Fast 1000 Corona-Infizierte - Hessen macht Gaststätten dicht

Immer mehr Menschen stecken sich auch in Hessen mit dem Coronavirus
an - deshalb greift die Landesregierung jetzt zu noch drastischeren
Maßnahmen und schließt auch Restaurants und Gaststätten. Bei
Verstößen könnten bald saftige Bußgelder drohen.

Frankfurt (dpa) - Mit weiteren Einschränkungen des öffentlichen
Lebens reagiert Hessen auf die rasche Ausbreitung der Lungenkrankheit
Covid-19. Von diesem Samstag an müssen nun auch alle Restaurants und
Gaststätten im Land dicht machen, um die Ansteckungsrisiken zu
verringern. Mittlerweile haben sich hessenweit fast 1000 Menschen im
Bundesland mit dem Erreger Sars-CoV-2 infiziert, zwei Menschen sind
bislang daran gestorben.

WEITERE EINSCHRÄNKUNGEN 

Schon bisher durften Lokale nur noch zu bestimmten Zeiten öffnen, und
viele Geschäfte sind bereits ebenso dicht wie Kinos, Museen, Sport-
und Spielplätze. Nun geht ab 12.00 Uhr mittags an diesem Samstag (21.
März) vorerst nichts mehr in den Restaurants und Gaststätten im
Bundesland. Es wird aber möglich sein, sich Essen zu bestellen und
liefern zu lassen. Auch die bisher geltende Obergrenze für
Versammlungen etwa in Parks werde ab Samstag von 100 auf 5 Personen
reduziert, sagte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU). Bei
Verstößen könnten Bußgelder verhängt werden, deren Größenordn
ung
Bouffier auf 100 bis 300 Euro bezifferte.

WIE LÄUFT ES BISHER BEI KONTROLLEN?

Vielerorts griffen die Behörden bei Verstößen in den vergangenen
Tagen noch nicht mit Bußgeldern durch. Stattdessen versuchen Polizei
und Ordnungsämter die Bürger im Dialog von der Notwendigkeit der
Maßnahmen zu überzeugen - so etwa in Frankfurt, in Darmstadt,
Offenbach und in Kassel. Auch Wiesbaden verzichtet bisher auf
Bußgelder - ab kommenden Montag (23. März) wird sich das allerdings
ändern, wie es von der Stadt heißt. Zu Verstößen gegen die geltende

Verordnung komme es bisher weniger bei Geschäften und Restaurants,
sondern eher bei der Nutzung von Spiel-, Sport- und Bolzplätzen.
Ähnliche Erfahrungen gibt es auch in anderen Städten.

DEUTLICH MEHR INFEKTIONEN

Derweil breitet sich das Virus Sars-CoV-2 schnell weiter aus. Bislang
haben sich 962 Menschen in Hessen nachweislich mit Sars-CoV-2 (Stand:
Freitag, 14.00) angesteckt. Das waren 222 Fälle mehr als am
Donnerstag (Stand: 14.00). Zwei Menschen sind in Hessen an den Folgen
der Lungenkrankheit gestorben, wie Hessens Gesundheitsminister Kai
Klose (Grüne) in Wiesbaden sagte.

TEILS DRASTISCHE FOLGEN FÜR DIE WIRTSCHAFT

Der Frankfurter Flughafen fährt wegen der Corona-Krise seinen Betrieb
auf ein Minimum herunter. Der Betreiber Fraport schickt mindestens
18 000 seiner 22 000 Beschäftigten in Kurzarbeit, wie der
M-Dax-Konzern am Freitag mitteilte. Auch generell werden die
Arbeitsagenturen in Hessen derzeit von Beratungsanfragen zur
Kurzarbeit regelrecht überrollt. Derweil wehrt sich der Handel gegen
eine Öffnung von Geschäften an Sonn- und Feiertagen in der
Corona-Krise. Die Lockerung der sonst üblichen Verkaufsverbote sei
eine Vorsichtsmaßnahme der Politik, sagte Thomas Scherer,
Hauptgeschäftsführer beim Handelsverband Deutschland (HDE) für
Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland. Ob ein Tag pro Woche mehr
einen großen Effekt habe, sei aber zu bezweifeln.

AUSWIRKUNGEN IM NAHVERKEHR

Weil immer weniger Pendler Züge, Bahnen und Busse nutzen, dünnen die
Verkehrsanbieter ihr Angebot weiter aus - auch um ihre Mitarbeiter zu
schützen. So fahren die S-Bahnen im Rhein-Main-Gebiet seit Freitag im
30-Minuten-Grundtakt, also ohne Verstärkerfahrten auf den Linien S1,
S2, S5, S6 und S8, wie der RMV mitteilte. Viele Regionalzüge im
Rhein-Main-Verkehrsverbund sollen vom kommenden Montag (23. März) an
auch werktags nach dem Samstagsfahrplan fahren. Hinzu kommen
Einschränkungen im Nachtverkehr - zumal Bars und Clubs geschlossen
sind. Ähnliche Schritte kündigten auch der Nordhessische
Verkehrsverbund und das Darmstädter Verkehrsunternehmen Heag mobilo
an.

SEELSORGE in CORONA-ZEITEN

Gottesdienste dürfen wegen der Corona-Krise nicht mehr stattfinden,
deshalb bieten die Kirchen in Hessen kreative Angebote für Gläubige -
von Live-Übertragungen von Gottesdiensten über Gebetswünsche online
oder via Telefon, Facebook-Gruppen, Kerzenentzünden oder Messen übers
Telefon. So werden in einigen Gemeinden die Gläubigen um 12.00 Uhr
über das Geläut der Kirchenglocken zum gemeinsamen Gebet eingeladen,
sowohl seitens der evangelischen als auch der katholischen Kirchen.
Trotz des Coronavirus halten zwar viele Gotteshäuser ihre Türen
offen, jedoch nicht für Gottesdienste, sondern für das stille Gebet
oder für seelsorgerische Einzelgespräche.

ABSAGEN, ABSAGEN, ABSAGEN

Abstand halten und Menschengruppen meiden - das verträgt sich nicht
mit Festen und Feiern. Nach dem Hessentag in Bad Vilbel am Vortag
wurden am Freitag auch das Schlossgrabenfest in Darmstadt sowie in
Hanau die Brüder Grimm Festspiele, das Märchenfest und das Lamboyfest
gestrichen. «Mir blutet bei dieser Entscheidung das Herz. Aber es
gibt leider keine Hinweise, dass eine professionelle Vorbereitung in
absehbarer Zeit möglich ist», erklärte der Hanauer Oberbürgermeiste
r
Claus Kaminsky.

WOHIN ZUR ENTSPANNUNG?

Der Landesbetrieb Hessenforst empfahl am Freitag einen wohltuenden
Spaziergang im Wald, der bis auf Weiteres noch geöffnet sei für
Besucher. Ein Aufenthalt im Wald unterstütze das Immunsystems, senke
den Stresslevel und stärke den Körper. Allerdings sollten auch dabei
die Regeln eingehalten werden, mahnte Michael Gerst, Leiter des
Landesbetriebs: «Wenn Sie in den Wald kommen möchten, dann kommen Sie
bitte allein oder zu zweit, aber auf keinen Fall in der Gruppe und
halten Sie Abstand, auch schon auf dem Weg zum Wald.»