Drogenhilfe und Prostitution: Bahnhofsviertel im Corona-Krisenmodus Von Isabell Scheuplein und Arne Dedert

Die Corona-Pandemie trifft auch den Rotlichtbezirk am Frankfurter
Hauptbahnhof. Bordelle müssen ebenso wie Restaurants und Clubs
geschlossen bleiben. Die Versorgung der Drogenabhängigen will die
Stadt aber aufrechterhalten.

Frankfurt/Main (dpa/lhe) - Geschlossene Bars, verrammelte
Rotlicht-Betriebe, aber Menschentrauben vor den Räumen für
Drogenkonsum: Die Corona-Krise hat auch das Frankfurter
Bahnhofsviertel erfasst. Viele der Straßen sind selbst am Abend wie
leer gefegt. Zettel hängen an den Türen, geschlossen sei aus
«Sicherheitsgründen» heißt es an einem Laufhaus für Prostituierte
in
der Taunusstraße. Die fehlenden Verdienstmöglichkeiten verursachen
Existenzängste. «Die Frauen sind schon seit Wochen mit einer immer
stärker nachlassenden Nachfrage konfrontiert gewesen», sagt Juanita
Henning vom Hilfeverein Doña Carmen.

«Die Häuser haben zugemacht und ein großer Teil der Frauen ist nach
Hause gefahren», berichtet sie. Diejenigen, die noch da seien,
müssten Gelder vom Staat beantragen. Viele arbeiteten als
Solo-Selbstständige, für die Zuschüsse und Darlehen in Aussicht
gestellt worden seien. Auch von Entschädigungszahlungen für
Infizierte sei die Rede gewesen. «Ob die Frauen etwas bekommen, ist
aber dahingestellt.»

Henning fordert, die Stadt müsse die Registrierungspflicht für
Prostituierte einstellen. «Es ist wichtig, dass die Frauen, wenn sie
sich krank fühlen, einen Ansprechpartner haben, dem sie vertrauen und
an den sie sich anonym wenden können.» Mehr als 2800 Prostituierte
seien in Frankfurt erfasst.

«Im Moment geht gar nichts, hier herrscht Totentanz», sagt eine Frau,
die nach eigenen Angaben seit 40 Jahren als selbstständige
Prostituierte arbeitet und anonym bleiben will. «Da kommen natürlich
Existenzängste», sagt die 60-Jährige. «Man hängt völlig in der
Luft.»
Hilfe seitens der Politik sei bei ihr noch keine angekommen. Nun gehe
es auf das Monatsende zu, die Miete werde fällig. Lange könne sie
sich nicht über Wasser halten, sagt die Frau. «Und wer weiß, wie
lange das alles dauert.»

In Hessen müssen Prostitutionsstätten, Bordelle und ähnliche
Einrichtungen seit 18. März geschlossen sein, die Regelung gilt für
einen Monat. Prostitution an sich ist nicht untersagt. Der Verein
Doña Carmen mahnt aber, sich gut zu überlegen, weiter sexuelle
Dienstleistungen anzubieten. Das Virus dürfe nicht unterschätzt
werden.

Im Bahnhofsviertel gibt es auch mehrere Hilfsangebote und Konsumräume
für Drogenabhängige. «Wir sind bemüht, alles an Angeboten aufrecht
zu
erhalten, was geht», sagt Gabi Becker von der Integrativen
Drogenhilfe (IDH). Das gelte auch für Obdachlosen-Unterkünfte. «Es
wird aber immer schwieriger.» Mitarbeiter würden krank, und
Desinfektionsmittel seien schwer nachzubestellen. Schützende Masken
oder Kleidung seien weder vorhanden noch verfügbar.

In den insgesamt vier Frankfurter Konsumräumen, von denen sich drei
im Bahnhofsviertel befinden, können sich Schwerstabhängige unter
hygienischen Bedingungen und legal Drogen verabreichen. Dort werde
nun nach Möglichkeit auf ausreichend Abstand geachtet, sagt Becker.
Die Zahl der Plätze, an denen die Abhängigen Drogen wie Heroin oder
Crack konsumieren können, sei dazu reduziert worden. Zu beobachten
ist allerdings, dass die Abhängigen auf der Straße vor den Räumen
weiterhin eng beieinander stehen.

Obdachlose hätten kein Zuhause, in das sie gehen könnten, sagte
Becker mit Blick auf die Aufforderung, derzeit zur Vermeidung einer
Infektion daheim zu bleiben. Auch Sucht bleibe bestehen. Verwaiste
Innenstädte bedeuteten wegbrechende Einnahmen. Komme es zu
verschärften Bedingungen wie etwa einer Ausgangssperre, gehe sie
davon aus, dass die Arbeit der Drogenhilfe erlaubt bleibe, sagte
Becker: «Wir können die Leute nicht einfach vor die Tür setzen.»

Das Gesundheitsdezernat erklärte, die Angebote sollten «so lange wie
möglich offengelassen werden, da sie absolut essenziell für die
Abhängigen sind». Zugleich seien Maßnahmen zum Schutz der Mitarbeiter

ergriffen worden.