Erste Länder beschränken Ausgang - Schuldenbremse wird ausgesetzt Von Theresa Münch, dpa

Jetzt ist es so weit: In größeren Teilen des Landes gelten von
Samstag an Ausgangsbeschränkungen - auch weil noch immer viele
Menschen in der Corona-Krise allzu sorglos scheinen.

Berlin (dpa) - Viele Menschen in Deutschland werden ihren Alltag
angesichts der Corona-Krise in den kommenden Tagen noch weiter
einschränken müssen. In Bayern gilt von Samstag an ein weitgehendes
Ausgangsverbot. Auch das Saarland, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz
und Hamburg verschärfen ihre Regelungen. Zudem sollen vielerorts
Restaurants und Kneipen für Gäste geschlossen werden, Take-away und
Lieferservice bleiben aber möglich. Viele Menschen müssen zudem auf
ihren Osterurlaub verzichten. In der Bundesregierung bereitet man
sich zudem darauf vor, möglicherweise große Unternehmen zu retten -
und dafür auch besondere Notfallregelungen in Kraft zu setzen.

ERSTE GRÖßERE AUSGANGSEINSCHRÄNKUNGEN VERHÄNGT

In Bayern ist das Verlassen der eigenen Wohnung ab Samstag zur noch
mit triftigem Grund erlaubt - etwa für den Weg zur Arbeit, notwendige
Einkäufe, Arzt- und Apothekenbesuche und Hilfe für andere. Sport und
Bewegung an der frischen Luft sind nur allein erlaubt oder mit den
Menschen, mit denen man zusammenlebt. Das Saarland zog nach. Ab
Samstag 00.00 Uhr dürfe man die eigene Wohnung nur noch verlassen,
wenn man dafür einen triftigen Grund habe, kündigte der saarländische

Ministerpräsident Tobias Hans (CDU).

In Baden-Württemberg sind Menschenansammlungen auf öffentlichen
Plätzen mit mehr als drei Personen nicht mehr erlaubt, Hamburg
verbietet Ansammlungen von mehr als sechs Personen. Ausnahmen gibt es
auch hier für Familien. In Rheinland-Pfalz sind Versammlungen von
mehr als fünf Menschen untersagt. In Köln werden sogar öffentliche
Treffen von mehr als zwei Personen aufgelöst, die nicht zum engsten
Familienkreis gehören.

Eine bundesweite Ausgangssperre versucht die Bundesregierung dennoch
weiter zu vermeiden. Regierungssprecher Steffen Seibert ermahnte die
Bürger eindringlich, sich nicht mehr in Gruppen zu treffen.
Andernfalls werde man möglicherweise zu weiteren Mitteln greifen. Am
Sonntagabend werde Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den
Ministerpräsidenten der Länder eine «schonungslose Analyse»
vornehmen.

In Bayern, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Hamburg und Hessen werden
ab Mitternacht zudem die Restaurants, Biergärten und Cafés für Gäst
e
geschlossen. Außer-Haus-Lieferungen und Take-away-Angebote sind aber
weiter erlaubt.

MEHR ALS 10 000 CORONA-TOTE

Das Coronavirus hat nach den Daten aus offiziellen Statistiken
weltweit schon mehr als 10 000 Menschen den Tod gebracht. Die Johns
Hopkins Universität in den USA führte in ihrer Liste am Freitagmittag
10 038 Tote. Experten schätzen, dass die tatsächliche Zahl deutlich
höher liegt. Mehr als 246 000 Menschen infizierten sich den Daten
zufolge bisher mit dem Erreger Sars-CoV-2 - ein großer Teil von ihnen
ist längst wieder gesund oder hat kaum oder keine Symptome.

Weltweit haben sich die nachgewiesenen Infektionsfälle laut
Weltgesundheitsorganisation innerhalb von nur zwölf Tagen verdoppelt.
Es habe etwa drei Monate gedauert, bis die ersten 100 000
nachgewiesenen Fälle bekannt waren. Die zweiten 100 000 Fälle seien
innerhalb von zwölf Tagen erreicht worden. Wie sich die Zahlen
angesichts der teils drastischen Bewegungseinschränkungen in vielen
Ländern weiter entwickeln, sei schwer vorherzusagen.

REISEWARNUNG BIS NACH DEN OSTERFERIEN

Die Reisewarnung der Bundesregierung wurde auf die Osterferien
ausgeweitet. Bis Ende April wird von touristischen Auslandsreisen
abgeraten. «Das ist für viele schmerzlich aber absolut notwendig.
Bleiben Sie zu Hause!», schrieb Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD)
auf Twitter. Reisewarnungen gibt es normalerweise nur bei Gefahr für
Leib und Leben, vor allem für Bürgerkriegsländer wie Syrien,
Afghanistan oder den Jemen. Sie können kostenlose Stornierungen
ermöglichen.

