Covid-19 erreicht Werften - Gaststätten werden geschlossen

Die Corona-Krise hat Mecklenburg-Vorpommern fest im Griff. Die
wichtigsten Wirtschaftszweige sind fast vollständig ausgeschaltet. Im
Nordosten machen nun auch die Restaurants und Kneipen dicht.

Schwerin (dpa/mv) - Die Corona-Krise trifft nach der Tourismusbranche
nun auch das Gastgewerbe und die Industrie Mecklenburg-Vorpommerns
mit voller Wucht. Die MV Werften stellen wegen der Pandemie
ab Samstag für zunächst gut einen Monat ihren Betrieb ein. Die
Regelung gelte für die rund 3100 Mitarbeiter an den Standorten
Wismar, Rostock und Stralsund zunächst bis zum 19. April, teilten die
MV Werften am Freitag mit. Die Belegschaft werde zunächst Zeitkonten
abbauen beziehungsweise Urlaub nehmen und vom 1. April an in
Kurzarbeit gehen. Die Entscheidung sei notwendig geworden, da es
aufgrund der Pandemie massive Einschränkungen im Betriebsablauf gebe.

Im Kampf gegen die Ausbreitung der Lungenerkrankung wird das
öffentliche Leben weiter eingeschränkt. Die Gastronomie im Land wird
ab Samstagabend, 18.00 Uhr, komplett geschlossen. Das teilte
Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) am Freitagabend nach einer
Beratung mit der Tourismuswirtschaft und dem Hotel- und
Gaststättenverband in Schwerin mit. Den Gaststätten soll lediglich
erlaubt sein, Lieferdienste anzubieten.

Unterdessen zeichnet sich im Tourismus eine Verschärfung der
wirtschaftlichen Folgen ab. In einer Verbandsumfrage unter 900
Unternehmen planten 70 Prozent eine vorübergehende Schließung.
Gleichzeitig rechneten 95 Prozent mit starken Umsatzeinbußen, 40
Prozent befürchteten gar einen Komplettausfall des Umsatzes,
Einbrüche von mehr als 75 Prozent erwarten rund 20 Prozent. «Die Lage
ist nicht anders als mit dem Wort dramatisch zu beschreiben. Nahezu
alle touristischen Unternehmen im Land sind auf Unterstützung
angewiesen», sagte der Geschäftsführer des Landestourismusverbands,
Tobias Woitendorf. Für viele Mitarbeiter beginne eine schwere Zeit
mit persönlichen Einschnitten. «Staatliche Hilfe muss nun schnell
greifen.»

Die Zahl der in Mecklenburg-Vorpommern gemeldeten Corona-Infektionen
ist bis Freitagnachmittag auf 167 gestiegen. Die nachgewiesenen Fälle
stiegen seit dem Vortag um 34, wie das Landesamt für Gesundheit und
Soziales (Lagus) mitteilte. Damit wurden am Freitag etwa so viele
neue Fälle bestätigt wie am Vortag. Zehn Personen werden demnach
aktuell im Krankenhaus behandelt.

Gesundheitsminister Harry Glawe (CDU) appellierte wegen der weiteren
Ausbreitung des Virus und mit Blick auf das kommende Wochenende an
die Vernunft der Menschen. «Das Beste ist es, zuhause zu bleiben,
wenn Sie nicht unbedingt raus müssen. Falls Sie doch an die frische
Luft und spazieren gehen wollen, ist es wichtig, auch dabei genügend
Abstand zu anderen zu halten», sagte Glawe am Freitag. Hintergrund
sei, dass die Infektionsketten unterbrochen werden müssten. «Da ist
viel Selbstdisziplin von jedem Einzelnen gefragt.»

Unterdessen hält Neubrandenburgs Oberbürgermeister Silvio Witt
(parteilos) Ausgangssperren noch nicht für nötig. «Ich glaube, noch
kriegen wir das auch so hin», sagte Witt am Freitag. Auch wenn sich
einige Bewohner völlig inakzeptabel benähmen. Schwesig sagte, für sie

sei die Ausgangssperre «eines der letzten Mittel», es sei aber nicht
ausgeschlossen, wenn sich nicht alle an die bisher beschlossenen
Maßnahmen hielten.

Rostocks Oberbürgermeister Claus Ruhe Madsen (parteilos) setzt
derweil auf kreative Ideen. So will er Mitarbeiter in Risikobereichen
prophylaktisch auf das Virus testen lassen. Er wolle nicht warten,
bis Infizierte Symptome zeigen. Sie sollten in einem frühen Stadium
aus dem Betrieb herausgeholt werden, bevor sie Kollegen anstecken,
sagte Madsen. Die Tests soll das Biotechnologieunternehmen Centogene
übernehmen und damit am Samstag bei Mitarbeitern von Feuerwehr,
Rettungsdienst oder Südstadt-Krankenhaus beginnen.

Bis Donnerstag sollten alle Touristen Mecklenburg-Vorpommern
verlassen haben - doch nicht alle wollen ihren Urlaub vorzeitig
beenden. Es gebe einige, die noch immer nicht abgereist seien,
kritisierte Schwesig. Es gebe Gäste, «die es nicht einsehen», sagte
sie. Diese nähmen die Gesundheit der Bevölkerung nicht ernst, sondern
erschwerten das Krisenmanagement.

Schwesig betonte, dass Innenminister Lorenz Caffier (CDU) im Zweifel
hart durchgreifen werde. «Es wäre schön, wenn wir uns alle diese
unschönen Szenen ersparen und alle vernünftig sind.» Landesweit sind

an zehn Kontrollstellen Polizisten im Einsatz, um gegen unerlaubten
Reiseverkehr vorzugehen. Autos mit Kennzeichen aus
Mecklenburg-Vorpommern werden durchgewunken, die anderen im Zweifel
angehalten und hinterfragt, sagte Caffier. Gäste sollen in den
Tourismusgegenden mit Lautsprecherdurchsagen dazu aufgefordert
werden, das Bundesland zu verlassen.

Unter der Krise leidet auch eine der wichtigsten und erfolgreichsten
Branchen Mecklenburg-Vorpommerns. Nach der Absage des für kommenden
Dienstag geplanten Saisonauftakts der Kreuzfahrtbranche in Warnemünde
steht hinter dem weiteren Verlauf der Saison ein Fragezeichen.
«Aufgrund der aktuellen Situation durch die Infektionskrankheit
Covid-19 ist derzeit nicht klar, wann, ob und welche
Kreuzfahrtanläufe im zweiten Quartal dieses Jahres stattfinden
können», teilte der Rostocker Hafen mit.

Schon seit ein paar Tagen sind die Theater in Mecklenburg-Vorpommern
geschlossen, unklar ist, wann sie wieder aufmachen. Nun hat als
erstes Theater Neubrandenburg/Neustrelitz schon ihre diesjährigen
Sommerproduktionen abgesagt. Betroffen seien die Festspiele im
Schlossgarten Neustrelitz mit der Operette «Pariser Leben» und das
Sommerspektakel im Schauspielhaus Neubrandenburg mit dem Musical «Der
kleine Horrorladen», teilte das Theater mit.

Auch das Mecklenburgische Staatstheater hat seine diesjährige
Open-Air-Oper «Fidelio» im Sommer gestrichen. Die Maßnahmen gegen die

Verbreitung des Virus schränkten die Produktion auf dem Alten Garten
so sehr ein, dass Vorbereitungen und Proben nicht im erforderlichen
Maß stattfinden könnten. In Rostock wird derweil noch abgewartet.
«Wir kommen mit den großen Sommerproduktionen erst im August», sagte

eine Sprecherin.