.

In Nordafrikas bevölkerungsreichsten Land Ägypten ordneten die
religiösen Autoritäten am Wochenende die zweiwöchige Schließung der

Moscheen und Kirchen an. Auch die koptisch-orthodoxe Kirche teilte
mit, keine öffentlichen Gottesdienste mehr abzuhalten. Nach
offiziellen Angaben sollen sich in Ägypten knapp 300 Menschen mit dem
Corona-Erreger infiziert haben.