Restaurants werden geschlossen - Versammlungsfreiheit eingeschränkt Von Markus Klemm, dpa

Der Hamburger Senat greift weiter durch: Wegen der Corona-Pandemie
müssen nun sämtliche Restaurants der Hansestadt schließen. Auch hat
er in die Versammlungsfreiheit eingegriffen und Ansammlungen von mehr
als sechs Menschen verboten.

Hamburg (dpa/lno) - Hamburg hat die Einschränkungen im öffentlichen
Leben zur Eindämmung der Corona-Pandemie noch einmal verschärft. So
werden nun alle Restaurants geschlossen, teilte Bürgermeister Peter
Tschentscher (SPD) am Freitag nach einer Senatssitzung mit. Ausnahmen
gälten nur für Lieferdienste. Auch dürfe Essen außer Haus verkauft

werden. Bislang durften Restaurants und Gaststätten noch zwischen
6.00 und 18.00 Uhr öffnen.

Darüber hinaus sind Ansammlungen von mehr als sechs Personen
untersagt. «Das gilt natürlich nicht für Familien», sagte
Tschentscher. Auch seien etwa Berufstätigen-Gruppen nicht betroffen.
«Wir wollen niemanden einsperren. Gleichwohl wollen wir sicherstellen
(...), dass wir im öffentlichen Raum Kontakte vermeiden», sagte
Tschentscher. Sogenannte Corona-Partys verurteilte er scharf.

In der Hansestadt sind bereits Schulen, Kitas, Spielplätze und
öffentliche Einrichtungen wie Bibliotheken und Schwimmbäder
geschlossen. Gleiches gilt für Theater und Kinos. Nur Supermärkte und
Läden, die zur Versorgung der Menschen dienen, Apotheken, Abhol- und
Lieferdienste, Getränkemärkte und Banken dürfen weiterhin öffnen.

Mit seiner neuen Allgemeinverfügung geht Hamburg nicht so weit wie
etwa der Freistaat Bayern. Dort ist das Verlassen der Wohnung von
Samstag an nur noch aus triftigen Gründen erlaubt. Dazu zählen etwa
der Weg zur Arbeit, Einkäufe, Arzt- und Apothekenbesuche. Auch Sport
und Bewegung an der frischen Luft bleiben erlaubt - dies aber nur
alleine oder mit den Personen, mit denen man zusammenlebt.

Am Sonntag wollen sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die
Regierungschefs der Länder in einer Telefonkonferenz zum weiteren
Vorgehen gegen die Corona-Pandemie abstimmen. Dabei werde die Wirkung
der bisherigen Maßnahmen schonungslos analysiert, kündigte
Regierungssprecher Steffen Seibert an. Zugleich gelte es, die
Verhältnismäßigkeit zu wahren.

POLIZEI - Bislang wurden die vom Hamburger Senat beschlossenen
Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus weitgehend
eingehalten. Die Polizei kontrolliere das Einhalten der Auflagen
intensiv, sagte ein Polizeisprecher. Am Donnerstagabend und in der
Nacht hätten die Beamten nur wenige Verstöße festgestellt. Generell
sieht sich die Polizei personell gut für die Krise gerüstet. «Wir
haben teilweise mehr Polizeibeamte auf der Straße als sonst», sagte
ein Sprecher der Deutschen Presse-Agentur. So würden beispielsweise
die Kollegen der Bereitschaftspolizei, die sonst Fußballspiele und
Demonstrationen mit viel Personal begleitet, zusätzlich im regulären
Dienst eingesetzt.

«Alle Dienststellen sind natürlich besetzt. Wir sind da, wo wir sonst
auch wären.» Gleichzeitig appellierte er an die Hamburger, dennoch
auf den Gang zur Wache zu verzichten und stattdessen anzurufen oder
die Online-Wache zu nutzen. Auch Streifendienst und
Verkehrsüberwachung finden nach wie vor statt. «Das hat was mit Recht
und Ordnung so tun», sagte der Sprecher. Er bestätigte, dass wegen
Verstößen gegen die Allgemeinverordnung Strafanzeigen gestellt worden
seien. Eine Zahl nannte er nicht. Insgesamt halte sich die Mehrzahl
der Hamburger aber an die Regeln. «Um 22.00 Uhr ist wirklich nichts
mehr los. Der überwiegende Teil der Bevölkerung ist kooperativ.»

