«Nerven liegen blank»: Unternehmen wollen schnelle Staatshilfen Von Andreas Hoenig, dpa

Die Corona-Krise hat dramatische Ausmaße für viele Unternehmen.
Geschäfte müssen dicht machen, Aufträge und Umsätze brechen weg.
Liquiditätsengpässe drohen. Doch wie schnell kommen versprochene
Hilfen nun bei den Firmen an?

Berlin (dpa) - Angesichts einer drohenden Pleitewelle in der
Corona-Krise haben Wirtschaftsverbände Kritik an zu komplizierten
Programmen zu Notkrediten geäußert. Hilfen müssten nun
schnellstmöglich bei den Firmen ankommen, um Liquidität
sicherzustellen.

DIHK-Präsident Eric Schweitzer sagte am Freitag: «In der aktuellen
Situation werden an sich gut wirkende Soforthilfen wie
Steuerstundungen, Zuschüsse und staatliche Kreditgarantien
ausgebremst, wenn sie jetzt nicht schnell und einfach funktionieren.»
Eine Sprecherin von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) kündigte
am Freitag an, die Hilfen sollten ab Montag zur Verfügung stehen.

Die Bundesregierung hatte ein unbegrenztes Kreditprogramm
beschlossen, um angesichts der dramatischen wirtschaftlichen Folgen
der Corona-Krise die Liquidität der Firmen sicherzustellen. Die
staatliche Förderbank KfW und die Kreditwirtschaft hatten am Mittwoch
erklärt, Unternehmen könnten ab sofort Hilfskredite beantragen. Die
KfW bietet den Geschäftsbanken je nach Programm an, 70 bis 80 Prozent
des Kreditrisikos zu übernehmen. Das soll den Finanzinstituten die
Vergabe von Darlehen erleichtern. Die Förderbank erhält dafür
staatliche Garantien.

Auch andere Wirtschaftsverbände beklagten, die Hilfen kämen nicht
schnell genug an. Familienunternehmen sprachen von
«Konstruktionsmängeln». Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung
Familienunternehmen, sagte der dpa: «Erste Erfahrungen von
Familienunternehmen zeigen, dass es zu langen Kreditprüfungen kommt
und dramatische Engpässe drohen.» Die betroffenen Unternehmen müssten

schnell mit Liquidität versorgt werden. «Das geht nur mit
Pauschalbewilligungen im Schnellverfahren.»

Die Sprecherin von Altmaier sowie ein Sprecher von Finanzminister
Olaf Scholz (SPD) bekräftigten, die Bundesregierung werde alles
Notwendige tun, um Firmen und Jobs zu schützen.

DIHK-Präsident Schweitzer sagte, es sei für viele Unternehmer
unverständlich, wenn sie aufwändig nachweisen sollten, dass sie
wirklich von der Krise betroffen seien. «Das lässt sich doch alles im
Nachhinein untersuchen. Die Hilfen müssen in der nächsten Woche bei
den vielen Solo-Selbständigen, bei den Kleinstunternehmen und bei den
Mittelständlern ankommen, sonst kommen sie für viele aus diesem Kreis
zu spät.» Schweitzer fügte hinzu: «Die Nerven vieler Unternehmer
liegen blank, denn sie haben bereits einige Wochen Durststrecke
hinter sich. Zugleich hat sich die Zahl der betroffenen Betriebe und
Branchen aufgrund immer neuer Verschärfungen der
Anti-Corona-Maßnahmen beinahe im Tagesrhythmus erhöht.»

Mittelstandspräsident Mario Ohoven sagte der dpa: «Bei unseren
Mitgliedsunternehmen wächst erkennbar der Unmut über die schleppende
Umsetzung der staatlichen Hilfsmaßnahmen.» So liefen die
KfW-Hilfsprogramme über die Hausbanken, was das Verfahren verzögere
und verkompliziere. «Der Mittelstand braucht jetzt vor allem schnelle
Hilfe, damit wir den Wettlauf gegen die Zeit gewinnen.» Komme die
Hilfe zu spät, drohe ein Kahlschlag gerade bei den kleinen
Gewerbetreibenden und Selbstständigen.

Die angeschlagene Restaurantkette Vapiano, die am Freitag meldete,
sie sei zahlungsunfähig, richtete einen «dringenden Appell an die
Bundesregierung» zur schnellen Umsetzung der wirtschaftlichen Hilfen.
Damit hofft der Vorstand, den innerhalb einer Frist von drei Wochen
gebotenen Insolvenzantrag doch noch abwenden zu können. Die von der
Regierung in Aussicht gestellte «KfW-Corona-Hilfe» zur Überbrückung

von Liquiditätsengpässen sei «zum jetzigen Zeitpunkt offenbar» nich
t
verfügbar, da eine Antragstellung über die dafür zuständigen
Hausbanken derzeit noch nicht möglich sei.

Auch das Beispiel eines anderen Unternehmens zeigt die schwierige
Lage: Meinolf Brauer ist Chef des Dienstleisters Walter Services GmbH
in Siegburg, einem Unternehmen aus der Call Center Industrie mit 2000
Mitarbeitern an neun Standorten. «Wir verlagern derzeit die Arbeit
von den Call Centern ins Home Office», sagte Brauer der dpa. Die
Firma bediene unter anderem Hotlines für Apotheken, Patienten und die
Pharmabranche.

Brauer sagte, er habe bei seiner Hausbank einen Antrag auf einen
KfW-Corona-Notfallkredit gestellt, um Liquidität sicherzustellen:
«Die hat aber gesagt, sie braucht noch zig Unterlagen wegen der
KfW-20-Prozent-Hürde.» Die Bearbeitung könne zwei bis drei Wochen
dauern. Es sei aber nun Zeit für beherztes Handeln, nicht für Zögern

und Zaudern. Die Bundesregierung müsse die 20-Prozent-Haftungsregel
für Kredite sofort «sprengen» und die Schleusen öffnen, sagte der
Unternehmer. «Der Staat muss 100 Prozent des Risikos übernehmen.
Sonst droht schon bald eine riesige Pleitewelle bei kleinen
Unternehmen.»