Langsamer und weniger Ego-Denke: Die Corona-Krise und die Zukunft

Noch stecken wir mitten drin in der Corona-Krise, und vermutlich wird
sie in Kürze noch heftiger. Wird der Virus-Ausbruch auf längere Sicht
auch positive Folgen haben? Einige Experten sagen: Ja.

Berlin (dpa) - Noch sind die gesundheitlichen und wirtschaftlichen
Folgen der Corona-Pandemie gar nicht voll übersehbar. Trotzdem denken
Experten darüber nach, was die Virus-Welle langfristig für den Alltag
bewirken könnte. Eine Vermutung: Solidarität wird mehr gefragt statt
Ego-Denke. Dabei beurteilen die Forscher mögliche Kriseneffekte im
Alltag zweigeteilt - je nach Zeithorizont.

REISEN: «Klar ist bereits jetzt, dass die Reisesaison 2020 Einbußen
verzeichnen und der Jahresurlaub eines Großteils der Bundesbürger
wohl nicht wie geplant stattfinden wird», sagt Ulrich Reinhardt, Chef
der Hamburger Stiftung für Zukunftsfragen. Die Fachleute dort machen
unter anderen Tourismus-Analysen.

Nach dem Abklingen der Covid-19-Welle werde sich die Reisebranche
insgesamt aber wieder erholen: «Aus der Vergangenheit wissen wir,
dass weder Euro- noch Finanzkrise, weder Epidemien wie Sars noch
Naturkatastrophen, etwa Tsunami, Erdbeben, Hurrikans, oder
Terroranschläge die Bundesbürger dauerhaft davon abgehalten haben,
die Koffer zu packen und zu verreisen.»

ENTSCHLEUNIGUNG: Insgesamt rechnet Institutsleiter Reinhardt damit,
dass der länger erkennbare Trend zu mehr Entschleunigung im Alltag an
Kraft gewinnt: «Ist diese Krise erst einmal überstanden, werden wir
es vielleicht umso mehr zu schätzen wissen, einen warmen Sommertag
mit Freunden im Park zu verbringen oder den Abend in einem Restaurant
ausklingen zu lassen, anstatt von Highlight zu Highlight zu springen
und zu versuchen, nichts zu verpassen», sagte er der dpa.

Tristan Horx vom Frankfurter Zukunftsinstitut sieht das ähnlich:
«Krisen wirken als Beschleuniger von Entwicklungen», sagte er der
dpa. «Auch wenn es ungewöhnlich klingt: Gerade diese Krise gibt der
Entschleunigung mehr Schwung.»

SOLIDARITÄT und VERTRAUEN: Zukunftsforscher Tristan Horx erwartet,
dass die Erfahrungen der Menschen während der Corona-Pandemie den
Wert von Solidarität stärken können. Und dass der Gemeinsinn an
Bedeutung gewinnt. Er beobachtet daneben einen Trendwechsel: «Zuletzt
wurden Politik und Wissenschaft von Teilen der Gesellschaft als
unglaubwürdig dargestellt. Jetzt sitzen die Menschen gebannt vor
Bildschirmen und Radios, sie wollen von Wissenschaftlern so viel wie
möglich über das Virus wissen. Und sie hoffen, dass Politiker die
Bürger gut durch die Krise steuern.» Vertrauen als Wert gewinnt auf
diese Weise an Bedeutung.

Ähnliches vermutet Ulrich Reinhardt vom BAT-Stiftung für
Zukunftsfragen: «So schwierig und dramatisch Krisen auch sind, das
Leben geht auch danach weiter», sagte er. «Wichtig ist aus Krisen zu
lernen und entsprechende Schlüsse zu ziehen. Und insbesondere in
Zeiten, die von gefühlt permanenten Krisen, Umbrüchen und
Veränderungen geprägt sind, sind sich alle Deutschen unabhängig vom
Alter, Geschlecht oder Wohnort einig: «Wir müssen mehr
Zusammenhalten.»»