ZAHL DER ERKRANKTEN - Die Zahl der an Covid-19 erkrankten Hamburger
ist seit Donnerstag wieder deutlich gestiegen. Insgesamt seien 158
neue Fälle von Erkrankungen mit dem neuartigen Coronavirus bestätigt
worden, teilte der Senat mit. Damit sei die Zahl der in Hamburg
gemeldeten Fälle auf nunmehr 664 gestiegen. Unter den Infizierten
sind 26 in stationärer Behandlung, sechs befinden sich auf einer
Intensivstation. Der Senat rechnet wegen der deutlich steigenden Zahl
an Tests auch vieler Rückkehrer aus Risikogebieten in den kommenden
Tagen mit einem weiteren Anstieg positiv getesteter Menschen.

«Die Zahlen derjenigen, die sich mit dem Coronavirus infiziert haben,
steigen sowohl in Hamburg als auch bundesweit deutlich», sagte
Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD). Einmal mehr
appellierte sie an die Bevölkerung, sich an die Regeln und
Einschränkungen des Senats zu halten. «Unser oberstes Ziel ist es,
die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen und damit Zeit zu gewinnen.
Dafür ist jeder Einzelne von uns gefragt.»

WOCHENMÄRKTE - Wegen der Corona-Krise erleben die Wochenmärkte der
Stadt unterdessen großen Zulauf. «Ich gehe jetzt viel lieber auf dem
Markt einkaufen, weil das Gemüse dort nicht so oft angefasst wird wie
im Supermarkt», sagte Frauke Putensen, die am Freitag auf dem
Isemarkt unterwegs war. Die meisten Menschen hielten den
Sicherheitsabstand in den Warteschlangen vor den Verkaufsständen ein,
manche Händler hatten dafür extra Bereiche auf dem Boden markiert.
Einige hatten ihre Stände umgebaut, um mehr Abstand zu den Kunden zu
haben, einige trugen Atemschutzmasken.

HAFEN - Der Hamburger Hafenbetreiber HHLA stellt sich dagegen wegen
der Corona-Pandemie auf einen herben Geschäftsrückgang ein. Eine
zuverlässige Prognose sei bisher nicht möglich, teilte das im SDax
gelistete Unternehmen mit. Allerdings geht der Vorstand davon aus,
dass Umsatz und operatives Ergebnis (Ebit) im laufenden Jahr «stark
unter den im Vorjahr erreichten Werten» liegen werden. So könnten die
Mengen der am Hafen umgeschlagenen und der über Land transportierten
Container zeitweise stark zurückgehen. Im abgelaufenen Jahr hatte der
Konzern seinen Umsatz nach vorläufigen Zahlen um knapp sieben Prozent
auf 1,4 Milliarden Euro gesteigert.

Die Container-Reederei Hapag-Lloyd wagt trotz der Verwerfungen durch
die Pandemie eine Gewinnprognose für das laufende Jahr. Der Gewinn
vor Zinsen und Steuern (Ebit) soll zwischen einer halben und einer
Milliarde Euro liegen, kündigte das Unternehmen in Hamburg an. Die
Prognose für die Geschäftsentwicklung sei mit «erheblich höheren
Unsicherheiten» behaftet als üblich. «2020 wird ein sehr
ungewöhnliches Jahr, da sich die Bedingungen in den letzten Wochen
aufgrund des Ausbruchs des Coronavirus in vielen Märkten sehr schnell
verändert haben», sagte Hapag-Lloyd-Chef Rolf Habben Jansen.

