In Corona-Zeiten erleben Wochenmärkte mehr Zulauf Von Birgitta von Gyldenfeldt und Carola Große-Wilde, dpa

Frische Luft und Ware, die nicht durch so viele Hände geht: Viele
Menschen im Norden setzen in diesen Tagen auf den Einkauf auf dem
Wochenmarkt. Manche Händler sind dabei besonders kreativ.

Neumünster/Hamburg/Harrislee (dpa/lno) - Einkaufen unter freiem
Himmel, statt in geschlossenen Räumen: Wochenmärkte im Norden sind
derzeit durch die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus im Aufwind.
Aktuell kämen mehr Menschen zum Einkaufen auf den Wochenmarkt,
berichtet der Vorsitzende des Landesverbandes der Marktbeschicker in
Schleswig-Holstein, Stefan Wegener. Die Steigerungsraten befänden
sich zum Teil im zweistelligen Bereich.

Offensichtlich schätzen die Menschen den Einkauf an der frischen Luft
ohne Einkaufswagen und nähere Berührungen. Die Kunden verhielten sich
sehr vernünftig. «Sie halten Abstand von einander, wenn sie warten
müssen und das geht alles reibungslos», sagt Wegener, der selbst seit
36 Jahren mit einem Stand auf Wochenmärkten in Kiel und Neumünster
unterwegs ist. «Die Ware geht direkt vom Verkaufsstand in die Tasche
des Kunden und muss nicht noch einmal umgepackt werden.» Zwischen den
Verkaufsvorgängen desinfizierten oder wechselten die Händler die
Handschuhe und auch das Bezahlen sei an vielen Ständen mittlerweile
mit EC-Karte möglich.

Auch auf dem Hamburger Isemarkt ist am Freitag jede Menge los. «Die
Leute kaufen wie verrückt», sagt Malte Jahn vom Stand «Frische
Kräuter». Das sei auch gut so, da das Geschäft mit Kunden aus der
Gastronomie völlig zusammengebrochen sei. «Wenn die Wochenmärkte
jetzt auch noch zumachen, dann sind viele Betriebe innerhalb weniger
Wochen pleite», glaubt der Händler, der seit acht Jahren seine Ware
auf dem Isemarkt anbietet. Um seine Kunden zu schützen, hat Jahn
seinen Tresen so umgebaut, dass seine Verkäufer jetzt 1,50 Meter
Abstand zu den Kunden haben. «Wir versuchen, die Hamburger so lange
zu versorgen, wie es geht.» Um das Ansteckungsrisiko zu verringern,
hat seine Mutter sogar Atemschutzmasken selbst genäht.

«Ich gehe jetzt viel lieber auf dem Markt einkaufen, weil das Gemüse
dort nicht so oft angefasst wird wie im Supermarkt», sagt Frauke
Putensen, die auf dem Isemarkt unterwegs war. Die meisten Menschen
hielten den Sicherheitsabstand in den Warteschlangen vor den
Verkaufsständen ein, manche Händler haben dafür extra Bereiche auf
dem Boden markiert. Einige Verkäufer haben Handschuhe an, einige
tragen eine Atemschutzmaske.

Auf dem kleinen Markt in Harrislee bei Flensburg ist an diesem
sonnigen Vormittag einiges los, wenn auch vielleicht nicht ganz so
viel wie sonst. «Die Bummler haben wir nicht mehr», sagt Claus
Dalsgaard, der mit seinem Blumenstand auf dem Marktplatz steht. «Die
Leute, die hier sind, wollen etwas.» Sonst sei mehr los, sagt er. Das
ist aber auch der Lage des Marktes beziehungsweise Harrislee, wenige
Kilometer von der dänischen Grenze entfernt, geschuldet. Seitdem
Menschen ohne triftigen Grund nicht mehr über die deutsch-dänische
Grenze kommen dürfen, fehlt auf deutscher Seite ein Großteil der
Kundschaft. «Uns fehlen die Dänen», sagt Dalsgaard. Dennoch ist an
seinem Stand ein stetes Kommen und Gehen. «Die Leute wollen Farbe in
der trüben Zeit», sagt er. «Das sagen ganz viele.»

Ware in mitgebrachte Behälter füllen die Händler indes derzeit nicht.

«Da nehmen wir im Moment Abstand von», sagt Wegener. Solange es sein
müsse, werde man wieder Einwegverpackungen anbieten. «Ich denke, dass
wird auch jeder respektieren.» Ob man wegen des Zulaufs an mehr Tagen
oder länger die Märkte anbieten sollte? «Wir denken in alle möglich
en
Richtungen», sagt Wegener. Mehr Tage in der Woche am gleichen Ort
seien so nicht möglich. Denn jeder etablierte Händler habe eine
Route, die er abfahre. Wenn man davon abweiche, würde ein anderer
Markt in Mitleidenschaft gezogen, sagt Wegener. «Und auch da haben
wir einen Versorgungsauftrag. Mittlerweile muss man das so sehen.»

Alejandro Matteos, der auf dem Isemarkt iberischen Schinken verkauft,
hofft, dass die Wochenmärkte überhaupt weiter geöffnet bleiben
dürfen. «Ich weiß sonst nicht, wovon ich leben soll», sagt der
53-jährige Spanier. So empfindet auuch Elke Otto vom Blumenstand
«Blütenstiel». «Meinen Blumenladen musste ich bereits schließen,

jetzt bleibt nur noch das Marktgeschäft», sagt die 54-Jährige. Sie
befürchtet, dass es bald eine Ausgangssperre geben wird. «Dann muss
ich zuhause bleiben und vielleicht Insolvenz anmelden.»