Mehr Verbote, mehr Kontrollen und Schlangen - aber Strobl zufrieden

Auf den Samstag sollte es ankommen, hatte Ministerpräsident
Kretschmann gewarnt. Eine Chance wollte er noch geben, damit sich
auch die Uneinsichtigen an die Regeln halten im Kampf gegen das
Coronavirus. Das Wetter dürfte die Entscheidung erleichtert haben.

Stuttgart (dpa/lsw) - Eine letzte Chance sollte der Samstag sein.
Eine letzte Möglichkeit, um die scharfen Regeln in der Corona-Krise
zu befolgen und die befürchteten Ausgangssperren zu verhindern. Mit
Blick auf das Verhalten der Menschen nicht nur in Baden-Württemberg
will die Politik in Bund und Ländern heute (Sonntag) über
drastischere Maßnahmen zum Schutz gegen das Virus entscheiden.
Zuletzt hatte die Landesregierung daher schärfere Regeln beschlossen,
um die Unvernünftigen zur Raison zu bringen. Gruppenbildung ist nicht
mehr erlaubt, damit das Ansteckungsrisiko reduziert wird.

Die Polizei war am Samstag mit verstärkten Kräften unterwegs, um zu
kontrollieren. Dutzende Male mussten die Beamten eingreifen - aber
Innenminister Thomas Strobl zeigte sich in einer ersten Bilanz
zurückhaltend zufrieden. «Die strengen Maßnahmen machen nur Sinn,
wenn sie auch befolgt werden», sagte der CDU-Politiker der Deutschen
Presse-Agentur. «Mein erster Eindruck ist: Das ist überwiegend der
Fall.»

Nach der neuen Regelung sind Menschenansammlungen von mehr als drei
Personen auf öffentlichen Plätzen nicht mehr erlaubt. Ausnahmen gebe
es für Familien. Gaststätten und Restaurants müssen von diesem
Samstag an schließen. Essen zum Mitnehmen ist laut Kretschmann aber
weiter erlaubt. Verstöße können nach Angaben Strobls mit Bußgeldern

bis zu 25 000 Euro und auch mit mehrjährigen Haftstrafen geahndet
werden.

Ziel auch der jüngsten Verbote ist es, die Sorglosen zu überzeugen,
die sich trotz des Ansteckungsrisikos und schon bestehender Verbote
immer noch in größeren Gruppen treffen. Vor allem sollen die
Infektionsketten durchbrochen und das Tempo der Ansteckungen
gedrosselt werden. Die Ministerpräsidenten wollen sich am Sonntag mit
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über die Frage einer Ausgehsperre
abstimmen. «Der morgige Samstag wird dafür entscheidend sein», hatte

Kretschmann in einer TV-Ansprache am Freitagabend betont.

Um Klarheit in der Frage zu bringen, welche Unternehmen schließen
müssen, hat das Wirtschaftsministerium am Samstag auch eine
Auslegungshilfe mitsamt einer Liste von Ausnahmen veröffentlicht.
Vollständigkeit könne jedoch angesichts der Vielfalt von Betrieben
und Branchen nicht garantiert werden, hieß es: Die Liste werde von
der Landesregierung kontinuierlich aktualisiert. Zu jenen, die
schließen müssen, gehören nun auch Friseure, Blumenläden und
Massagestudios, während beispielsweise Hofläden und Kioske weiterhin
Waren anbieten können.

Aber nicht nur beim täglichen Einkauf und beim Feiern gibt es nun
stärkere Einschränkungen. Gottesdienste und andere religiöse
Veranstaltungen in Kirchen, Moscheen und Synagogen sind ab sofort
grundsätzlich untersagt, wie es in der Verordnung heißt, die am
Samstag in Kraft getreten ist. Ausnahmen seien unter anderem
unaufschiebbare Zeremonien wie Taufen und Eheschließungen im engsten
Familien- und Freundeskreis mit nicht mehr als fünf Teilnehmern sowie
Gottesdienste im kleinsten Rahmen zur Aufzeichnung und medialen
Verbreitung. Auch Erd- und Urnenbestattungen sowie Totengebete sind
erlaubt, wenn sie unter freiem Himmel mit nicht mehr als zehn
Teilnehmern stattfinden.

In Baden-Württemberg steigt die Zahl der Infektionen mit dem
Coronavirus rasant. 23 infizierte Menschen sind mit Stand
Samstagabend bislang gestorben, mehr als 3800 haben sich mit dem
Virus angesteckt.

Besonders schlimm wütet das Virus im benachbarten Elsass. Baden-
Württemberg will deshalb schwerkranke Corona-Patienten aus Frankreich
in Kliniken aufnehmen. Dafür habe das Gesundheitsministerium die
Krankenhäuser im Südwesten gebeten, freie Beatmungsbetten zu melden,
berichtete die «Schwäbische Zeitung». Ein Regierungssprecher
bestätigte auf Anfrage, das Gesundheitsministerium sei beauftragt
worden, mit der Bitte auf die Krankenhäuser zuzugehen.

Vier Universitätskliniken in Freiburg, Heidelberg, Mannheim und Ulm
erklärten, sofort neun Patienten aus dem benachbarten Elsass
aufzunehmen, die dringend auf Beatmung angewiesen sind, wie das
baden- württembergische Wissenschaftsministerium am Samstag
in Stuttgart mitteilte.