ARBEIT - Die Gewerkschaften haben den Senat aufgefordert, finanzielle
Hilfen für Unternehmen in Zeiten der Krise an die sogenannte
Beschäftigungssicherung zu koppeln. Hilfsgelder müssten prioritär
dazu verwendet werden, Kündigungen zu vermeiden und das Einkommen der
Beschäftigten zu sichern. «Alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen
brauchen jetzt sichere Perspektiven und deswegen müssen finanzielle
Hilfen für Unternehmen der Stadt an Beschäftigungssicherung gekoppelt
sein», sagte Hamburgs DGB-Vorsitzende Katja Karger.

VERKEHR - Der Sammeltaxi-Dienst Moia kündigte an, sein Angebot in
Hamburg ab dem 1. April vorübergehend einzustellen. Moia reagiere
damit auf die Corona-Krise und die Einschränkungen des öffentlichen
Lebens, in deren Folge sich die Nachfrage nach Fahrten drastisch
reduziert habe, teilte das Unternehmen mit. Moia gehe es auch darum,
die Ausbreitung des Virus in der kritischen Phase der Pandemie
einzudämmen. Ab April beantragt das Unternehmen laut Mitteilung zur
Erhaltung von Arbeitsplätzen Kurzarbeit für rund 900 Mitarbeiter.

GAS, WASSER, STROM - Wer in Hamburg seine Wasser-, Strom- oder
Gasrechnung nicht bezahlt hat, soll erst einmal nicht vom
Versorgungsnetz abgeschnitten werden. Darauf haben sich die Leitungs-
und Versorgungsunternehmen in Hamburg verständigt, wie die
Umweltbehörde mitteilte. Zum Teil würden auch laufende Mahnverfahren
gegen Kunden im Zahlungsverzug vorübergehend ausgesetzt. Unzumutbare
soziale Härten sollen so vermieden und die Belieferung der Haushalte
mit Trinkwasser, Strom, Gas und Wärme gewährleistet werden.

FUSSBALL - Der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit erwartet, dass wegen
der Pandemie in diesem Jahr kein Profifußball mehr gespielt wird.
«Ich gehe fest davon aus, dass es erst wieder im nächsten Jahr
stattfinden kann in dem Umfang», sagte der Mediziner des
Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin in Hamburg im «Sportclub»

des NDR-Fernsehens. Die Deutsche Fußball Liga hat die 1. und 2.
Bundesliga vorerst bis zum 2. April ausgesetzt. Gerechnet wird aber
damit, dass frühestens im Mai die Saison mit Spielen ohne Zuschauer
fortgesetzt werden könnte. «Ich glaube, es ist nicht realistisch,
dass die Saison zu Ende geführt werden kann», sagte Schmidt-Chanasit.
«Wir sehen ja, wie die Situation ist in Europa und was uns noch
bevorsteht.»

Fußball-Idol Uwe Seeler leidet unterdessen an Entzugserscheinungen.
«Ich vermisse den Fußball sehr. Ich mache mir zudem große Sorgen um
den Fortbestand der Vereine», sagte der Ehrenspielführer der
Nationalmannschaft der «Bild»-Zeitung. Da er als 83-Jähriger zur
Risikogruppe bei einer Infektion mit Sars-CoV-2 gehöre, habe er sich
mit seiner Frau Ilka «quasi weggesperrt». Seine Kinder und
Enkelkinder würden für ihn einkaufen, seine Frau jage ihn regelmäßi
g
in den Garten an die frische Luft. «Sie meint, mit Rasen unter den
Füßen kenne ich mich ja aus», sagte Seeler.

HEIRATEN - Wegen der Corona-Pandemie dürfen bei Trauungen in Hamburg
nur das Brautpaar und der Standesbeamte anwesend sein, wie der
Sprecher des federführenden Bezirksamts Harburg, Dennis Imhäuser, auf
dpa-Anfrage sagte. Trotz dieser Auflage habe es aber nur vereinzelt
Absagen gegeben. «Viele sind froh, dass sie noch heiraten können und
zeigen sich sehr kooperativ.»