NETFLIX UND CO DROSSELN BILDQUALITÄT

Videostreaming-Dienste drosseln ihre Datenmengen in Europa, um die
Netze zu entlasten. Bei Youtube sind Filme für 30 Tage nur noch in
Standard-Auflösung statt in HD zu sehen. Netflix will den
Datendurchsatz in dieser Zeit um ein Viertel reduzieren, auch Amazon
drückt Datenmengen in seinem Dienst Prime Video. Bei Sky sind
zunächst keine Änderung geplant.

Bei einer höheren Bildauflösung gibt es ein schärferes Bild, dafür

werden aber auch mehr Daten übertragen. Zuletzt waren die Datennetze
stark belastet, nicht nur, weil viele Menschen Filme streamen,
sondern auch von zu Hause arbeiten. Internet-Anbieter versichern
bisher, dass sie den Anstieg schultern können.

NOTFALLREGELUNG FÜR DIE SCHULDENBREMSE

Die Bundesregierung bereitet sich darauf vor, höhere Schulden
aufzunehmen als bisher erlaubt ist. Dafür soll die Notfallregelung in
der Schuldenbremse in Kraft gesetzt werden. Am Montag soll das
Kabinett den Beschluss treffen, im Laufe der Woche dann der
Bundestag.

Geplant ist außerdem ein Nachtragshaushalt für das Jahr 2020 - im
Gespräch ist ein Volumen von 60 bis 100 Milliarden Euro. Das Geld
wird für die Hilfsprogramme der Bundesregierung vor allem für
Unternehmen und Selbstständige benötigt.

NOTFALLS STAATLICHE BETEILIGUNG AN FIRMEN

Finanzminister Olaf Scholz (SPD) will große Konzerne notfalls auch
mit einer befristeten staatlichen Beteiligung stützen. Dafür ist ein
Rettungsfonds im Gespräch, der ein Volumen von rund 500 Milliarden
Euro haben könnte. Damit könnten Unternehmen über Garantien vor der
Pleite gerettet werden - auch mit Kapitalzuschüssen. Es könne
Liquidität garantiert werden, sagte Scholz im ZDF.

DRAMATISCHER ANSTIEG BEI KURZARBEIT

Die Bundesagentur für Arbeit verzeichnet einen dramatischen Anstieg
bei Anzeigen auf Kurzarbeit. In der laufenden Woche wurden demnach
76 700 Anzeigen mit der Ausbreitung des Coronavirus begründet. 2918
dagegen zeigten in einer durchschnittlichen Woche rund 600 Betriebe
Kurzarbeit an. Besonders betroffen sind die Bundesländer Bayern,
Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Die Anzeigen kämen aus
allen Branchen, jedoch stächen die Bereiche Transport und Logistik,
das Hotel- und Gaststättengewerbe, der Messebau und der Tourismus
hervor.

MILLIARDEN FÜR SCHUTZAUSRÜSTUNG

Das Finanzministerium will bis zu 2,11 Milliarden Euro zusätzlich für
Schutzausrüstung und Beatmungsgeräte bereitstellen. Laut einem
Schreiben der Parlamentarischen Staatssekretärin Bettina Hagedorn an
den Haushaltsausschuss steigt der Bedarf an persönlicher
Schutzausrüstung, Beatmungsgeräten und antiviralen Mitteln immens.
Zudem gebe es «extreme Lieferengpässe bei gleichzeitig steigenden
Preisen».

GIPFELTREFFEN ABGESAGT

Die US-Regierung sagte das für Juni in den USA geplante Gipfeltreffen
sieben führender Wirtschaftsnationen wegen der Coronavirus-Pandemie
ab. Stattdessen solle es eine Videokonferenz geben, teilte das Weiße
Haus mit. Präsident Donald Trump werde zudem im April und Mai mit
seinen Kollegen der G7-Staaten per Videokonferenz das weitere
Vorgehen im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie besprechen.

«LUFTBRÜCKE» FÜR URLAUBER

Reiseveranstalter und die Lufthansa haben inzwischen fast 100 000
gestrandete deutsche Urlauber in Sonderflügen aus dem Ausland
zurückgeholt. Weiterhin sitzen weltweit aber Zehntausende Touristen
fest. Zahlreiche Länder haben wegen der rasanten Ausbreitung des
Coronavirus Grenzen dicht gemacht und Flugverbindungen gekappt. Da
Deutschland inzwischen zu den Hauptrisikoländern gehört, sind
Bundesbürger stark von den Einschränkungen betroffen.