Toys, Kondome und die Krise - Was Corona mit Sex und Erotik macht Von Anne Pollmann und Katharina Redanz, dpa

Bordelle haben geschlossen, Sexkinos und Erotikshops machen dicht.
Auch die Erotikbranche ist stark vom Coronavirus betroffen - in ganz
unterschiedlicher Weise.

Berlin (dpa) - Quarantäne, Ausgehsperren und soziale Isolation - seit
dem Ausbruch der Corona-Pandemie verbringen viele Menschen mehr Zeit
zu Hause. Beschäftigungsmöglichkeiten gibt es viele. Steigende
Verkaufszahlen bei vielen Erotik-Onlineshops lassen Vermutungen
darüber zu, womit sich der eine oder die andere derzeit die freie
Zeit vertreibt. Gleichzeitig trifft die Krise viele Sexarbeiterinnen
hart.

Sexspielzeuge etwa verkaufen sich derzeit besonders gut. Die
Bestellzahlen bei dem Online-Erotikshop «Eis.de» haben sich eigenen
Angaben zufolge parallel zum Auftauchen des Coronavirus verdoppelt.
Besonders beliebt seien aktuell Druckwellen-Vibratoren. Auch im
Onlineshop von Orion ist mehr los seit der Corona-Krise, sagt eine
Sprecherin. Verkaufs-Hits seien derzeit ein Vibrationskissen zur
Stimulation von Anus und Vulva und ein per Fernbedienung steuerbarer
Paarvibrator.

Sexualtherapeutin Ulrika Vogt wundert das nicht. Ob allein oder mit
mehreren, «beim Sex und besonders beim Orgasmus werden etliche
positive Hormone ausgeschüttet. Das gibt den Leuten ein
selbstbewusstes Gefühl und beruhigt, und das ist besonders jetzt
wichtig», sagt Vogt. Menschen hätten nun mehr Zeit und könnten die
unter anderem dafür nutzen, ihre eigene Sexualität zu erweitern, «und

vielleicht auch die Spielzeugsammlung».

Auch der Kondomfabrikant Ritex merkt das Voranschreiten der Pandemie
in Deutschland deutlich: «Wir verzeichnen tatsächlich im laufenden
Monat einen drastischen Umsatzanstieg bei den Kondomen», teilt eine
Sprecherin mit. Im Vergleich zum Vorjahresmonat hätten sich die
Umsätze fast verdoppelt. «Besonders stark haben sich Großpackungen
verkauft.» Auch Gleitgel werde mehr nachgefragt.

Dass in Deutschland neben Toilettenpapier und Nudeln auch Kondome
gehamstert werden, vermutet auch der Berliner Kondomhersteller
Einhorn. Seit dem vergangenen Wochenende steigen die Verkaufszahlen
der fairen Kondome spürbar, sagt ein Sprecher.

Auch Pornos stehen derzeit hoch im Kurs. So berichtet Erika Lust,
Produzentin feministischer Pornos, dass mehr Menschen ihre Filme
abrufen als sonst. Seit dem Covid-19-Ausbruch seien die
Streaming-Zeiten auf ihren Plattformen um 20 bis 30 Prozent
gestiegen. Das Erotikfilm-Portal «Pornhub» hatte vor einigen Tagen
über Twitter verkündet, dass Menschen, die in Italien leben, nun bis
Anfang April kostenlose Premium-Zugänge erhalten sollten.

«Das kann wirklich eine zumindest kurzfristige Beruhigungsmaßnahme
sein», sagt Sexualtherapeutin Vogt. Auf vielen Portalen gebe es schon
Corona-Unterkategorien, in denen Darsteller etwa Mundschutz und
Plastikhandschuhe tragen würden. Danach werde besonders in
Krisengebieten in Italien und Spanien häufig auf den einschlägigen
Portalen gesucht.

Für einige Sexarbeiter und Sexarbeiterinnen hat die Pandemie
drastische Auswirkungen. «Ich habe einfach keine Arbeit», sagt
Sexarbeiterin Marlen, die ihren vollen Namen an dieser Stelle nicht
lesen möchte. Sie habe ein paar Rücklagen und könne zumindest ein
paar Wochen pausieren. Andere könnten das nicht. Vor einigen Tagen
haben Bund und Länder entschieden, Bordelle zu schließen. Viele
Sexarbeiterinnen wohnen auch dort, einige hätten nun keine Unterkunft
mehr, heißt es aus mehreren Beratungseinrichtungen. Sexarbeiterinnen
und Sexarbeiter, die keine andere Wahl hätten, gingen nun zu deutlich
niedrigeren Preisen arbeiten. «Die ärmsten der Armen trifft es dann
wieder besonders hart», sagt Marlen.

Auch der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen (BesD)
sorgt sich. «Bei unserer Arbeit können wir keinen Abstand zu den
Gästen halten», hieß es in einer Mitteilung. Der Verband empfiehlt
darum, sexuelle Dienstleistungen mit Körperkontakt vorübergehend
einzustellen. «Wir wissen natürlich, dass viele Kolleg*innen über
keine ausreichenden Rücklagen verfügen und auf die Einnahmen aus der
Sexarbeit dringend angewiesen sind. Hier kämpfen wir gerade um
Regelungen für Ausgleichszahlungen.»

Die Empfehlung, soziale Kontakte einzugrenzen, scheint Dating-Apps
nicht zu schaden: Bei den Plattformen «Tinder» und «OkCupid» etwa i
st
mehr los als sonst. Beide Plattformen berichten, dass die
Nutzungszahlen seit einigen Wochen steigen.

Kleinen Läden macht die Pandemie das Leben hingegen schwer. Uwe
Kaltenberg, Geschäftsführer des Bundesverbands Erotikhandel, sorgt
sich besonders um die Sexshops, die jetzt schließen müssen. Auch sie
verkaufen Spielzeuge, Wäsche und allerhand Zubehör. Einen Online-Shop
haben die meisten aber nicht. «Die haben kaum Rücklagen.» Der Boom
bei den einen bedeutet Krise für die anderen: Die Lage für die
Inhaber sei «einfach katastrophal».