«Wir erkennen ein Umdenken» - Behörden kontrollieren Corona-Auflagen

Überall wird derzeit das Motto ausgerufen: Wir bleiben zu Hause!
Damit soll die Ausbreitung des Coronavirus eingedämmt werden. Doch
die Ordnungshüter bleiben gerade nicht drin, sondern kontrollieren
verstärkt. Wie lautet ihr Zwischenfazit?

Magdeburg (dpa/sa) - Die Polizei und das Ordnungsamt intensivieren am
Wochenende ihre Präsenz in Sachsen-Anhalt, um die Beschränkungen
gegen die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus zu kontrollieren.
Dabei gehe es auch um Aufklärung, teilte das Innenministerium mit.
Die Landkreise wollen künftig vermehrt kontrollieren, ob sich
Infizierte und Verdachtsfälle an die angeordnete heimische Quarantäne
halten, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab. Bisher
meldete Halle 47 Verstöße, die meisten anderen Behörden kontrollieren

bisher nur stichprobenartig und telefonisch.

In Magdeburg nimmt das Ordnungsamt am Wochenende vor allem
öffentliche Plätze ins Visier, wie der Leiter des Außendienstes, Gerd

vom Baur, sagte. Während es am Mittwoch noch viele Diskussionen mit
uneinsichtigen Personengruppen gegeben habe, sei seither eine
spürbare Besserung zu erkennen. Eine Ausgangssperre hält er
persönlich zunächst nicht für nötig. «Wir sollten das Wochenende

abwarten und in Ruhe auswerten, wir erkennen ein Umdenken», sagte er.

Einer der Ordnungshüter, die derzeit in langen Schichten in Magdeburg
kontrollieren, ist René Schröter. Der rothaarige Mann ist seit zwei
Jahren beim Amt und seit diesem Jahr Gruppenleiter. Normalerweise
werde er wegen störenden Lärms gerufen, stelle Hunde sicher oder
suche in Wohnungen von verstorbenen Alleinstehenden nach wichtigen
Dokumenten. Seit Mittwoch kontrolliert er die gesperrten Spielplätze
und öffentlichen Plätze auf Verstöße. Teams des Spezialdienstes sin
d
bei den Gewerbetreibenden unterwegs.

Magdeburg sei in drei Gebiete eingeteilt und jedes Team übernehme die
Streifen in einem Bereich, erzählte Schröter. Am Freitag ist er mit
seinem Kollegen Nils Schufft sowie zwei Polizisten unterwegs. Die
Spätschicht geht von 13.30 Uhr bis 22.00 Uhr. Egal, welchen
Spielplatz sie anfahren: Es herrscht gähnende Leere. Die meisten
Spielplätze sind mit Flatterband abgesperrt, bei einem, an dem diese
sichtbare Barriere noch fehlt, rollt Schufft das rot-weiße Band aus.

Die meisten Menschen reagierten verständnisvoll, wenn sie vom
Ordnungsamt angesprochen werden, erzählte Schröter. «Wichtig ist,
dass wir sie nicht von oben herab ansprechen, sondern ruhig erklären,
warum das jetzt nötig ist.» Als zwei Passantinnen mit Kinderwagen und
kleinem Kind die Kontrolleure am Spielplatz passieren, zeigen sie
Verständnis für die Sperrungen. Es sei sinnvoll, das Virus
einzudämmen, sagt eine. Solange es keine Ausgangssperre gebe, könne
sie ihren fünfjährigen Jungen auch mit dem Roller beschäftigen. Doch

je länger die Einschränkungen dauerten, desto mehr würden den Kindern

und Familien die Spielplätze zum Austoben fehlen.

Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) appelliert seit Tagen, sich
auf die nötigsten Erledigungen zu beschränken und Abstand zu anderen
Menschen zu halten, um das Ansteckungsrisiko zu minimieren. Sollten
sich die Sachsen-Anhalter nicht an die Vorgaben halten, erwägt der
Regierungschef auch eine Ausgangssperre. Im Saarland und in Bayern
gelten seit Samstag bereits strenge Ausgehbeschränkungen. Dort dürfen
die Menschen ihre Wohnungen nur noch aus triftigen Gründen verlassen.

In Deutschland steigt die Zahl der nachgewiesenen Sars-CoV-2-Fälle
ebenso wie in Sachsen-Anhalt. Am Samstagabend meldete
Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) 253 Corona-Fälle im
Land. Die meisten davon seien nach wie vor Reiserückkehrer. Mehr als
2250 Menschen in Sachsen-Anhalt sind in amtlich angeordneter
häuslicher Quarantäne.

Um die Corona-Pandemie einzudämmen, sind Schulen und Kitas seit
Anfang der Woche geschlossen. Kultur-, Freizeit-, und
Sporteinrichtungen müssen ebenso schließen wie viele Läden, Bars und

Kneipen. Auch Touristen und Kurgäste dürfen seit Samstag nicht mehr
in Sachsen-Anhalt übernachten. Versammlungen und Veranstaltungen mit
mehr als 50 Menschen sind verboten.

Viele Behörden ziehen bisher eine positive Zwischenbilanz. So nutzen
nur sehr wenige Eltern, die in unverzichtbaren Berufen arbeiten, die
Möglicheit, ihre Kinder trotz Schulschließungen in den Einrichtungen
betreuen zu lassen, wie das Bildungsministerium auf Anfrage der dpa
mitteilte. Einer Abfrage vom Freitag zufolge kamen nur rund 650 der
fast 177 800 Kinder und Jugendlichen in die Notbetreuung.

Bei den Kontrollen am Freitag stellte das Ordnungsamt Magdeburg
insgesamt vier Verstöße fest. Zwei Gaststätten und ein Laden waren
trotz Verbots geöffnet gewesen, auf einem Spielplatz habe sich
außerdem eine Person aufgehalten. Davor hatte das Ordnungsamt nur
Platzverweise und Schließungsanordnungen verhängt, wie
Außendienst-Leiter vom Baur sagte. Zwangsgelder wegen wiederholter
Verstöße seien noch nicht nötig gewesen. Allerdings würden alle
Verstöße angezeigt, sagte er weiter. Bis Freitag seien das schon an
die 100 gewesen.

Die Situation fordert das Ordnungsamt. Es werden kaum noch
Falschparker und fehlende Parkscheine kontrolliert, weil das Personal
mit auf Streife geht, sagte vom Baur. Zudem gebe es nur wenige
Schutzmasken für die Kolleginnen und Kollegen. «Eine gewisse
Unsicherheit ist da, wie auch bei Verkäuferinnen und
Krankenschwestern», sagte vom Baur. «Aber wir versuchen, unsere
Kräfte nicht in unübersichtliche Situationen zu schicken.»