Versorgungs-Kits und Hotels: So helfen Städte in Europa Obdachlosen Von Carola Frentzen, Petra Kaminsky und Amelie Richter, dpa

Zu Hause bleiben und sozialen Kontakt vermeiden ist derzeit die
Ansage für Deutschland und andere europäische Länder. Damit soll di
e
Verbreitung des neuen Coronavirus gebremst werden. Wie aber ergeht es
Menschen, die kein Zuhause haben?

Paris (dpa) - Im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus haben es
Menschen ohne feste Unterkunft besonders schwer, sich zu isolieren.
In Deutschland fordern Politiker und Verbände neue
Unterkunftsangebote nach dem Auslaufen der Kältehilfe. Eine
allgemeine Ausgangssperre, wie sie in mehreren europäischen Staaten
bereits verhängt wurde, verschärft die Lage der Obdachlosen dort. Das
unternehmen europäische Städte, um zu helfen:

SPANIEN: Im Madrider Messegelände Ifema wurden 150 Feldbetten für
Obdachlose aufgestellt, die keine Covid-19-Symptome haben. Auch ein
Hotel und eine Pension in der Hauptstadt hätten ihre Pforten für
wohnsitzlose Menschen geöffnet, so das Blatt «ABC». Die Regierung
kündigte an, im ganzen Land täglich an bestimmten Punkten Kits mit
Hygieneartikeln, Lebensmitteln und Getränken zu verteilen. Dort
können sich Obdachlose auch die Temperatur messen lassen und über das
Virus informieren. «Obdachlose sind extrem verwundbar und brauchen
unseren Schutz», sagte Madrids Vize-Bürgermeisterin Begoña Villacís
.

Viele Obdachlose leben in Madrid aber trotz Ausgangssperre weiter auf
der Straße - und ziehen sich die Decke fest über den Kopf oder
versuchen sich in selbstgebauten Unterkünften aus Plastik und
Pappkartons zu schützen. Das Portal «20minutos» zitierte einen
Betroffenen: «Es tut weh, ohne ein Dach über dem Kopf alles zu tun,
um sich zu isolieren - und dann Leute zu sehen, die ein Haus haben
und die Maßnahmen nicht befolgen.» Zudem mache es vielen Obdachlosen
zu schaffen, dass auch die öffentlichen Toiletten geschlossen wurden:
«So können wir uns nicht zivil verhalten.»

FRANKREICH: Allein in der französischen Hauptstadt Paris leben nach
Angaben der Stadt mehr als 3500 Menschen ohne einen festen Wohnsitz.
Landesweit seien Notunterkünfte in Turnhallen geöffnet, sagte der für

Wohnungsbau zuständige Minister Julien Denormandie am Freitag dem
Radiosender Sud Radio. Diese seien aber für Obdachlose gedacht, die
nicht an Covid-19 erkrankt seien. Für Menschen mit einer nicht schwer
verlaufenden Infektion müssten auch Hotelzimmer zur Verfügung stehen,
damit sie isoliert werden könnten, forderte Denormandie in der
Tageszeitung «Le Parisien». Cannes stellt sein riesiges
Kongresszentrum zur Verfügung, in dem im Mai das berühmte
Filmfestival hätte stattfinden sollen, das wegen der Corona-Pandemie
erstmal verschoben wurde. Wie die Verwaltung der Stadt an der Côte
d'Azur erklärte, soll das rund 35 000 Quadratmeter große Zentrum ab
diesem Wochenende sowohl Obdachlose beherbergen als auch im
gegebenenfalls zu einer provisorischen Krankenstation umfunktioniert
werden.

Der Staat müsse außerdem Freiwillige und Angestellte gemeinnütziger
Einrichtungen für Obdachlose mit Schutzausrüstung gegen das
Coronavirus ausstatten, sagte die Bürgermeisterin von Paris, Anne
Hidalgo, der Zeitung. Auch die Winterunterkünfte der Stadt sollten
nun länger geöffnet bleiben. In seinem Becher lande wegen der
Ausgangssperre weniger Kleingeld, sagte ein Betroffener am Ufer der
Seine. Ein großes Problem sind zudem die geschlossenen öffentlichen
Toiletten, wie der Mann sagte.

ITALIEN: In der Stadt Verona hat man sich entschieden, die
Obdachlosenunterkünfte länger als üblich zu öffnen. Es gebe dort
städtische Unterkünfte mit rund 250 Betten. Diese würden jetzt den
ganzen Tag offen sein, statt nur nachts, teilte die Stadt mit.

Besonders die katholische Kirche schlug im März mehrmals Alarm:
Menschen ohne eigene Wohnung, ohne Rücklagen und ohne regelmäßiges
Einkommen würden während des Gesundheitsnotstandes doppelt leiden.
Papst Franziskus nahm sie ausdrücklich in Gebete mit auf. Der Vatikan
gab der katholischen Hilfsorganisation Caritas extra Geld, um
Obdachlosen zu helfen. Und Priester vor Ort im besonders betroffenen
Norden des Landes organisierten Unterstützung.

In den Tourismuszentren Italiens leben in normalen Zeiten viele
Menschen vom Betteln und von Straßenmusik. All das fällt als
Einkommen weg, seitdem die Touristen nicht mehr kommen.

BELGIEN: Die Brüsseler Stadtgemeinde Etterbeek verpflichtete am
Samstag ein Hotel samt dem nötigen Personal, in der Viruskrise
Obdachlose statt der ausgebliebenen Gäste zu beherbergen. Das
gesundheitliche Risiko für Obdachlose sei offensichtlich und könne
nicht unbeantwortet bleiben, erklärte die Gemeinde. Jeder Bewohner
bekomme ein Einzelzimmer mit Bad sowie ein warmes Essen pro Tag.

Soziale Organisationen in Brüssel hatten der Nachrichtenagentur Belga
zufolge bereits zehn Obdachlose mit Covid-19-Symptomen in speziellen
Einrichtungen aufgenommen. Die Stadt Charleroi stellte drei Gebäude
zur Verfügung, darunter ein Sportzentrum mit den entsprechenden
Sanitäranlagen. In ganz Belgien gilt seit Mittwoch eine
Ausgangssperre, die nur wenige Ausnahmen zulässt.